Aktion von Stadt-Anzeiger Dortmund und AOK NORDWEST
Experten beantworteten viele Fragen am Telefon: "Damit Antibiotika auch morgen noch wirken"
Antibiotika gelten bei vielen Menschen als Allheilmittel für jede Art von Infekt: Schnell wieder fit werden, bloß nicht zu lange im Job krank sein, das Kind rasch wieder in die Kinderbetreuung schicken – ein Antibiotikum soll es richten. Richtig eingesetzt, kann ein Antibiotikum Leben retten.
Unnötig verabreicht und unsachgemäß eingenommen, besteht jedoch die Gefahr, dass das Antibiotikum seine Wirkung verliert. Zahlreiche Dortmunder Bürger nutzten die Gelegenheit sich bei der Telefonaktion unserer Zeitung und der AOK NORDWEST von AOK-Apothekerin Dr. Andrea Wienecke, Kinderärztin Dr. Folke Brinkmann und Dr. Gisbert Breuckmann, Facharzt für Allgemeinmedizin, beraten zu lassen.
Die wesentlichen Antworten auf die Leser-Fragen aus unserer Telefonaktion haben wir für Sie zusammengefasst:
Was ist ein Antibiotikum?
Antibiotika sind Arzneimittel zur Behandlung von bakteriellen Infek-tionen. Die Angriffspunkte der Antibiotika sind sehr unterschiedlich, z.B. Zellstrukturen oder unterschiedliche Stoffwechselprozesse. Durch Antibiotika sterben die Bakterien ab (bakterizide Wirkung) oder sind nicht weiter vermehrungsfähig (bakteriostatische Wirkung). Antibiotika sind für die heutige Medizin unabdingbar. Jedoch gibt es weltweit mehr und mehr Erreger, gegen die eines oder mehrere Antibiotikagruppen keine Wirkung mehr zeigen.
Wann sollten Antibiotika eingesetzt werden – und wann nicht?
Antibiotika helfen bei bakteriellen Infekten: Manche töten Bakterien direkt ab, andere verhindern, dass sie sich weiter vermehren. Antibiotika sind aber kein Allheilmittel, denn auch andere Erreger können uns krank machen. Beispielsweise eine Grippe und viele Erkältungen werden durch Viren verursacht. Antibiotika sollten daher gezielt eingesetzt werden.
Wann werden Antibiotika bei Kindern eingesetzt?
Kinder sind häufiger von Erkältungskrankheiten betroffen als Erwachsene, weil ihr Immunsystem noch nicht vollständig ausgebildet ist. Sie erhalten im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen die meisten Verordnungen. Einer der häufigsten Gründe für einen Arztbesuch im Kindesalter ist die Mittelohrentzündung. Diese kann sowohl durch Bakterien als auch durch Viren verursacht werden. Bei einer akuten Mittelohrentzündung entwickeln sich die Symptome meist sehr schnell, verschwinden jedoch bei etwa 60 Prozent der Kinder wieder innerhalb von 24 Stunden. Schmerzmittel sowie abschwellende Nasentropfen sind dabei Mittel der Wahl.
Die häufigste Erkrankung der unteren Atemwege bei Kindern und Jugendlichen ist eine akute Bronchitis. Diese wird in der Mehrzahl der Fälle durch Viren und wesentlich seltener durch Bakterien verursacht. Eine Therapie mit Antibiotika ist somit in der Regel nicht sinnvoll. Generell ist die Gesamtsituation des Kindes entscheidend. Alter und Begleiterkrankungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Frage nach der medikamentösen Therapie.
Wie werden Antibiotika bei Kindern dosiert?
Die Dosierung richtet sich nach Gewicht und Alter des Kindes. Um die individuelle Dosierung zu erreichen, werden Antibiotika bei Kindern als Saft verabreicht. Für die richtige Einnahme sollte man unbedingt die beigefügte Dosierhilfe verwenden. Teelöffel oder Esslöffel sind zu ungenau.
Wenn ich dann ein Antibiotikum nehme, werde ich dann schneller gesund?
Wenn es sich um einen viralen Infekt handelt, sind Antibiotika unwirksam. Daher ist es manchmal besser, den Krankheitsverlauf zunächst zu beobachten. Eine Erkältung heilt in der Regel nicht schneller, nur weil ein Antibiotikum eingenommen wird.
Was muss ich bei der Einnahme eines Antibiotikums beachten? Wie wird ein Antibiotikum richtig eingenommen?
Wenn ein Antibiotikum eingenommen werden muss, ist es wichtig, dass dieses richtig angewendet wird und die Einnahmehinweise genau beachtet werden. Beispielsweise müssen die Zeitabstände exakt stimmen, damit die Antibiotikamenge im Körper immer hoch genug ist,
um die Bakterien sicher zu bekämpfen. Auch die Einnahmedauer muss beachtet werden. Eine zu kurze aber auch eine zu lange Einnahme fördert die Entwicklung von Resistenzen.
