Auf Spurensuche in Cetara
Der Thunfischfang an der Amalfi-Küste: Zwischen Erbe und Zukunft

Wartet mit einer einmaligen Landschaft auf – die Amalfi-Küste: Die schroffen Klippen, die sanft ins Meer abfallen, die kleinen Buchten und das glitzernde Wasser schaffen eine Szenerie, die ihresgleichen sucht. | Foto: Daniel Basler
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  • Wartet mit einer einmaligen Landschaft auf – die Amalfi-Küste: Die schroffen Klippen, die sanft ins Meer abfallen, die kleinen Buchten und das glitzernde Wasser schaffen eine Szenerie, die ihresgleichen sucht.
  • Foto: Daniel Basler
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Es gibt Orte, die mit ihren Legenden, ihrer Geschichte und ihrer Schönheit den Atem rauben – und es gibt Orte, deren Wahrhaftigkeit den Besucher tief berühren. Die Amalfi-Küste mit ihrem steilen Küstenverlauf, den schroffen Felsen und dem glitzernden Blau des Meeres gehört zweifellos zu dieser besonderen Kategorie. Doch was diese Region noch viel faszinierender macht, ist ihre Verbindung zum Meer – zu einem Handwerk, das hier seit Jahrhunderten gepflegt wird: dem Thunfischfang.

Und so führte mich meine Reise vergangenen Herbst in das charmante, kleine Fischerdorf Cetara, am legendären Golf von Salerno, dessen Geschichte seit jeher untrennbar mit den reichen Fischgründen, die schon die Menschen der Antike schätzten, verbunden ist. Es liegt wie ein Juwel an der Küste, eingebettet zwischen steilen Klippen und dem strahlend blauen Wasser des Golfs von Salerno. Schon bei meiner Ankunft wird mir klar, dass dieser Ort mehr ist als nur ein hübsches, malerisches Dörfchen. Die kleinen Gassen, die sich im Angesicht eines gewaltigen Wehrturms um den Hafen winden, die traditionellen Fischerboote, die ruhig im Wasser schaukeln, und der Duft von frischem Fisch in der Luft vermitteln ein Gefühl von Authentizität und Zeitlosigkeit. Der Ort hat seinen eigenen Rhythmus, der im Einklang mit den Gezeiten und den Wellen des Mittelmeers steht.

Der Golf von Salerno, eine weit ausladende Bucht im Tyrrhenischen Meer, mit seinem glasklaren Wasser und seiner vielfältigen maritimen Flora und Fauna ist nach wie vor wegen seines Nährstoffreichtums eines der bedeutendsten Thunfisch-Fanggebiete Italiens. Drei Arten von Thunfisch, darunter der Blauflossen- und der Gelbflossen-Thunfisch, sind hier zu Hause. Ihr Fang ist nicht nur ein wirtschaftlicher Segen für die Region, sondern auch ein Symbol für die enge Verbindung der Menschen zu ihrem Meer, für Nachhaltigkeit und dem Respekt vor der Natur. Aus all dem, so erzählt mir der einheimische Fischer Luigi an der Hafenmole, hat sich insbesondere der Thunfisch von Cetara zu einer der hochwertigsten Thunfisch-Marken in Italien entwickelt – aber nicht nur dort: Er hat auch international eine große Bedeutung erlangt, sowohl in der Feinkostindustrie als auch in der Gastronomie. Aufgrund seiner Qualität und seines authentischen Geschmacks nimmt diese besondere Fischart aus dieser Region einen festen Platz in den gehobenen Küchen und Feinkostläden der Welt ein.

Bestände schützen durch neue Fangtechniken

Der internationale Feinkostmarkt habe ein wachsendes Interesse an authentischen und nachhaltigen Produkten, die nicht nur geschmacklich herausragend sind, sondern auch unter fairen Bedingungen produziert würden. Der Thunfisch vom Golf von Salerno passe perfekt in diesen Trend. Besonders in den USA und Japan, wo die Fischerei- und Esskultur hochentwickelt sei, werde der Thunfisch aus Süditalien als besonders hochwertig angesehen. Japanische Sushi- und Sashimi-Restaurants, die auf die Qualität ihrer Zutaten achten, griffen immer häufiger auf den italienischen Thunfisch zurück, der für seine zarten Texturen und den reichen Geschmack bekannt sei, verabschiede ich mich nach Luigis stolzem Vortrag über sein Gewerbe, dessen Herausforderungen ihn nach über 20 Jahren noch immer begeisterten.

