Kirchenfinanzen
Geldnot der Kirchen? Von wegen! - ein Kommentar

Die zu erwartenden Kirchensteuereinnahmen für das Jahr 2020 sind in gestapelten 100-Euro-Scheinen fast 36 mal so hoch wie der Berliner Dom. | Foto: Von Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64059419
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  • Die zu erwartenden Kirchensteuereinnahmen für das Jahr 2020 sind in gestapelten 100-Euro-Scheinen fast 36 mal so hoch wie der Berliner Dom.
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In vielen Medien ist seit Monaten von einem dramatischen Rückgang der Kirchensteuereinnahmen durch die Corona-Pandemie zu lesen, der die Finanzkrise der Kirchen verschärfe. Eine irreführende Darstellung der Tatsachen, die den immensen Reichtum der Kirchen verschleiert, so Carsten Klink in seinem Kommentar für den Humanistischen Pressedienst (hpd).

Seit über einem Jahrzehnt eilte die katholische Kirche zusammen mit der evangelischen Kirche von einem Rekordjahr der Kirchensteuereinnahmen zum nächsten. Im Jahre 2010 lagen die jährlichen Kirchensteuereinnahmen für beide Kirchen noch bei 9,198 Milliarden Euro. Danach folgte ein Rekordjahr dem anderen. In dem absoluten Spitzenjahr 2019 kassierten die beiden großen Kirchen in Deutschland zusammen – trotz drastisch sinkender Mitgliederzahlen – rund 12,7 Milliarden Euro an Kirchensteuern. Davon gingen 6,76 Milliarden Euro auf das Konto der katholischen und 5,95 Milliarden auf das der evangelischen Kirche.

Der Leiter der Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Carsten Simmer, ging laut Welt am Sonntag von acht bis elf Prozent Rückgang der Kirchensteuer-Einnahmen im Jahre 2020 aus. Andere Kirchenvertreter fabulierten sogar von einem Rückgang von bis zu 20 Prozent. Die westfälische Kirche sprach von einem Korridor zwischen 10 und sogar 25 Prozent.

Das derzeitige Motto der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland bezüglich der zu erwartenden leicht rückläufigen Kirchensteuereinnahmen für das Jahr 2020 scheint das alte phönizische Sprichwort "Jammern ist des Kaufmanns Gruß" zu sein. Eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln geht nämlich von ganz anderen Zahlen aus. Der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen angesichts der Corona-Situation werde im Jahr 2020 bei lediglich 800 Millionen Euro und somit bei überschaubaren sechs Prozent liegen. Dazu liefert das IW auch noch einen durchaus positiven Ausblick: "Wenn sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte erholt, sind die Kirchensteuereinnahmen 2022 so hoch wie vor der Krise."

Mit den vom Institut der deutschen Wirtschaft für 2020 kalkulierten Kirchensteuereinnahmen in Höhe von rund 11,9 Milliarden Euro liegen die Einnahmen dann immer noch gut 290 Millionen Euro über denen des Jahres 2016 mit 11,61 Milliarden Euro und nur leicht unter den Kirchensteuereinnahmen des Jahres 2017 mit 12,108 Milliarden Euro. Daher sind die zu erwartenden Einnahmen durchaus immer noch eine sehr stattliche Summe.

Um diese Geldsummen einmal zu verdeutlichen: Eine Milliarde besteht aus 1.000 Millionen. Eine Milliarde Euro in 100-Euro-Scheinen ist rund 300 Meter hoch. Also rund dreimal so hoch wie der Berliner Dom (98 Meter). Die zu erwartenden Kirchensteuereinnahmen für das Jahr 2020 sind also in gestapelten 100-Euro-Scheinen fast 36 mal so hoch wie der Berliner Dom, die flächenmäßig größte evangelische Kirche in Deutschland.

"Kirchen in Geldnot"

Trotzdem wird der Rückgang bei den Kirchensteuern seit Monaten medial breit gestreut:
domradio.de am 22.05.2020: "Finanzexperte: Kirchensteuern könnten um 20 Prozent einbrechen"
ndr.de am 18.07.2020: "Corona und die Kirchen: Millionenloch befürchtet"
zdf.de am 15.11.2020: "Milliardenverlust bei Kirchensteuer"
tagesschau.de am 04.04.2021: "Kirchen in Geldnot"

In keinem der Beiträge wird die durchaus negative aktuelle Situation ins Verhältnis der bereits geschilderten extrem positiven Entwicklung des Kirchensteueraufkommens seit 2010 gesetzt. Geschweige auch nur ansatzweise auf das schier unglaubliche Vermögen dieser beiden extrem reichen religiösen Gesellschaften hingewiesen. Der Sozialwissenschaftler Carsten Frerk, Autor des "Violettbuch Kirchenfinanzen", taxierte das Vermögen der beiden Kirchen in Form von Grundbesitz, Immobilien, Geldanlagen und Beteiligungen gegenüber dem Berliner Tagesspiegel im Jahr 2017 auf rund 435 Milliarden Euro. Da beide großen Kirchen über umfangreichen Grundbesitz und Aktienpakete verfügen, dürfte sich das Vermögen angesichts der rasanten Entwicklung am Aktien- und Immobilienmarkt noch weiter deutlich erhöht haben.

Staatsleistungen um 20 Prozent gestiegen

Des Weiteren zahlen kirchliche Einrichtungen keine Steuern auf Zinserträge oder Immobilien. Gebühren für eine Baugenehmigung, für den Notar oder für ein Gericht sind den Kirchen ebenfalls fremd. Zusätzlich erhalten sie auch noch sogenannte Staatsleistungen. Der Verfassungsauftrag zur Aufstellung der Ablösegrundsätze für diese Staatsleistungen wurde seit 1919 von sämtlichen Regierungen nicht erfüllt. Die Staatsleistungen stellen jährliche Entschädigungen für Enteignungen der Kirchen im 18. und 19. Jahrhundert dar. Nach Recherche der Humanistischen Union betrugen diese im Jahr 2020 rund 570 Millionen Euro. Im Jahre 2012 betrugen die Staatsleistungen nur 475 Millionen Euro. Dies entspricht einer Zunahme im Zeitraum 2012 bis 2020 von über 20 Prozent. Tendenz weiter steigend.

Auch um die sozialen Aufgaben der Kirchen wie das Betreiben von Kindergärten, Krankenhäusern oder Schulen braucht sich niemand zu sorgen. Denn dafür bekommen die Kirchen umfangreiche Zuschüsse der öffentlichen Hand, die in der Regel bei über 90 Prozent der Gesamtkosten liegen. Bereits im Jahre 2019, also noch vor der Corona-Situation, erklärte der Politologe Carsten Frerk gegenüber der Tageszeitung taz, dass "die beiden Kirchen nur zwei Prozent zum Budget der Caritas und des Diakonischen Werks beitragen".

Der Kommentar "Geldnot der Kirchen? Von wegen!" erschien am 6. April 2021 zuerst auf der Internetseite des Humanistischen Pressedienst (hpd).

Die zu erwartenden Kirchensteuereinnahmen für das Jahr 2020 sind in gestapelten 100-Euro-Scheinen fast 36 mal so hoch wie der Berliner Dom. | Foto: Von Thomas Wolf, www.foto-tw.de, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=64059419
Foto: By Robert Kalina, redesign by Reinhold Gerstetter - https://www.ecb.europa.eu/euro/shared/img/euro_banknotes_specimen_72dpi.zip, ECB decisions ECB/2003/4 and ECB/2003/5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=72812440
Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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