Bürgergeld
Einführung von 100-Prozent-Sanktionen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts?

Voraussichtlich bereits morgen (Donnerstag) setzen sich die Haushaltspolitiker im Bundestag zur sog. Bereinigungssitzung zusammen, um zu prüfen, ob die ins Auge gefassten Maßnahmen ausreichen, das Loch im Haushaltsentwurf für 2024 zu stopfen. Höhere Steuern auf Einnahmen aus Kapitalvermögen, eine Vermögensabgabe o.ä. gehören selbstredend nicht zum geplanten Maßnahmenkatalog. Das wäre weder mit der FDP noch mit SPD und Grünen zu machen.

Die Bauern haben bereits deutlich gemacht , was sie von der ihnen zugedachten Senkung von Subventionen (Agrardiesel) halten. Andere Sparmaßnahmen haben sich bislang kaum herumgesprochen. Zum Beispiel die (Wieder-) Einführung von 100-Prozent-Sanktionen beim Bürgergeld (vormals Hartz IV). Diese sollen jene Menschen treffen, die „zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern“ (aus der Begründung zum Gesetzentwurf).

Der komplette Entzug von Lebensmitteln für die Dauer von zwei Monaten ist schon starker Tobak. Insbesondere dann, wenn der Öffentlichkeit suggeriert wird, dass es sich nicht nur um ein paar wenige scharfe Schafe handelt. 170 Mio. € an jährlicher Einsparung soll allein dieser Vorschlag bringen.

Die Größenordnung von 170 Mio. € pro Jahr sowie die Behauptung, dass viele lieber Stütze beziehen als zu arbeiten, sind jedoch purer Populismus und geeignet, Bürgergeld-Bezieher generell in Mißkredit zu bringen. Das Dortmunder Sozialforum hat deshalb gestern eine Pressemitteilung herausgegeben, um gegen den Vorschlag und die Polemik zu protestieren. Darin heißt es unter anderem:

„Auf welchen Erfahrungswerten die Verschärfung der Sanktionsregeln beruht, bleibt wohl das Geheimnis des Arbeits­ministers. Übersetzt würde eine Einsparung von 170 Mio. € rund 210.000 Vollsanktionen pro Jahr bedeuten (für jeweils 2 Monate). Ein Blick in die Sanktionsstatistiken der Bundesagentur für Arbeit aus früheren Jahren zeigt, dass Sanktionen bei Verweigerung von Beschäftigungsaufnahmen nie auch nur annähernd eine solches Ausmaß erreichten. Sprich: Das angenommene Einsparvorlumen von 170 Millionen dürfte nie und nimmer zusammenkommen.“

Und weiter: „Die Ampelregierung war mit dem Anspruch gestartet, Schwächen des alten (Hartz IV-) Systems zu über­winden und mehr Menschen in eine existenzsichernde Beschäftigung zu bringen. Von diesem Ziel hat sich die Bundesregierung wohl mittlerweile verabschiedet.“

Der vollständige Text der PM ist auf der Website des Forums nachzulesen, nämlich hier (anklicken!).

Aktualisierung 22. Januar 2024
Offenbar aus Furcht, dass die geplante Neuregelung einer - erwartbaren - Überprüfung durch das BVerfG nicht stand hält, hat die Koalition das Vorhaben ein wenig entschärft. Die Möglichkeit von 100-Prozent-Sanktionen soll zunächst auf 2 Jahre begrenzt werden. Während dieser Zeit sollen die Erfahrungen mit dieser Regelung wissenschaftlich ausgewertet werden. Erst anschließend solle darüber entschieden werden, ob die Regelung dauerhaft im SGB II verankert wird.

Autor:

Heiko Holtgrave aus Dortmund-City

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