Dabei setzen die Fischer von Cetara auf schonende Techniken, um die Bestände zu schützen. Mit Netzen, die nur ausgewählte Größen einfangen, und einer genauen Beobachtung der Schwarmbewegungen wird sichergestellt, dass das Meeresökosystem und seine Bestände auch für zukünftige Generationen reichhaltig bleiben. Dabei spielt neben den wirtschaftlichen Aspekten gleichwohl das historische Erbe eine große Rolle: Schon die Römer und Griechen wussten, wie wertvoll der Thunfisch war. Der berühmte römische Historiker Plinius der Ältere erwähnte in seiner „Naturalis Historia“ die Fänge an der Küste des heutigen Cetara und das Verfahren, mit dem die Thunfische verarbeitet wurden. Damals wie heute war der Fang ein aufwändiger und äußerst ausgeklügelter Prozess. Schon die Römer setzten auf das sogenannte „Tonnara-System“ – ein Fangnetz, das die Thunfische in ein Labyrinth aus Netzen führte, bis sie in einer Falle landeten.
In Cetara sind die Spuren dieser antiken Technik noch immer sichtbar. Zwar hat sich die Technologie weiterentwickelt, aber die Traditionen, das Wissen und die Techniken rund um den Thunfischfang sind von Generation zu Generation weitergegeben worden. Heute wird der Thunfischfang zwar mit moderneren Mitteln durchgeführt, doch die Respektierung der natürlichen Rhythmen des Meeres und das alte Handwerkswissen sind weiterhin entscheidend für den Erfolg der Fischer.

Ein wirtschaftlicher und touristischer Faktor

Obwohl die Thunfischbestände in vielen Teilen des Mittelmeers stark zurückgegangen sind, ist die Bedeutung des Thunfischs für Cetara weiter ungebrochen. Heute jedoch stehen nicht nur der Fang und der Handel im Mittelpunkt, sondern auch der verantwortungsvolle Umgang mit den Ressourcen des Meeres. Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde, und viele lokale Betriebe haben sich darauf spezialisiert, Thunfische unter Berücksichtigung strenger Umweltstandards zu fangen und zu verarbeiten. Ein Paradebeispiel für diese moderne, nachhaltige Fischwirtschaft ist die in der Region weithin bekannte Firma IASA (Industria Alimentare Salernitana), die in der Nähe von Salerno ansässig ist, die sich der Herstellung hochwertiger Thunfischprodukte verschrieben hat.
Das Unternehmen, gegründet 1969 von einer Familie aus Cetara, setzt auf die Verarbeitung von Thunfisch mit höchsten Qualitätsstandards, bei der altes Handwerk und moderne Technologien Hand in Hand gehen. Lucia di Mauro, die Chefin von IASA, erklärte mir bei meinem Vorort-Besuch: „Wir setzen auf Nachhaltigkeit und die Erhaltung des traditionellen Handwerks. Unsere Produkte sollen nicht nur den Gaumen erfreuen, sondern auch dazu beitragen, das alte Wissen über den Thunfischfang und seine Verarbeitung zu bewahren.“
Der Familienbetrieb arbeitet eng mit den lokalen Fischern zusammen und sorgt dafür, dass der Fang unter ökologisch verantwortungsbewussten Bedingungen erfolgt. Jeder Thunfisch, der in die Fabrik kommt, wird nach strengen Kriterien ausgewählt und sofort weiterverarbeitet, um die Frische und Qualität zu garantieren. „Die Kunst der Verarbeitung“, betont Lucia, „liegt nicht nur in der Auswahl des besten Fisches, sondern auch in der richtigen Handhabung und der sorgsamen Zubereitung.“

