Humanistischer Presse Dienst
Wie viel Christentum steckt im Weihnachtsfest?
Weihnachten naht unaufhörlich. Für Christen sind es nach dem Osterfest die zweitwichtigsten Feiertage, an denen der Legende nach ihr Heiland von einer Jungfrau in einem Stall in Bethlehem geboren wurde. Historisch gesehen gibt es jedoch keinerlei Verbindung zwischen dem, was wir heute als Weihnachten feiern und der vermeintlichen Messias-Geburt. Auch die Bräuche, ohne die man sich die Feiertage nicht vorstellen kann, sind zu einem beträchtlichen Teil nicht christlichen Ursprungs.
Wir schreiben das Jahr 2019 nach Christus. Diese Zeitrechnung hat sich weltweit durchgesetzt, auch wenn zahlreiche andere Varianten vorhanden sind. Eine einheitliche Angabe braucht man schließlich in der globalisierten Postmoderne, schon einfach deswegen, damit man Termine gemeinsam festsetzen kann. In dieser zusammengewachsenen Welt verliert der Zusatz vor oder nach Christus zunehmend an Bedeutung – mittlerweile hat sich bei Nicht-Christen auch die Variante vor oder nach Beginn unserer Zeitrechnung etabliert. Was der tatsächlichen Faktenlage auch wesentlich mehr gerecht wird, denn mit der Geburt der Figur Jesus Christus – sollte sie denn existiert haben – hat die Festlegung des Jahres null nichts zu tun. Der Heiland der christlichen Mythologie dürfte – wenn überhaupt – entweder vier bis sieben Jahre davor oder sieben Jahre danach das Licht der Welt erblickt haben.
Doch nicht nur das Jahr, auch das Datum der Messias-Geburt scheint mit Weihnachten nicht gerade viel zu tun zu haben: Die Festlegung auf den Heiligen Abend am 24. Dezember und die darauffolgenden zwei Weihnachtsfeiertage entspringen keiner biblischen Festlegung, sondern sind wohl vielmehr taktisch gewählt. In seiner Anfangszeit musste sich das Christentum gegenüber anderen Religionen und Brauchtümern durchsetzen. Deshalb wurden häufig bereits bestehende Riten und kulturelle Gegebenheiten vereinnahmt und umgedeutet, um den Wandel für die Bevölkerung unauffällig zu gestalten und eine möglichst breite gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen.
Das, was uns heute als Weihnachtsfest geläufig ist, wurde schon zuvor in den verschiedensten Kulturen der nördlichen Hemisphäre praktiziert. Denn sie alle eint das nur allzu natürliche Bedürfnis nach Licht, das der menschliche Körper zur Bildung von Vitamin D benötigt. Auf der Nordhalbkugel ist der dunkelste Zeitpunkt des Jahres am 21. Dezember erreicht, wenn die Sonne sich am südlichen Wendekreis befindet. Danach kehrt sie allmählich zurück, die Tage werden wieder länger und heller, in Folge dessen steigen mit einiger Verzögerung auch die Temperaturen wieder an. Der 21. Dezember markiert also – poetisch gesprochen – die Rückkehr der Sonne. Oder auf lateinisch: Sol. Für die Römer war die Sonne ein Gott – besser bekannt unter dem Namen Apoll –, der unbesiegbar ist, weil er mit seinem Sonnenwagen jeden Morgen aufs Neue die Dunkelheit und den Horizont bezwingt und über den Himmel fährt. So nannten sie das Fest zu seinen Ehren "sol invictus", die unbesiegbare Sonne.
Doch warum feiern wir Weihnachten dann nicht am Tag der Sonnenwende? Das hängt mit dem julianischen Kalender zusammen: In dem Kalender, den Julius Caesar einführte, ist der 25. Dezember der Tag mit der längsten Nacht, nach der die Sonne wieder "umkehrt". Laut einem Bericht des WDR fanden die entsprechenden Feierlichkeiten im antiken Rom erstmals am 25. Dezember 274 statt und wurden ebenfalls als göttlicher Geburtstag gefeiert. Damals habe laut Historikern der regierende Kaiser Aurelian einen Tempel für Sol einweihen lassen.
