Von Philipp Zimmermann - amerika21
New York Times: Demonstranten zündeten "humanitäre Hilfe" an venezolanischer Grenze an

"Was auf der Brücke passierte, ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Desinformation online verbreitet wird", kommentiert die New York Times.
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New York/Cúcuta. Die US-amerikanische Zeitung New York Times hat am Sonntag Videomaterial veröffentlicht, das die Version der US-Regierung zu den Ereignissen an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze am 23. Februar in Zweifel zieht. Mehrere LKW mit sogenannten "Hilfslieferungen", welche die Durchfahrt auf die venezolanische Seite der Grenzbrücke Francisco de Paula Santander erzwingen wollten, gingen damals in Flammen auf. Die US-Regierung und führende venezolanische Oppositionelle nutzten den Zwischenfall für schwere Anschuldigungen gegen Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro. Nun schreibt die New York Times: "Es war die Opposition selber, nicht Maduros Leute, die anscheinend unbeabsichtigt die Fracht in Brand setzte."

Der Oppositionsführer Juan Guaidó, der sich selber einen Monat zuvor zum "Interimspräsidenten" proklamiert hatte, bezichtigte Maduro nach dem Vorfall unverzüglich der "Auslöschung" hungernder Venezolaner. "Ihr schuldet einem Mann keine Treue, der vor den Augen Hungernder Nahrungsmittel und vor den Augen Kranker Medikamente verbrennt", sagte Guaidó an die venezolanischen Streitkräfte gerichtet, die er zum Putsch gegen den Präsidenten aufforderte. US-Senator Marco Rubio und der Nationale Sicherheitsberater John Bolton machten Maduro für das Feuer verantwortlich, ebenso wie Außenminister Mike Pompeo. Auch US-Vizepräsident Mike Pence schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Der Tyrann in Caracas tanzt, während seine Schergen Zivilisten ermordeten und Essen und Medizin verbrannten". Das US-Außenministerium veröffentlichte Ende Februar ein Video, in dem explizit unterstellt wurde, Maduro haben "den Befehl gegeben, die Lastwagen voller humanitärer Hilfe zu attackieren".

Laut der New York Times lässt sich diese Version der Ereignisse nicht aufrechterhalten. In einem Video, das bisher unveröffentlichtes Filmmaterial von der Grenzbrücke zeigt, rekonstruiert die Zeitung den Hergang. Sie belegt glaubhaft, dass ein Demonstrant mit einem Molotow-Cocktail, den er in Richtung der auf der venezolanischen Seite stationierten Sicherheitskräfte schleuderte, den ersten LKW in Brand setzte. Daraufhin griff das Feuer auf weitere Lastwagen über, ohne dass etwa die anwesende kolumbianische Nationalpolizei sichtbare Löschversuche unternommen hätte.

Ein weiteres Detail, das die US-Zeitung berichtet: Die US-Entwicklungsagentur USAID, die das Material für die "Hilfslieferungen" bereitstellte, "listete unter ihren Spenden keine Medikamente auf". Die Anschuldigung, Maduro habe "Medikamente verbrannt", sei insofern doppelt haltlos.

"Was auf der Brücke passierte, ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Desinformation online verbreitet wird", kommentiert die New York Times in dem Video: "Ein Gerücht oder eine ungeprüfte Behauptung wird in die Welt gesetzt und durch einflussreiche Persönlichkeiten verbreitet; die Mainstream-Medien tragen sie weiter zu den Massen". Im vorliegenden Fall hätte die falsche Geschichte der verbrannten Lastwagen dazu geführt, dass die USA ihre Sanktionen gegen Venezuela verschärften.

Ganz neu ist die Erkenntnis der New York Times jedoch nicht. Amerika21.de berichtete bereits am 24. Februar über die Vorfälle auf der Grenzbrücke zwischen Kolumbien und Venezuela. "Am Abend des 23. Februar bestimmten Bilder von zwei brennenden Lastwagen auf der Brücke zwischen Kolumbien und Venezuela die Berichterstattung der internationalen Medienagenturen. Diese untertitelten die Aufnahmen einhellig mit der Anschuldigung, die venezolanischen Grenzschützer hätten die Transportfahrzeuge in Brand gesetzt. Luftbilder zeigen jedoch, dass die brennenden LKW, umringt von Demonstranten, noch auf der kolumbianischen Seite der Absperrungen stehen und die ersten Sicherheitskräfte Venezuelas in einigem Abstand positioniert sind", hieß es in unserem Bericht.

Venezuelas Außenminister Jorge Arreaza hatte schon am 23. Februar postwendend auf die Anschuldigungen aus Washington reagiert und das Feuer als "Operation unter falscher Flagge" bezeichnet. Einen entsprechenden Tweet ergänzte er mit Luftbildern, die zeigen, dass die von den US-Politikern beschuldigte Nationalgarde sich in einigem Abstand von dem brennenden LKW auf der venezolanischen Seite der Brücke aufgestellt hatte.

Der Artikel von Philipp Zimmermann erschien zuerst auf amerika21.de, der Internetseite für Nachrichten und Analysen aus Lateinamerika.

https://amerika21.de/

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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