Edle Sauce: Colatura und die Verarbeitung von Sardellen

Neben dem Thunfisch gibt es noch einen anderen Fisch, der in Cetara eine zentrale Rolle spielt: die Sardelle. Aus diesen kleinen, salzigen Fischen wird die berühmte Colatura di Alici hergestellt. Dieses Elixier, das eine bernsteinfarbene Transparenz besitzt, wird durch eingelegte Sardellen in Holzfässern gewonnen und anschließend in einem aufwändigen Verfahren extrahiert. Die Colatura ist nicht nur ein kulinarisches Highlight, sondern auch ein Symbol für die Liebe der Einheimischen zu ihrer ehrwürdigen Handwerkskunst.
Die Herstellung dieser Sauce beginnt mit frisch gefangenen Sardellen, die in Schichten mit grobem Meersalz in kleine Holzfässer geschichtet werden. Dieses jahrhundertealte Verfahren sorgt dafür, dass die Sardellen unter ihrem eigenen Gewicht fermentieren. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten entwickelt sich dabei eine reiche, komplexe Flüssigkeit. Am Ende wird die Colatura mit Sorgfalt durch ein kleines Loch im Fass extrahiert und gefiltert, um ihre klare, bernsteinfarbene Konsistenz zu erhalten.

In der italienischen Küche wird die Colatura für zahlreiche Gerichte verwendet, vor allem für die traditionelle Spaghetti mit Colatura. Hier reichen wenige Tropfen aus, um ein einfaches Pastagericht in eine Geschmacksexplosion zu verwandeln. Ihre Umami-Qualität macht sie jedoch auch zu einem perfekten Begleiter für Salate, Antipasti oder marinierte Gemüsegerichte. Sie sei ein kulinarischer Schatz, der das Erbe von Cetara repräsentierte, weltweit geschätzt werde und ein Sinnbild für die Philosophie der Region sei, die für Einfachheit, Raffinesse und Respekt für die natürlichen Ressourcen stehe, schließt die IASA-Chefin den Rundgang durch den kühlen Kellerraum mit seiner konstanten Temperatur, die die Fermentation begünstigt, voller Stolz über die Bewahrung dieses jahrhundertealten Verfahrens ab.

Die Balance halten im Tourismus

Eine Haltung, die mir bei meinen Streifzügen an der Steilküste und im bergigen Hinterland immer wieder auffällt: Die Menschen dort sind stolz auf ihr Erbe, ihre Bräuche und ihr Handwerk. Sie leben im Einklang mit der Natur und setzen sich für eine nachhaltige Fischerei ein, die die Zukunft des Thunfischfangs sichern soll. Doch sie wissen auch, dass der Tourismus, der die Region belebt, einen schmalen Grat zwischen Tradition und Moderne darstellt. „Wir müssen die Balance halten“, sagt Lucia di Mauro von IASA. „Wir bewahren das Alte, während wir uns gleichzeitig auf die Zukunft vorbereiten.“
In der Tat ist der Thunfischfang an der Amalfi-Küste nicht nur ein Geschäft, sondern ein Lebensstil. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, die sich in der Gegenwart widerspiegelt. Das Vermächtnis der Fischer, die kunstfertige Erzeugung der Colatura, der Respekt vor den natürlichen Ressourcen und die Gastfreundschaft der Menschen – all das macht die Region zu einem Ort, den man immer wieder besuchen möchte.

Als ich mich von Cetara verabschiede, spüre ich, wie dieser Ort einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Die Kombination aus Geschichte, kulinarischem Reichtum und natürlicher Schönheit ist einzigartig. Es ist ein Landstrich, der die Seele berührt und eine Sehnsucht weckt, zurückzukehren – sei es, um die Aromen der Colatura erneut zu genießen oder einfach, um das Leben an der Amalfi-Küste in seiner ganzen Pracht zu erleben. Cetara ist nicht nur eine Reisedestination, sondern ein Gefühl. Und ich weiß jetzt schon, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass ich diesen besonderen Flecken Erde besuche.

Text / Fotos: Daniel Basler

Alle wichtigen Infos zu Anreise, Aufenthalt und Aktivitäten an der Amalfi-Küste und deren Hinterland finden sich u. a. auf folgenden Internetseiten: www.italia.it (Region Campania), www.distrettocostadamalfi.it, www.discoverscala.com, www.visitamalfi.info, www.lavalledelleferriere.com, www.visitcetara.com und www.iasa.it

Wer sich für geführte Wanderungen und Naturexkursionen in der Region interessiert, kann sich an folgende Ansprechpartner wenden: Brigida Corritore (Mail: info@amalficoastgreenlung.com) und Candida Esposito (Mail: costanatura.81@gmail.com)

Autor:

Daniel Joel Basler aus Dortmund

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