Warum ich bei der Feuerwehr bin .....
Warum ich bei der Feuerwehr bin?
Zunächst mal möchte ich, wenn ich diese Frage beantworte, einige Standardirrtümer korrigieren:
Nein, ich wollte nicht schon immer Feuerwehr sein seit ich drei Tage alt war und mal ein Feuerwehrauto vorbeifahren hörte und mir so dachte: Das ist mein großes Vorbild...
Ebenso bin ich nicht in die Feuerwehr eingetreten weil ich damals Backdraft gesehen habe und auch solche coolen Riesenfeuer ausmachen will.
Und zuletzt fühle ich mich auch nicht wirklich als Held des Alltags, als wahnsinnig nützliche Beiträge zu unserer Gesellschaft leistenden Bürger und so weiter.
Warum ich es wirklich mache? Weil es sich gut und richtig anfühlt.
Ich helfe gern. Und ich bin ich technisch interessiert und löse gern technische Probleme. Damit fühle ich mich in der Feuerwehr richtig. - Ich kann dort mit Geräten umgehen die ich in meinen normalem „Zivilleben“ nicht so schnell in die Finger bekäme. Ich lerne wie sie funktionieren, wie ich sie am effektivsten einsetze, sie warte und wo ihre Grenzen liegen.
Dann ist da diese Perfektion: Als ich vor inzwischen auch über 20 Jahren in die Feuerwehr eintrat, hat mir ein erfahrener Maschinist (Fahrer und Maschinist) beigebracht, wie man in wenigen Minuten ein komplettes Feuerwehrfahrzeug auf seine Einsatzbereitschaft überprüfen kann. Nach und nach lernte ich dann immer mehr über die einzelnen Geräte inklusive deren Wartung. Zum Beispiel, wie man die Metallbeschläge einer Holzleiter mit dem Hauch Öl einreibt, der sie vor Rost schützt, die Verriegelungen perfekt einrasten läßt und trotzdem noch einen sicheren Griff ohne Abrutschen ermöglicht. Wie man 30 Meter Leine so in den Leinenbeutel verpackt, daß sie optimal ausläuft, wenn man sie braucht und sie gleichzeitig beim Einpacken auch noch so prüft, wie es sein muß wenn eines Tages ein Mensch und damit auch ein Leben daran hängen könnte. Und vieles, vieles andere ...
Noch heute kommt es manchmal vor, daß ich todmüde vor mich hingrummele, wenn ich nach einem stundenlangen Einsatz ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen eben noch nicht unter die Dusche und in mein Bett komme, sondern noch weitere ein oder zwei Stunden Geräte wasche und Fahrzeuge neu bestücke. Dabei frage ich mich vermutlich zum tausendsten Mal, wieso Riffelblech in Fahrzeuginnenräumen eingebaut wird, obwohl es sich so ..… reinigen läßt.
Aber da sich auch keiner drückt, ist unser Gerät dann auch zügig wieder in genau dem Zustand, in dem es sich schnell, sicher und so effizient, wie es nur sein kann einsetzen läßt, bevor die Tür der Wache hinter uns zufällt. Auch das ist das Gefühl, gut zu arbeiten, welches ich nicht missen möchte.
Improvisation ist das nächste Stichwort:
Es kommt immer wieder eine neue Herausforderung, ein noch nicht dagewesenes Problem. Das ist einfach so in unserer hochtechnisierten Umwelt. Wir können müssen also immer zu-sehen, daß wir mit unserem Wissen und dem Gerät, das wir haben (und es ist echt nicht unendlich viel, auch wenn es auf den ersten Blick in ein Feuerwehrfahrzeug oft so ausschaut) irgendwie die Aufgabe lösen,
die sich uns stellt.
Ein Beispiel dazu: Die meisten Feuerwehrfahrzeuge führen eine so genannte Steckleiter mit sich, vier etwa 2,70 m lange Einzelteile, die zu einer Anlegeleiter in der jeweils erforderlichen Länge zusammengesteckt werden können. Aus dem Stegreif weiß ich, daß ich diese vier Leiterteile auch als Bockleiter in zwei verschiedenen Längen mit einer improvisierten Kurbel zur Kanalrettung, als Steighilfe an steilen Böschungen, als Eisrettungsschlitten, als Behelfsbrücke über schmale Bäche, als Gleitebene zum Abseilen einer Krankentrage, zusammen mit einer Leine und einer Plane als provisorisches Auffangbecken, als Halter für ein Regenschutzdach oder eine Sichtschutzplane, als 4 Behelfstragen sowie als Steg über einen Stacheldrahtzaun einsetzen kann. Und garantiert wird bei irgendeinem Einsatz demnächst von ein paar Kollegen eine neue Verwendungsmöglichkeit erfunden werden. Dieses zielgerichtete Tüfteln, improvisieren, lösen von Problemen finde ich immer wieder eine ungemein faszinierende Aufgabe. Übrigens sind in dieser Disziplin Frauen oft sogar noch phantasievoller als Männer, da sie meist zielstrebiger denken, indem sie besser an üblichen Lösungen „vor-beidenken“ können.
Zusammenarbeit ist für mich ebenfalls sehr wichtig: Wenn zwei Feuerwehrleute in einem brennenden Haus löschen, dann können sie dies nur, weil sie Teil eines eingearbeiteten Teams sind: Der Sicherungstrupp steht mit Atemschutzgerät auf dem Rücken bereit, um ihnen sofort helfen zu können, wenn sie in Schwierigkeiten kommen. Weitere Trupps kümmern sich um Schläuche, stellen Leitern auf oder bereiten andere Ausrüstung vor. Der Maschinist bedient die Pumpe und sorgt für genug Löschwasser im Schlauch, der Gruppenführer beurteilt ständig die Einsatzsituation und sorgt so für Sicherheit und schnellen, effizienten Ablauf.
