Irische Republik
Hungerstreik: "My youngest son came home today"
1981. Mitten in Europa. Nach mehr als 800 Jahren Unterdrückung durch britische Fremdherrschaft und nach mehr als 800 Jahren irischen Widerstand tritt am 1. März 1981 der 27-jährige gelernte Karosseriebauer Bobby Sands (irisch: Roibeard Gearóid Ó Seachnasaigh) als oberkommandierender Offizier der Irisch Republikanischen Armee (IRA) im Gefängnis Maze (auch als das berüchtigte "Long Kesh“ bekannt) als erster der inhaftierten irischen Republikaner, die ein Ende der britischen Besatzung und ein geeintes, freies Irland fordern, in den Hungerstreik.
Hauptziel des Hungerstreiks während des Bürgerkriegs in Nordirland war die Durchsetzung der fünf Forderungen, der sogenannten Five Demands: das Recht, keine Gefängnisuniformen zu tragen, das Recht, Gefängnisarbeit zu verweigern, das Recht, freie Verbindungen mit anderen Gefangenen aufzunehmen und Bildungs- und Freizeitveranstaltungen zu organisieren, das Recht auf einen Besuch, einen Brief und ein Paket je Woche, voller Straferlass der am Streik Beteiligten. Dies entspricht quasi dem Status von Kriegsgefangenen. Des Weiteren waren die Haftbedingungen unmenschlich. Der kubanische Präsident Fidel Castro verglich diese damals mit der heiligen Inquisition.
Bobby Sands, der in Gefangenschaft zahlreiche Gedichte schrieb, war wegen illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er starb an den Folgen des Hungerstreiks nach 66 Tagen am 5. Mai 1981. Der Regisseur Brendan Byrne drehte über diese 66 Tage im Jahre 2016, einhundert Jahre nach dem gescheiterten irischen Osteraufstand gegen die britischen Kolonialbesatzung, den Film 66 Days. Mit den letzten sechs Wochen im Leben von Bobby Sands befasst sich auch der Film "Hunger" des Briten Steve McQueen aus dem Jahr 2008. An Bobby Sands Beerdigung nahmen über 100.000 Menschen teil. Viel mehr als 1975 an der Beerdigung des durchaus legendären irischen Präsidenten Éamon de Valera.
Am 14. März 1981 trat dann der 25-jährige Francis Hughes (irisch: Proinsias Ó hAodha) in den Hungerstreik. Hughes war für einen bewaffneten Angriff auf Soldaten der britischen Spezialeinheit "Special Air Service (SAS)" sowie weiterer Angriffe zu einer Gesamtgefängnisstrafe von 83 Jahren verurteilt worden. Francis Hughes, der wie Sands Mitglied der IRA war, starb nach 59 Tagen am 12. Mai 1981.
Am 22. März 1981 traten dann die jeweils 24-jährigen Raymond McCressh (IRA) sowie Patsy O’Hara (Irish National Liberation Army-INLA) in den Hungerstreik von 1981, in dessen Folgen beide nach 61 Tagen am 21. Mai 1981 verstarben. Rund drei Jahre nach den Vorkommnissen am 30. Januar 1972, dem Blutsonntag in O`Haras Heimatstadt Derry, bei dem 13 Menschen bei einer Demonstration für Bürgerrechte und gegen die Internment-Politik, die Verhaftungen ohne Gerichtsverfahren erlaubten, von Soldaten des britischen Parachute Regiment erschossen und 13 weitere angeschossen wurden, wurde O’Hara Mitglied der INLA. O`Hara war wegen des Besitzes einer Handgranate zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Erst im Jahre 2019 wurde lediglich einer der britischen Mörder des Blutsonntags von 1972 angeklagt.
Den vier genannten folgte dann am 8. Mai 1981 der zweifache Familienvater Joe McDonnell (irisch: Seosamh Mac Dónaill), der sich der IRA anschloss, nachdem er für mehrere Monate ohne Gerichtsbeschluss bereits in Long Kesh interniert war. Joe McDonnells Leben ist Thema einer irischen Ballade, welche unter anderem von der legendären irischen Band Wolfe Tones interpretiert wurde.
Der 31-jährige McDonnell starb nach 61 Tagen am 8. Juli.
Am 22. Mai trat Kieran Doherty (irisch: Ciarán Ó Dochartaigh), einen Tag später Kevin Lynch (INLA) sowie am 28. Mai Martin Hurson (IRA) in den Hungerstreik. Der 26-jähirge Doherty, der für den illegalen Besitz von Feuerwaffen und Sprengstoff sowie den Diebstahl eines Autos, mit dem er fliehen wollte, zu einer Haftstrafe von 22 Jahren verurteilt worden war, verstarb nach 73 Tagen am 2. August. Einen Tag zuvor war Kevin Lynch gestorben. Martin Hurson war bereits nach 46 Tagen Hungerstreik am 13. Juli verstorben.
Thomas McElwee (irisch: Tomás Mac Giolla Bhuidhe) beteiligte sich seit dem 8. Juni und Michael Devine seit dem 22. Juni an dem Hungerstreik. McElwee, ein Cousin von Francis Hughes, starb 23-jährig am 8. August 1981 nach 62 Tagen Hungerstreik. Mickey Devine, der während der Bürgerrechtsproteste vielfach Opfer gewalttätiger Polizeiübergriffe wurde, schloss sich in den 1970er Jahren der INLA an. Devine starb nach 60 Tagen Hungerstreik am 20. August.
Der Hungerstreik wurde am 3. Oktober 1981 auch auf großen Druck der Familien der beteiligten Volunteers beendet. Wenige Tage später kündigte der damalige Nordirlandminister Prior mehrere Veränderungen der Haftbedingungen an. Unter anderem wurde den Gefangenen das Tragen eigener Kleidung erlaubt. Letztlich konnten die Hungerstreikenden fast alle ihre Forderungen durchsetzen.
Sicherlich kann man sich die Frage stellen, was wohl aus diesen zehn jungen Männern geworden wäre, wenn der nördliche Teil ihrer wunderschönen Insel nicht von den britischen Invasoren besetzt worden wäre oder zumindest nicht nur 26, sondern alle 32 irischen Countys im Jahre 1921 die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt hätten.
Ob die zehn Iren nur zehn weitere Opfer der britischen Besatzungsmacht waren oder ob sie letztlich den Weg für den Frieden bahnten, der sich siebzehn Jahre später im Jahre 1998 abgeschlossenen Karfreitag-Friedensabkommen ankündigte, wird sich auch heute, 39 Jahre nach den Ereignissen und einer durchaus positiven Entwicklung auf der grünen Insel, angesichts von neuen Grenzen und Herausforderungen in Irland und Europa, immer noch erst in der Zukunft zeigen.
Mary Black - My Youngest Son Came Home Today
Autor:Carsten Klink aus Dortmund-Ost |
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