Fraktion DIE LINKE & PIRATEN fordert schnelles Handeln
Vogelsterben in Dortmund muss gestoppt werden

Foto: pixabay

Die Fraktion DIE LINKE & PIRATEN hat die Befunde des NABU für die Dortmunder Vogelwelt ausgewertet und ist dabei auf ein dramatisches Vogelsterben auch bislang sehr häufiger Arten gestoßen. DIE LINKEN & PIRATEN beantragen daher für die Februarsitzung des Rates die Ausrufung des Biodiversitätsnotstandes. Damit verbunden soll die Erstellung und Umsetzung eines akuten Notfallplans zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Dortmunder Fauna insgesamt sein, um noch zu retten, was noch zu retten ist. Die Vogelpopulationen eignen sich gut als Indikator für den Zustand der Natur insgesamt.

„Besonders die Feldvögel und die kleinen Singvögel sind auffällig unter Druck. Einigen wenigen sich ausbreitenden Arten (z.B. Amsel, Rotkehlchen, Kanadagans, Ringeltaube) stehen sehr viele Arten gegenüber, die in Dortmund entweder bereits ausgestorben sind (z.B. Rebhuhn, Haubenlerche, Turteltaube, Trauerschnäpper), vom Aussterben bedroht sind (z.B. Feldsperling, Kiebitz, Wacholderdrossel, Wanderfalke, Nachtigall, Gartenrotschwanz, Waldlaubsänger) oder zeigen kontinuierlich geringere Bestände (z.B. Teich- + Blässhuhn, Weidenmeise, Schwanzmeise, Turmfalke, Feldlerche).
Selbst viele der häufigsten Vogelarten in Dortmund haben Bestandseinbrüche. So sind die Bestände von Kohlmeise und Blaumeise in den vergangenen drei Jahren regelrecht eingebrochen. Insgesamt sind rund 55 Prozent der in Dortmund vorkommenden Vogelarten in den letzten beiden Dekaden ausgestorben, stark gefährdet oder in stetigem Rückgang begriffen. Insbesondere das Insektensterben (bis zu 80 Prozent der Biomasse) macht den Populationen der Avifauna schwer zu schaffen. Tausende Vögel sind in Dortmund inzwischen gestorben“, so der Fraktionssprecher und Biologe Utz Kowalewski.

DIE LINKEN & PIRATEN wollen daher in den Pachtverträgen für Landwirte die Wiedereinführung von Ackerrandstreifen, ein Verzicht auf Pestizide, die Neuanlage von Hecken und Gehölzstrukturen, die Neuanlage von Kleingewässern, ein Verzicht des Einsatzes schwerer Maschinen in der Brutzeit der Offenbrüter und die Anlage von Steinhaufen oder unvermörtelten nischenreichen Natursteinmauern (Trockenmauern) festgeschrieben sehen. Hier sehen die LINKEN & PIRATEN auch den Aufstellung befindlichen Landschaftsplan in der Pflicht, Antworten auf die Herausforderungen zu finden.

Als Musterprojekt soll die Wiederansiedlung des ausgestorbenen Rebhuhns als Zeigerart angegangen werden. „Von einem Rebhuhn-Projekt würde eine Vielzahl auch anderer Tier- und Pflanzenarten profitieren“, gibt sich Kowalewski überzeugt. Beim Rebhuhn-Projekt in Göttingen konnte eine Zunahme anderer Feldvögel von rund 30 Prozent durch entsprechende landschaftliche Maßnahmen auch tatsächlich erreicht werden.

Auch Siedlungs- und Gewerbegebiete sollen sich künftig verändern, wenn es nach den LINKEN & PIRATEN geht. Gerade neue und als modern geltende Bebauungspläne haben zu einer enormen Sterilität und Artenarmut geführt. Hier ließe sich leicht durch zusätzliche Baumpflanzungen und einen Verzicht auf Pestizide einiges erreichen. „Eine ökologische Konzeption sollte künftig zu jedem Bebauungsplan gehören. Gebäude und Straßen alleine machen noch keinen gesunden Lebensraum aus. Dies gilt für Mensch und Tier. Dies ist in der Vergangenheit zu wenig beachtet worden“, so der Fraktionssprecher.

