Leerstände in der City
Das große Kaufhaussterben ~ Erinnerungen an Kortum und Co.

Dass Deutschland einmal das Land der großen Kaufhäuser war, ist kaum zu glauben. Dicht reihten sich die Warenhäuser aneinander und alle waren sie gut besucht.

Und - waren die Menschen auch gut betucht? Bestimmt nicht besser als heute, wenn nicht sogar schlechter. Woran liegt es dann, dass sich der Pleitegeier geradewegs auf die großen Kaufhäuser gestürzt hat und ein Laden nach dem anderen dicht macht? Die Blütezeit der „Alles-unter-einem-Dach-Geschäfte“ scheint vorbei sein, verjährt das ach so quirlige Kaufhaus-Treiben.

Was die Menschen früher in die Stadt, nach Bochum trieb, waren Kaufhäuser wie Kortum, Kaufhalle, Weiser und wie sie alle heißen .. oder hießen.
Für mich, als Kind, war es immer ein Erlebnis, wenn Mama in die Stadt, nach Bochum, mit der Linie „6“ fuhr. Dann durfte ich sie begleiten und mich auf ein Mittagessen in der Kaufhalle oder auf eine Bockwurst mit Kartoffelsalat bei Kortum freuen.
Ach ja, Kortum. Das „erste“ Kaufhaus am Platz führte einfach alles. Von Kurzwaren über Kosmetik, bis hin zur Lebensmittelabteilung gab es dort nichts, was es nicht gab. Das Kaufhaus, an das ich mich noch ganz genau erinnere, begleitete mich quasi durch mein halbes Leben. Eben noch als Kind an Mutters Hand ganz unten die Affen in der Box bewundert, ganz oben den Riesenberg lose Butter,  ging ich später als junge Frau immer noch gern bei Kortum „shoppen“ .. mit Mama am Arm. Auf dem Arm hielt ich dann meine kleine Tochter, als junge Mutter .. und hatte Mama im Schlepptau, wenn wir gemeinsam die Spielwarenabteilung nach Neuheiten durchstöberten.

Dass Einkaufen nicht nur Spaß macht, sondern auch hungrig und durstig, wusste man auch damals schon.
Im Kortum-Kaufhaus konnte man genauso „gut und lecker“ Gulaschsuppe futtern wie bei Muttern (gemeint ist hier nicht Mutter Wittig:-), wobei die Bedienung, mit strahlendweißem Schürzchen vor den Bauch gebunden, noch an den Tisch kam und bewirtete.

Bei Wertheim gab es die leckerste Flockensahnetorte, aus dem Hause „Gerbig“ (seinerzeit Bochums beste Bäckerei und Konditorei am Kortländer), die ich mir bei jedem Stadtbesuch im Stehen verputzte. Nicht nur aus Gier. Das Kaufhaus Wertheim verfügte einstens im unteren Bereich über ein erstklassiges Schnellrestaurant mit Stehtischen .. und über eine einmalige Käsetheke. Wie oft (und wie lange:-) habe ich dort angestanden für ein paar Scheiben mittelalten Gouda – und an der Wursttheke für 250 Gramm frischen Wurstaufschnitt. Gelohnt hat es sich immer, denn jeder, auch der minimalste Ein-Kauf wurde stets mit Frische belohnt.

Ein Besuch im Restaurant bei „Weiser“ war für meinen damaligen Geschmack ebenso lohnenswert. Mit Bratkartoffeln und Spiegelei füllte ich mindestens einmal in der Woche meinen knurrigen Magen, der regelmäßig eine Stunde vor der Mittagspause aufmüpfig wurde. Als Zahlungsmittel dienten Wertmarken, die mein damaliger Arbeitgeber, eine private Krankenversicherung, welche bereits vor Jahren aufgrund der „Wirtschaftskrise“ Bochum den Rücken zugekehrt hat, den Mitarbeitern des Innendienstes großzügig stiftete.

Aber stehen die Geschäfte in den Städten, die kleinen und die großen, nicht erst seit Gründung der „grünen Wiese“ in der Miese? Mit der Erbauung dieser gigantischen Zentren hat man nicht nur der einen oder anderen Stadt die Individualität genommen, ihnen ihren ganz speziellen Charakter, sondern auch die werte Kundschaft. Statt sie zu erobern, jeder Geschäftsmann für sich, hat man eine Weglaufkundschaft herangebildet .. und jetzt weint man ihr nach.

Es ist ein Trauerspiel mit anzusehen, dass in einer Stadt wie Bochum, die eine Kultur-Stadt sein will, nicht ein einziges Kaufhaus posiert. Stattdessen poussieren massenhaft Billig-Läden und unzählige Cafe-Buden miteinander. Aber auch hier haben sich schon etliche von einander getrennt – und es werden immer mehr.

Autor:

Hildegard Grygierek aus Bochum

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