Nach attac-Urteil
Rechtsgutachten: Gemeinnützige Vereine dürfen politisch agieren

"Für eine lebendige Demokratie ist es essentiell, dass sich vielfältige Akteure kritisch mit den bestehenden Verhältnissen auseinandersetzen und Haltung zeigen", sagt Pauline Weller, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF. | Foto: Julia Zé/GFF
  • "Für eine lebendige Demokratie ist es essentiell, dass sich vielfältige Akteure kritisch mit den bestehenden Verhältnissen auseinandersetzen und Haltung zeigen", sagt Pauline Weller, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF.
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Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat anlässlich der bevorstehenden Neuregelungen des Gemeinnützigkeitsrechts ein wegweisendes Rechtsgutachten zu den strittigen Fragen der Reformen veröffentlicht. Die politische Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen ist nach dem geltenden Recht in weiterem Umfang mit der Gemeinnützigkeit vereinbar als vom Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung gegen das globalisierungskritische Organisation Attac angenommen.

Seit dem Attac-Urteil im Januar 2019 müssen viele Vereine um ihren Gemeinnützigkeitsstatus und ihren Fortbestand bangen, wenn sie sich auch politisch betätigen. Betreffen kann das Fußballvereine, die zu einer Demonstration aufrufen, oder auch Kulturzentren wie das DemoZ in Ludwigsburg, das sich gegen Rassismus ausspricht und dem das zuständige Finanzamt deshalb die Gemeinnützigkeit entzog. Auch die Petitionsplattform change.org steht mit der Steuerbehörde in Konflikt. "Für eine lebendige Demokratie ist es essentiell, dass sich vielfältige Akteure kritisch mit den bestehenden Verhältnissen auseinandersetzen und Haltung zeigen", sagt Pauline Weller, Juristin und Projektkoordinatorin bei der GFF. "Zugleich ist es überlebensnotwendig für die meisten Vereine und Organisationen, als ‚gemeinnützig‘ anerkannt zu sein. Die Rechtsunsicherheit, wie Gemeinnützigkeit und politische Betätigung miteinander zu vereinbaren sind, muss endlich ein Ende haben."

Gemeinnützige zivilgesellschaftliche Organisationen haben nach der Verfassung ein Recht darauf, neben den Parteien an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken. Aber die konkreten Grenzen ihrer politischen Betätigung sind umstritten. Bei diesem Streit geht es auch um die Frage, in welchem Verhältnis zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien zueinanderstehen und welche Grundsätze für ihre jeweilige Finanzierung gelten. Klären will Finanzminister Olaf Scholz dies noch in diesem Jahr durch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechtes.

Das Gutachten "Politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften" verfasste Prof. Dr. Sebastian Unger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum, im Auftrag der GFF. Es untersucht die Grenzen im geltenden Steuerrecht, die zivilgesellschaftliche Organisationen bei politischen Tätigkeiten nicht überschreiten dürfen, sowie die verfassungsrechtlichen Spielräume für eine Neuregelung. Die wichtigsten Ergebnisse sind:

Zwischen parteipolitischer Betätigung und zivilgesellschaftlicher politischer Betätigung bestehen Unterschiede, die eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen.
Der Gesetzgeber hat bei der steuerlichen Förderung politischen Engagements im Bereich der Zivilgesellschaft größere Spielräume als im Bereich der politischen Parteien.

"Die Verfassung steht einem Ausbau des politischen Bewegungsraums gemeinnütziger Organisationen nicht grundsätzlich entgegen", betont Prof. Dr. Sebastian Unger, Autor des Gutachtens. Unerwünschten Auswirkungen auf die demokratischen Einflussmöglichkeiten von Bürger*innen kann der Gesetzgeber durch vielfältige Maßnahmen verhindern, etwa durch erhöhte Transparenzauflagen für politisch tätige zivilgesellschaftliche Organisationen, vor allem hinsichtlich Großspenden.

Die GFF ist Teil der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung. Der Zusammenschluss aus über 170 Vereinen und Stiftungen fordert, die Gemeinnützigkeit für Organisationen der Zivilgesellschaft zu sichern, die Beiträge zur politischen Willensbildung leisten.

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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