Welche Nahrungsmittel können die Wirksamkeit eines Antibiotikums beeinflussen?
Manche Antibiotika dürfen nicht zusammen mit Milch eingenommen werden und auch Mineralstoffe wie Calcium oder Magnesium können die Wirkung beeinträchtigen. Bei manchen Antibiotika sollte man starke Sonneneinstrahlung meiden.
Warum ist eine unsachgemäße Anwendung von Antibiotika gefährlich?
Die unnötige Einnahme von Antibiotika bedeutet unnötige Risiken. Wenn man ein Antibiotikum ohne medizinischen Grund nimmt, setzt man sich unnötig dem Risiko von Nebenwirkungen aus, ohne einen Nutzen von dem Medikament zu haben. Aber nicht nur sich selbst kann man mit einem Antibiotikum schaden, sondern seiner Umwelt. Jeder Einsatz von Antibiotika geht mit der Gefahr von Resistenzentwicklungen einher. Diese resistenten Bakterien können auf andere Menschen übertragen werden. Dann hilft das ursprüngliche Antibiotikum nicht mehr und gerade bei vorerkrankten Patienten kann die Behandlung dann sehr schwierig werden.
Warum werden Antibiotika so häufig und unnötig verschrieben?
Wir stellen fest, dass in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 10 Prozent mehr Antibiotika verordnet werden als im Bundesdurchschnitt. Nordrhein-Westfalen gehört damit zu den Spitzenreitern im Bundesgebiet. Aber auch hier gibt es Regionen, in denen eher wenig Antibiotika verordnet werden und Regionen in denen mehr verordnet wird. Für die Unterschiede haben wir bislang keine medizinische Erklärung gefunden. Über die Ursachen können wir nur mutmaßen: ist es mangelndes Wissen beim Patienten, ist es der Zeitdruck in den Arztpraxen oder sind es falsche Erwartungshaltungen auf beiden Seiten? Hier ist eine gute Kommunikation wichtig und da ist nicht nur der Arzt gefordert, sondern auch der Patient selbst.
Warum helfen Antibiotika vielleicht bald nicht mehr?
Weil es immer mehr Bakterien gibt, die unempfindlich gegenüber den Wirkstoffen sind – sie sind ‚resistent‘. Je häufiger Antibiotika eingesetztwerden, desto eher breiten sich diese resistenten Krankheitserreger aus.
Wodurch können bei Antibiotika Resistenzen oder krankmachende Keime entstehen?
Durch Zufall kann sich das Erbgut eines Bakteriums verändern und neue Eigenschaften erhalten. Ein bisher wirksames Antibiotikum ist dann plötzlich völlig nutzlos. Da zudem jedes Antibiotikum neben den krank machenden immer auch nützliche, körpereigene Bakterien abtötet, hat das resistente Bakterium freie Bahn – es kann sich besonders gut vermehren. Und die bisherige Antibiotika-Behandlung hilft nicht mehr. Solche resistenten Bakterien können auch von einem Menschen auf andere übertragen werden.
Welche unerwünschten Nebenwirkungen können durch eine Antibiotikabehandlung auftreten?
Antibiotika beschädigen oder vernichten alle Bakterien, die in den jeweiligen Wirkungsbereich fallen. Nicht nur krankmachende Erreger, sondern auch für uns nützliche Bakterien z.B. Darmbakterien, die für eine funktionierende Verdauung erforderlich sind, können beschädigt bzw. abgetötet werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit. Aber auch Allergien gegen bestimmte Antibiotika können auftreten. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn sich andere – gegen das Antibiotikum unempfindliche Bakterien – im Darm vermehren und zu starken Durchfällen führen.
Wie kann ich dabei helfen den Antibiotikaverbrauch zu senken?
Indem Sie sich selbst und andere vor Infektionen schützen, zum Beispiel in der Erkältungszeit öfter die Hände waschen und empfohlene Schutzimpfungen wahrnehmen. Nicht die Hände zu schütteln ist in der Erkältungszeit keine Unhöflichkeit sondern ein wirksamer Schutz vor der Übertragung von Krankheitskeimen. Ist ein Arztbesuch notwendig, machen Sie sich bewusst, dass ein Antibiotikum nicht in jedem Fall die erste Wahl ist. Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt darüber, dass Sie nur ein Antibiotikum einnehmen möchten, wenn es wirklich notwendig ist.
Mehr Informationen rund um das Thema Antibiotika gibt es online unter aok.de/nw/damitantibiotika-auch-morgen-noch-wirken und mags.nrw/antibiotika-informationen
Autor:Holger Schmälzger aus Dortmund-Süd |
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