"Weihnachten" selbst ist kein christlicher Begriff
Eine andere Göttergestalt, die ebenfalls für die Sonne steht, ist der der vorderasiatischen Mythologie entstammende Mithras, dessen Geburt auch symbolisch am 25. Dezember begangen wurde. Zum Übergang des Sonnenfestes in den Tag des christlichen Heilands – der wiederum in der christlichen Mythologie als Sieg des Lichts über die Finsternis konnotiert ist – gibt es verschiedene Aussagen: Einerseits soll auf dem zweiten Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 die Feier der Sonnenwende offiziell in die Geburtstagsfeier für Jesus umgewandelt worden sein; dies geschah durch Kaiser Theodosius I., der auch das Christentum als Staatsreligion einführte. Die Zeit schreibt andererseits von einem Bischof, der aus dem Mithras-Tag kurzerhand einen Jesus-Tag machte.
Der Begriff "Weihnachten" selbst soll sich auf die Zeit der germanischen "Mittwinter-" beziehungsweise "Rauhnächte" beziehen, die bis zum 6. Januar dauerten, und entstammt somit seinerseits nicht der christlichen, sondern einer sogenannten "heidnischen" Kultur. Aus dieser soll auch ein Teil des weihnachtlichen Brauchtums stammen, das die christliche Kirche zu bekämpfen versuchte, schließlich aber aufgab und es stattdessen einmal mehr integrierte.
Ein Beispiel hierfür ist der Weihnachtsbaum: Hier ist die Quellenlage nicht eindeutig. Die einen berichten davon, dass das Schmücken eines Baumes zum Sonnwendfest schon im römischen Mithras-Kult praktiziert wurde. Die anderen gehen davon aus, dass die Tradition, einen Baum ins Haus zu holen, wohl in vorchristlich-germanischer Zeit mit Zweigen, die für die Fruchtbarkeit und den herbeigesehnten Frühling stehen sollten, begann. Daraus wurden möglicherweise ganze immergrüne Bäume, die ab dem 16. Jahrhundert vor allem in Zunfthaushalten zum Beispiel mit Essbarem und einer Art vormodernem Lametta verziert wurden. In den beiden darauffolgenden Jahrhunderten griffen die Fürstenhäuser das weihnachtliche Baumschmücken auf, bis es schließlich auch in der breiten Gesellschaft Einzug hielt. Dass die Kirche sich vollends mit dem "Christbaum" – der bisher als "Anti-Krippe" galt – identifizierte, dauerte bis ins Jahr 1982: Damals veranlasste Papst Johannes Paul II., dass erstmals ein geschmückter Nadelbaum auf dem Petersplatz aufgestellt wurde. Die vorherige Ablehnung hatte aber auch ganz praktische Gründe: Die Menschen plünderten die Wälder, von denen ja nicht wenige den Kirchen gehörten, auf der Suche nach weihnachtsbaumtauglichen Gehölzen – eine Frage des Geldes also.
Doch auch andere Bestandteile des anstehenden Festes haben sehr alte Wurzeln: Frieden in der Weihnachtszeit in Form von Waffenruhe und ein vorweihnachtlicher großer Hausputz entstammen ebenfalls der vorchristlichen Zeit. Das Schenken zu Weihnachten hingegen ist wohl ein christlicher Brauch, in Anlehnung an das Geschenk Gottes an die Menschen in Gestalt des Jesuskindes. Auch das Aufstellen der Weihnachtskrippe ist natürlich das Symbol schlechthin für die Legende von der Geburt des Heilands im Stall. Das Plätzchenbacken soll auf eine mittelalterliche Klostertradition zurückgehen, der Stollen angeblich das gewickelte Christkind symbolisieren. Insgesamt gesehen ist jedoch der Anteil, den das Christentum am Weihnachtsfest hat, überraschend gering, was sogar evangelisch.de in einem Artikel feststellt. Das bereits bestehende Fest wurde umgedeutet und durch einige neue Bräuche ergänzt, unterstrichen durch das Singen frommer Lieder und ein reichhaltiges Angebot an Gottesdiensten.
Der Beitrag stammt von der freien Journalistin Gisa Bodenstein aus Berlin und erschien zuerst am 20. Dezember 2019 auf der Internetseite des Humanistischen Presse Dienst (hpd).
Autor:Carsten Klink aus Dortmund-Ost |
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