Die Auswertung hat aber auch gezeigt, der die naturnah gestalteten Parks und andere öffentliche Flächen eine gute Artenvielfalt aufweisen. „Wir fordern daher, diese Naturnähe zu bewahren. Dies betrifft insbesondere den Botanische Garten Rombergpark, den Fredenbaumpark, den Permakulturpark, den Dortmunder Zoo, den Hauptfriedhof und den Revierpark Wischlingen. Dies muss unbedingt für etwaige neue Parkkonzepte beachtet werden, deren Erstellung der Rat im vergangenen Jahr beschlossen hat“, so Utz Kowalewski, der auch stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses in Dortmund ist.

Anlage: Antrag für den Rat (Drucksachen-Nr. 16516-20)
Tagesordnungspunkt: Biodiversitätsnotstand
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
im Dezember 2019 wurde der Nachfolger des „Dortmunder Brutvogelatlas“ von 2003 vom NABU Dortmund mit dem Titel „Dortmunder Vogelwelt“ veröffentlicht. Die dort beschriebenen Befunde sind dramatisch. Die Vogelpopulationen eignen sich gut als Indikator für den Zustand der Natur insgesamt. Aus diesem Anlass bitten wir, den nachfolgenden Antrag zur Beratung und Beschlussfassung zu stellen.

Beschlussvorschlag
1. Der Dortmunder Rat nimmt zur Kenntnis, dass die Dortmunder Vogelwelt in den letzten Jahren einen regelrechten Zusammenbruch erlebt hat. Zahlreiche kürzlich noch häufig vertretene Vogelarten sind in Dortmund ausgestorben oder sind akut vom Aussterben bedroht. Viele weitere Arten leiden unter erheblichen Bestandsrückgängen.

2. Der Dortmunder Rat ruft angesichts der dramatischen Entwicklung der Avifauna den Biodiversitätsnotstand aus. Damit verbunden ist die Erstellung und Umsetzung eines akuten Notfallplans zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Dortmunder Fauna insgesamt (um zu retten, was noch zu retten ist). Der Entwurf des Landschaftsplans ist ggf. um diese Maßnahmen zu ergänzen.

3. Der Rat bekräftigt seinen Beschluss vom 04.07.2019 (DS 14696-19), in allen Vorlagen neben den Klimaauswirkungen und sozialen Auswirkungen auch die Auswirkungen eines Vorhabens auf die Biodiversität darzustellen.

4. Angesichts des drohenden Totalausfalls aller Feldvogelarten in Dortmund ist eine Umkehr in der Landwirtschaft dringend erforderlich. Benötigt wird die Wiedereinführung von Ackerrandstreifen, ein Verzicht auf Pestizide, die Neuanlage von Hecken und Gehölzstrukturen, die Neuanlage von Kleingewässern, ein Verzicht des Einsatzes schwerer Maschinen in der Brutzeit der Offenbrüter und die Anlage von Steinhaufen oder unvermörtelten nischenreichen Natursteinmauern (Trockenmauern). Entsprechende Festsetzungen sind bei der Vergabe von städtischen Pachtgrundstücken an die Landwirtschaft in die Pachtverträge einzuarbeiten.

5. Der Rat beschließt die Begründung eines Nachzucht- und Auswilderungsprogrammes für das in Dortmund seit 2010 ausgestorbene Rebhuhn als Zeigerart für den ländlichen Lebensraum (planerischer Außenbereich). Dazu ist der Zoo Dortmund in die entsprechenden Planungen einzubeziehen. Voraussetzung für die erfolgreiche Wiederansiedlung ist die Schaffung geeigneter Habitatstrukturen (siehe Punkt 4), die ein Überleben dieser auch andernorts selten gewordenen Feldvögel ermöglicht. Mit der Durchführung des Rebhuhnprogrammes verbessern sich auch die Chancen der anderen Feldvogelarten.

6. Der aktuelle Befund beschreibt eine auffällige Sterilität und Artenarmut besonders in neuen Siedlungs- und Gewerbegebieten aus den letzten 20 Jahren. Künftige B-Pläne – insbesondere auch für Gewerbeflächen – sollen immer auch eine ökologische Konzeption beinhalten mit dem Ziel, die Artenvielfalt zu fördern. Diese sind explizit auch in den Verwaltungsvorlagen gegenüber der Politik nachzuweisen und im Rahmen von Satzungsbeschlüssen für die Bauherren festzusetzen.

7. Der massive Rückgang der Insekten fressenden Singvögel – selbst bei den häufigsten Kulturfolgern im Stadtgebiet - zeigt eine Fehlentwicklung auch in den Kulturflächen. Der Rat beschließt daher eine Aufklärungskampagne für die Bevölkerung mit dem Ziel, den Einsatz von Pestiziden in privaten Gärten und Kleingärten zu reduzieren und Gärten wieder stärker zu einem Lebensraum auch für Tiere zu machen.