Je nach Gefährdung an der Einsatzstelle stehen darüber hinaus Rettungswagen und Notarzt zur optimal schnellen Versorgung und Betreuung von Verletzten an der Einsatzstelle bereit. Besondere Einsätze im Ungang mit Gefahrstoffen erfordern sogar bestimmte Meß- und Waschstationen. Jeder Feuerwehrangehörige muß also eine bestimmte Aufgabe erfüllen, damit der gesamte Einsatz klappt. Gleichzeitig müssen nach Möglichkeit alle, jede der verschiedenen Aufgaben durchführen können, um auf eine Veränderung der Einsatzlage immer optimal reagieren und alle aktuell gegebenen Gefahren einschätzen zu können. Interessanterweise scheint sich bei dieser Zusammenarbeit das Wissen der einzelnen nicht nur zu addieren, sondern eher zu multiplizieren. Das erfordert natürlich viel Vertrauen und viel Übung: Aber es lohnt sich immer wieder, denn wenn ich weiß was mein Kollege denkt, muß ich nicht lange mit ihm reden um mit ihm an einem Strang zu ziehen.
Je besser das klappt, desto besser werden Einsätze abgearbeitet, desto effizienter können wir also helfen. Und jeder von Uns - Feuerwehrangehöriger oder nicht - weiß, daß es ein gutes Gefühl ist, gute Arbeit geleistet zu haben und ein noch besseres, damit auch jemand geholfen zu haben, der gerade dringend Hilfe brauchte.
Natürlich gibt es auch Sachen die mich mitunter in der Feuerwehr stören, und drei davon möchte ich der Ehrlichkeit und des Anliegens willen hier auch gern darstellen:
1.) Der Feuerwehrbetonschädel oder: „Wir machen das so weil wir es schon immer so gemacht haben“... Wie in vielen anderen Bereichen auch gibt es auch in Sachen Feuerwehr ab und an Neuerungen, die sich bewähren und Arbeitsvorgänge leichter und das Leben sicherer machen. Hier gibt es aufgeschlossene und ablehnende Haltungen, sich mit solchen (sinnvollen!) neuen Techniken etc. auseinanderzusetzen. Entgegen einem bekannten Vorurteil ist das eben nicht altersabhängig: Mir sind Berufsfeuerwehrkollegen, die ein halbes Jahr vor der Rente immer noch begierig alles Neue lernen. ebenso begegnet wie solche von 25 Jahren, die nach noch nicht einmal fünf Jahren Feuerwehrpraxis meinen alles zu wissen. Inzwischen sehe ich solche Überzeugungsarbeit als Herausforderung. Vergleichsexperimente oder ein gut vorbereiteter, sachlicher Unterricht können mitunter eben doch viel ändern.
2.) „Frauen können körperlich nicht so viel leisten wie Männer und sind psychisch auch nicht so belastbar.“ Wer heutzutage ernsthaft noch eine solche Meinung vertritt sollte meiner Ansicht nach dringend mal überprüfen ob er vielleicht ein paar Komplexe oder Berührungsängste hat, denn sachlich ist an diesen Thesen wohl nichts Haltbares zu finden. Meine zierlichen männlichen Kollegen von einem Meter fünfundfünfzig Körpergröße werden auch nicht gefragt, ob sie zu schwach für den Feuerwehrdienst sind, also können wir das schon mal streichen. Und wenn die zu rettende Person im zeitkritische Extremfall halt auf dem Weg in die Sicherheit die Treppe hinuntergeschleift wird, dann ist das vielleicht mal kurzzeitig etwas unschön für den gerettet werdenden Endverbraucher, aber ein paar blaue Flecken sind reversibel, Tod nicht. (Abgesehen davon: Eine 130 kg-Person kriege ich alleine in meiner 90-kg Klasse auch nicht anders bewegt, wenn die Zeit knapp ist.) Zur so genannten psychischen Belastbarkeit: In der Krankenpflege sind nach wie vor überwiegend Frauen tätig, und sie ertragen dort täglich heftigste psychische Belastungen (beispielsweise Betreuung von Koma- oder Tumorpatienten) in einem Ausmaß, daß ich nur bewundern kann. Jeder Mensch hat seinen persönlichen Eichpunkt, bei dem es ihm mal „die Sicherung raushaut“. Aber der ist nicht vom Geschlecht abhängig, sonder von der Persönlichkeit, den Verarbeitung- und Verdrängungsmechanismen und der erfolgten fachlichen Vorbereitung auf unerfreuliches. Mit Gleichgestellten über das zu reden was quält ist gesund, Machos und Verdränger dagegen sind oft „Einsatzzeitbomben“.
3.) Die zwei Sorten von Feuerwehrleuten und Ersatzdienstleistenden bei der Feuerwehr: Es kommt immer wieder vor daß Kollegen, die lange Jahre in der Feuerwehr gewesen sind oder die ihren Ersatzdienst bei der Feuerwehr abgeleistet haben, die Feuerwehr einfach an den Nagel hängen. Das ist schließlich auch ihr gutes Recht. In mir kommt jedoch dann immer ein wenig das Gefühl auf, darin versagt zu haben, ihnen zu zeigen, wie sie Befriedigung aus dieser Arbeit ziehen können und wie wichtig ihre Tätigkeit ist. Und ich sehe so einige Jahre an Ausbildungsarbeit flöten gehen, die fortan nicht mehr genutzt werden und brachliegen. Aber so ist es eben manchmal...
Für mich ist es nach wie vor eines der dankbarsten und sinnvollsten Hobbys der Welt.
Autor:Rüdiger Jarnert aus Bochum |
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