Der Handel warnt vor vorschnellen Fahrverboten
Die gestern veröffentlichte Entscheidung des BVerwG zu den Luftreinhalteplänen in Stuttgart und in Düsseldorf lässt den Handel zwar vorerst leicht aufatmen, eine Entwarnung vor abrupten Fahrverboten bietet das Urteil jedoch nicht. „Natürlich hätte man sich eine andere Entscheidung gewünscht,“ sagt Thomas Schäfer, Geschäftsführer des Handelsverbandes Westfalen- Münsterland, „gleichwohl gibt die bislang bekannt gewordene Begründung des BVerwG den Kommunen die Möglichkeit, von übereilten Fahrverboten Abstand zu nehmen."
Denn das Gericht verlange ausdrücklich in jedem Fall neben sonstigen Maßnahmen zur Luftreinhaltung die Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Dennoch sei zu befürchten, dass der Druck auf Kommunen immer größer wird, noch mehr für die Luftreinhaltung zu tun. "Dabei sollten ausschließlich solche Maßnahmen umgesetzt werden, die von sachlichen Argumenten und fachlicher Expertise getragen sind und nicht bloß stimmungsmachende Äußerungen erfüllen", fügt Schäfer hinzu. .
Innenstadt muss erreichbar bleiben
Jeder innerstädtische Handelsstandort müsse für Logistik und Kunden erreichbar bleiben. Deshalb wirkten sich pauschale Fahrverbote negativ auf den Handel und die Städte aus. Schon seit Längerem kämpften Kommunen und Handel in vielen Stadtzentren mit rückläufigen Kundenzahlen. „Fahrverbote werden diese Entwicklung weiter verschärfen und alle Bemühungen um attraktive und vitale Innenstädte konterkarieren,“ weiß Thomas Schäfer und ergänzt, „als Folge von Fahrverboten werden sich Kunden noch mehr in Richtung Online-Handel, Fachmarktzentren und grüner Wiese orientieren.“
Ganzheitliches Konzept gefragt
Gefragt sei deshalb ein ganzheitliches Konzept für eine echte Verkehrswende – kein Schnellschuss, dessen Folgen nicht nur nach Meinung Thomas Schäfers für die Luftreinhaltung ohnehin mehr als fraglich ist.
Dabei ist eines nach Meinung des Handelsverbandes auch klar: Attraktive Innenstädte brauchen saubere Luft. Deshalb unterstützt der Handel grundsätzlich die Verbesserung der Luftbelastung und sieht sich gleichermaßen verantwortlich in der Verkehrswende. Allerdings sollten verhältnismäßige Übergangsfristen geschaffen werden und die Politik muss Förderanreize für alternative Logistikdienstleistungen und neue Antriebsformen schaffen.
Grüne mahnen: Masterplan kommt Zehn Jahre zu spät
Aus Sicht der Grünen zeigt das Urteil vor allem die dringende Notwendigkeit, endlich die Schadstoffbelastung der Luft zu reduzieren. Die möglichen Fahrverbote seien dabei zumindest ein weiterer Pfeil im Köcher. Das Urteil habe Signalwirkung für Dortmund, wo die Stickstoffoxid-Grenzwerte seit Jahren überschritten werden.
Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der Grünen im Rat: „In den letzten Tagen lag die Belastung mit Stickstoffdioxid in Dortmund an allen Messstellen des Landesamtes deutlich über dem Grenzwert. An der Brackeler Straße waren die Werte teilweise fast dreimal so hoch. Die Belastungen verletzten jeden Tag die Gesundheit vieler Anwohner. Auch wenn das Urteil noch kein direktes Fahrverbot bedeutet, zeigt es deutlich, wohin das Ignorieren der Luftbelastung geführt hat. Es ist ein Skandal, dass die Automobilhersteller für ihre Macvhenschaften nicht wirklich zur Rechenschaft gezogen werden. Auch ein halbes Jahr nach dem Diesel-Gipfel gibt es noch keine Klarheit, dass sie als Verursacher die Konsequenzen tragen müssen – etwa durch die technische Umrüstung der Diesel."
Parkticket ist Billiger als U-Bahnfahrschein
Hauptsächlich aber fehle noch immer die Einsicht, dass sich im Verkehrsverhalten grundlegend etwas ändern muss. Seit Jahren liege die Quote der Radfahrer in Dortmund bei sechs Prozent. Immer noch ist ein Parkticket für eine Stunde in der Stadt günstiger als ein U-Bahn-Fahrschein. Und immer noch gehe es im Straßenraum hauptsächlich um die Rechte der Autofahrer. Dies solle sich im neuen Masterplan Mobilität ausdrücklich ändern – "leider zehn Jahre zu spät." Der frühzeitige massive Ausbau des ÖPNV und der Radwege wären ein effektiveres Mittel als Fahrverbote.
Ausbauplan für Regionales Radwegenetz
Mit dem Urteil können Städte Fahrverbote in Pläne aufnehmen und dann nach eigenem Ermessen anordnen. Ingrid Reuter: „Das Ruhrgebiet braucht ein einheitliches Vorgehen, um wirksame Erfolge zu erzielen. Doch bisher gibt es wenig Koordination zwischen den Städten. Ein positives Beispiel ist der jetzt vom RVR vorgelegte Ausbauplan für das regionale Radwegenetz. Land und Bund sind aufgefordert, das Programm für den Alltagsradverkehr zu finanzieren. Vieles hätte schon umgesetzt werden können: Ideen wie Mobilitätsstationen, die Ausweisung von Fahrradstraßen oder das ganztägige Durchfahrtverbot für Lkw auf der B1 gab es genug. Schade, dass ein Umdenken erst mit der Androhung von Fahrverboten einsetzen wird.“
Autor:Antje Geiß aus Dortmund-City |
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