8. Der Rat bittet die in Dortmund tätigen Wohnungsgesellschaften, in ihren Beständen mehr Gehölze vorzusehen. Insbesondere fensterlose Kopfseiten von Gebäuden können im Regelfall ein Mehr an Grün vertragen und somit einen Beitrag für bessere Lebensbedingungen für Mensch und Tier leisten.

9. Die naturnahen städtischen Grünflächen wie der Botanische Garten Rombergpark, der Fredenbaumpark, der Permakulturpark, der Dortmunder Zoo, der Hauptfriedhof und der Revierpark Wischlingen weisen eine gute Artenvielfalt auf. Um diese Vielfalt zu erhalten beschließt der Rat, den naturnahen Charakter dieser Flächen zu erhalten. Dieser Beschluss ist auch für etwaige in Arbeit befindliche Parkkonzepte zu berücksichtigen.

Begründung

Die Bestandserhebungen des NABU sind politisch als dringlicher Warnruf zu verstehen. Einigen wenigen sich ausbreitenden Arten (z.B. Amsel, Rotkehlchen, Kanadagans, Ringeltaube) stehen sehr viele Arten gegenüber, die in Dortmund entweder bereits ausgestorben sind (z.B. Rebhuhn, Haubenlerche, Turteltaube, Trauerschnäpper), vom Aussterben bedroht sind (z.B. Feldsperling, Kiebitz, Wacholderdrossel, Wanderfalke, Nachtigall, Gartenrotschwanz, Waldlaubsänger) oder zeigen kontinuierlich geringere Bestände (z.B. Teich- und Blässhuhn, Weidenmeise, Schwanzmeise, Turmfalke, Feldlerche, Kuckuck). Selbst viele der häufigsten Vogelarten in Dortmund haben Bestandseinbrüche. So haben sich die Bestände von Kohlmeise und Blaumeise in den letzten drei Jahren halbiert. Insgesamt sind rund 55 Prozent der in Dortmund vorkommenden Vogelarten in den letzten zwei Dekaden ausgestorben, stark gefährdet oder in stetigem Rückgang begriffen. Insbesondere das Insektensterben (bis zu 80 Prozent der Biomasse) macht den Populationen der Avifauna schwer zu schaffen.
Diese Fehlentwicklungen sind aber zumindest teilweise gestaltbar. Die Vogelwelt reagiert ebenso positiv auf verbesserte Bedingungen der Lebensumstände wie sie negativ auf die Beeinträchtigung des Lebensraumes und des Nahrungsangebotes reagiert. Schutzmaßnahmen und strukturelle Verbesserungen in den Habitaten können daher sehr großen Einfluss haben.

Hier einige Beispiele für erfolgreiche Maßnahmen:
1) Die Uferschwalbe war bereits Ende der 1960er-Jahre in Dortmund ausgestorben. Durch Anlage eines Erdwalls am Hochwasserrückhaltebecken Ellinghausen im Jahr 2017 konnten die Voraussetzungen für eine Neuansiedlung der Uferschwalbe geschaffen werden. Inzwischen leben dort wieder rund 50 Brutpaare mit steigender Tendenz.

2) Der Graureiher war durch starke Bejagung in seinem Bestand gefährdet worden. Inzwischen gibt es durch das ganzjährige Jagdverbot eine Erholung der Bestände und wieder eine stabile Population in Dortmund.

3) Vor einigen Jahren stand der Bestand des Rotmilans nach seinem Aussterben im Münsterland in der Gefahr, bis ins Sauerland zurückgedrängt zu werden. Der Schutz für den letzten Bruthorst in Dortmund-Kurl hat die örtlichen Reviere erhalten und eine leichte Erholung des Bestandes ermöglicht mit nun drei Brutpaaren in Dortmund und mehreren Brutpaaren im Kreis Unna, sowie eine Vielzahl von unverpaarten Begleitvögeln.

4) Durch die Renaturierung vieler früher kanalisierter Bäche gibt es inzwischen wieder mehrere Brutpaare des Eisvogels in Dortmund mit zunehmender Tendenz.

Durch geeignete Maßnahmen lässt sich also der Bestand auch verloren geglaubter Arten retten. Wir bitten um Zustimmung zum vorliegenden Antrag, um diese Maßnahmen angehen zu können und möglichst viele Tierarten in Dortmund erhalten zu können.

Autor:

Claudia Behlau, DIE LINKE+ aus Dortmund-Ost

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