"Tiocfaidh ár lá"
Linker Sinn Féin Orkan wirbelt konservativ-neoliberale Parteien Irlands durcheinander

Parlamenswahl 2020 bringt das Ende des Zwei-Parteien-Systems in der Republik Irland.
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  • Parlamenswahl 2020 bringt das Ende des Zwei-Parteien-Systems in der Republik Irland.
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Bei den 33. Wahlen zum Dáil Éireann, dem irischen Parlament, gab es am 8. Februar 2020 eine handfeste Überraschung, welche die Wahlprognosen nur teilweise schon vorweggenommen hatten. Die linke, irisch-republikanische Partei Sinn Féin, eine europäische Schwesterpartei der deutschen Partei DIE LINKE, wurde zur stärksten politischen Kraft der Republik Irland gewählt.

Eigentlich hätte die Wahl erst 2021 stattfinden sollen. Auf Initiative von Premierminister Leo Varadkar von der konservativ-neoliberalen Partei Fine Gael wurde das Parlament jedoch am 14. Januar 2020 von Präsident Michael D. Higgins vorzeitig aufgelöst. Offensichtlich hat sich Varadkar, an dessen Verbleib im Amte keiner mehr glaubt, verzockt.

Passend zum aktuellen Wetter in Europa zog ein Sinn Féin-Orkan über die beiden konservativ-neoliberalen Parteien Fianna Fáil und Fine Gael, die für viele politische Zwillinge sind und die beide abwechselnd oder gemeinsam seit Jahrzehnten die Regierung in Irland stellten, hinweg.

Sieg mit sozialen Themen

Stets sich zur Einheit der gesamten irischen Insel bekennend, einschließlich des durch das Vereinigte Königreich besetzten nördlichen Teil Irlands, setze Sinn Féin aber bei diesem Wahlkampf als linke Kraft ganz auf soziale Themen, die auch in Deutschland nicht ganz unbekannt sind: Wohnungsnot, Bildung, der Situation im sozialen Bereich, speziell in den Krankenhäusern, in denen hunderte Patient*innen auf Krankentransportbetten auf den Fluren liegen müssen oder der Rente mit 65 Jahren.

Da die beiden konservativ-neoliberalen Parteien vor der Wahl eine Koalition mit Sinn Féin ausgeschlossen haben, kündigte die Sinn-Féin-Vorsitzende Mary Lou McDonald folgerichtig an, zwar mit allen Parteien Gespräche führen zu wollen. Allerdings sei es ihr Ziel, eine Regierung mit den kleineren Parteien wie den Grünen und der Labour-Partei zu bilden. "Ich möchte, dass wir idealerweise eine Regierung ohne Fianna Fail oder Fine Gael haben", sagte McDonald.

In Irland sind traditionell auch lokale, unabhängige Kandidaten relativ stark im Parlament vertreten, die eher lokale Einzelinteressen (wie den Bau eines Krankenhauses) vertreten und entsprechend ansprechbar sind. Wegen des komplizierten Wahlsystems in Irland sind somit auch Mehrheiten jenseits von Fianna Fail und Fine Gael möglich.

A Nation Once Again

Letztlich steht nun nicht nur durch den BREXIT, sondern auch mit dem Wahlsieg von Sinn Féin die Einheit Irlands wieder ganz aktuell auf der politischen Tagesordnung. Der nördliche Teil der Insel wird bis heute vom Vereinigten Königreich beansprucht. Die beiden konservativ-neoliberalen Parteien der Republik Irland haben eigentlich kein wirkliches Interesse an einem vereinten Irland -allen Beteuerungen zum Trotz. Das liegt auch daran, dass Sinn Féin die einzig relevante gesamt-irische Partei ist. Sinn Féin ist im nördlichen Teil Irlands noch stärker als im Süden. Die konservativ-neoliberalen Parteien Fianna Fail und Fine Gael gibt es im Norden nicht, ebenso die royalistischen, pro-britischen Parteien nicht im Süden. So würde bei der lang ersehnten Einheit der 32 County das politische Gewicht von Fianna Fail oder Fine Gael noch deutlichen zugunsten Sinn Féins und einer sozialen Agenda abnehmen.

Keine Nazis im Parlament

Bemerkenswert bei der Wahl ist zum einen, dass gerade die junge Generation bei dieser Wahl Sinn Féin das Vertrauen geschenkt hat. Des Weiteren ist bemerkenswert, dass die irische Bevölkerung offensichtlich davon überzeugt ist, dass Parteien vom rechten Rand keine Probleme lösen, sondern verursachen. Wie schon bei der letzten Parlamentswahl spielten rechte Parteien, die es durchaus auch in Irland gibt, keine Rolle.

Das Wahlergebnis 2020 (2016):
24,5 (13,85) Prozent Sinn Féin (links, irisch-republikanisch)
22,2 (24,35) Prozent Fianna Fáil (konservativ-neoliberal)
20,9 (25,52) Prozent Fine Gael (konservativ-neoliberal)
12,2 (11,70) Unabhängige (meist Einzelbewerber*innen mit lokalen Forderungen)
07,1 (02,72) Prozent Green Party (grün)
04,4 (06,61) Prozent Irish Labour Party ("sozialdemokratisch" wie die SPD)
02,9 (03,00) Prozent Social Democrats (Abspaltung von ILP)
02,6 (03,95) Prozent Solidarity–People Before Profit (demokratischer Sozialismus, anti-kapitalistisch)
01,9 (NEU)   Prozent Aontu (konservativ-reaktionäre Abspaltung von Sinn Féin)
00,4 (01,20) Prozent Independents 4 Change (sozialistisch)

Grace

Parlamenswahl 2020 bringt das Ende des Zwei-Parteien-Systems in der Republik Irland.
Historisches Wahlplakat von Sinn Fein.
Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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