Milchmädchenrechnung
Angeblicher regionalwirtschaftlicher Effekt der Kirchentage

Auf öffentlichen Geldern lässt es sich gut ausruhen. Werbung für den Kirchentag in Dortmund beim Kirchentag 2017 in Berlin. | Foto: Daniela Wakonigg
  • Auf öffentlichen Geldern lässt es sich gut ausruhen. Werbung für den Kirchentag in Dortmund beim Kirchentag 2017 in Berlin.
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Sobald in der Kommunalpolitik der Begriff „regionalwirtschaftlicher Effekt“ auftaucht, ist in der Regel davon auszugehen, dass es sich um eine unsinnige Millionenausgabe einer Kommune handelt, die zumindest finanzpolitisch nicht anders zu rechtfertigen ist. Die Klassiker dabei sind Kongress- und Messehallen, Bahnhöfe oder defizitäre Regionalflughäfen. Oder eben die von der öffentlichen Hand hochsubventionierten Kirchentage. Die Realisierung dieser Prestige- und Leuchtturmprojekte dient dann eher dem persönlichen Ego oder der persönlichen Religionszugehörigkeit der Kommunalpolitiker*innen als der Allgemeinheit.

In der Stadt Dortmund, in der fast jedes dritte Kind von Sozialleistungen leben muss und die mit 2,67 Milliarden Euro verschuldet ist und sich auch noch einen defizitären Regionalflughafen leistet, hat nun der SPD-Oberbürgermeisterkandidat für die Kommunalwahl des kommenden Jahres, Thomas Westphal, in seiner aktuellen Funktion als Leiter der Wirtschaftsförderung Dortmund den Begriff „regionalwirtschaftlicher Effekt“ für die rund 3,717 Millionen Euro Zuschüsse für fünf Tage Evangelischer Kirchentag im Sommer 2019 bemüht.

Stolze 15 Millionen Euro hoch wäre laut Thomas Westphal dieser regionalwirtschaftliche Effekt des Kirchentags gewesen. Für seine Milchmädchenrechnung hat er zwei Zahlen aus einer offensichtlich nicht repräsentativen Onlineumfrage unter Kirchentagbesuchern addiert und mit einer weiteren Zahl, der angeblichen Teilnehmerzahl, die letztlich von den Kirchentagbetreibern reichlich willkürlich festgesetzt wurde, multipliziert. Die beiden addierten Zahlen, die angeblichen täglichen Ausgaben eines Kirchentagbesuchers sowie die Kosten der Übernachtungen basieren nur auf eine für Manipulationen anfälligen Onlineumfrage der Wirtschaftsförderung und des kommunalen Kirchentagbüros unter Kirchentagbesucher*innen, denen ja letztlich auch klar ist, was von ihnen erwartet wird. Letztlich haben sowohl die kommunalen Stellen als auch die Kirchentagbesucher*innen als Nutznießer der kommunalen Millionensubventionen ein großes Interesse an dem Nachweis, dass die Kirchentagsubventionen angeblich wirtschaftlich sind.
Schließlich sollen auch vergangene und zukünftige Kirchentagsubventionen gerechtfertigt werden. Daher sind diese Berechnungen mit äußerster Vorsicht zu bewerten. Eine Studie der Kirchentagbetreiber geht übrigens, welch Überraschung, von noch höheren Werten aus.

Massive Umsatzeinbrüche des Innenstadteinzelhandels
Völlig unbeachtet bei der Milchmädchenrechnung der Dortmunder Wirtschaftsförderung blieben auch die massiven Umsatzeinbrüche des Dortmunder Innenstadteinzelhandels, da die Hauptverkehrsader der Innenstadt, der Ostwall, komplett für Gottesdienste, die obendrein auch noch sehr schlecht besucht waren, gesperrt wurde. Eine Marktforschungsstudie zum Evangelischen Kirchentag 2009 in Bremen ging von Umsatzeinbrüchen für den Innenstadteinzelhandel von 40 Prozent aus –ohne Straßensperrungen.

Ebenso unberücksichtigt sind Verdrängungseffekte, wenn die normalen Dortmunder*innen an den Restauranttischen des Alten Markt bei bestem Sommerwetter durch Kirchentagbesucher verdrängt wurden und der Wirt daher nur einen anderen, aber keinen höheren Umsatz hatte.

Letztlich stellt sich ja auch die Frage, welchen dauerhaften Effekt hätten die Kirchentagsubventionen gehabt, wenn diese nicht in ein fünftägiges Glaubensfest, sondern in die Infrastruktur der Stadt oder im sozialen Bereich investiert worden wären. Dann hätten die Dortmunder*innen jedenfalls über Jahre und Jahrzehnte etwas von den Millionen gehabt.

Frommer Wunsch des Wirtschaftsförderers
Stellt man dann noch diesem angeblichen regionalwirtschaftlichen Effekt nicht nur den kommunalen Kirchentagzuschuss von 3,717 Millionen Euro entgegen, sondern auch noch die Zuschüsse des Landes NRW und die des Bundes von insgesamt 4 Millionen Euro und die 2 Millionen Euro, die von den Kirchentagbetreibern euphemistisch „Projektmittel“ genannt werden und ebenfalls aus öffentlichen Quellen stammen, relativiert sich der fromme Wunsch des Wirtschaftsförderers und der Kirchentagbetreiber bezüglich der Wirtschaftlichkeit weiter erheblich.

Berücksichtigt man dann auch noch die an die Kirchentagbetreiber gezahlten Sponsorengelder der kommunalen Unternehmen DSW21, EDG-Dortmund und der Sparkasse Dortmund, die ja letztlich die jährliche Gewinnausschüttung an die Stadt Dortmund reduzieren, wird immer deutlicher, wer hier was bezahlt.

Weiter geht es mit den Zuwendungen einer Reihe von Konzernen wie die tief im Abgasskandal verstrickte Daimler Benz AG an den Kirchentag, die ja wieder die von den Konzernen zu zahlenden Steuern reduzieren. Aus welchen Quellen letztlich die kirchlichen Beiträge zum Kirchentag stammen und wie diese steuerlich von der Allgemeinheit mitfinanziert werden, ist ebenso unklar, wie die wirtschaftlichen Verflechtungen der drei nebeneinander existierenden Kirchentagvereine.

Klar ist aber, dass hier eine extremst reiche religiöse Gesellschaft, die im Jahre 2018 ein Rekordergebnis an Kirchensteuern in Höhe von 5,79 Milliarden Euro verzeichnete und im selben Jahr nur noch einen Bevölkerungsanteil von 25,4 Prozent hatte, sich ihr fünftägiges, millionenteures Glaubensfest von der Allgemeinheit hat bezahlen lassen.

Ketzertag Dortmund 2019 - Wie der Staat die Kirchen finanziert

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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