Bochumer Varieté gibt Geflüchteten ein Zuhause
Varieté et cetera baut ein "ukrainisches Dorf"
Das Bochumer Varieté "et cetera", selbst durch die Corona-Pandemie arg gebeutelt, hilft Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind: Hinter dem Theater ist in kürzester Zeit aus Wohncontainern ein "ukrainisches Dorf" entstanden. Jetzt wurde ein Hilfsverein gegründet, um Spenden zu sammeln.
"Wir wussten sofort, dass wir helfen mussten." Ronny Cabello, mit seiner Familie Chef im "Varieté et cetera", geht das Schicksal der Geflüchteten aus der Ukraine sehr nahe. "Wir hatten immer viele Künstler aus der Ukraine auf der Bühne, viele Mitarbeiter aus unserem Team stammen daher. Daher entsteht eine ganz andere Nähe. Die Situation hat uns unheimlich betroffen gemacht." Gemeinsam mit Tochter Lara, Ehefrau Silvia und dem Team des Varietés an der Herner Straße stellt er Unterkünfte für Geflüchtete zur Verfügung - in einem Container-Dorf, gleich hinter dem Theater-Bau.
Familiäre Unterkunft
"Wir wollen den Menschen eine sichere und familiäre Unterkunft bieten und ein Zuhause für sie schaffen", erläutert Ronny Cabello. Schon kurz nach Kriegsausbruch stellte das Varieté einen Teil seiner Künstler-Apartments, die aktuell nicht belegt waren, für Geflüchtete zur Verfügung. Den Anstoß gab Anna, ehemalige Service-Mitarbeiterin im Varieté. Die sorgte sich um ihre Familie daheim in der Ukraine und wollte sie in Deutschland in Sicherheit bringen. Sie nahm Kontakt mit Silvia Cabello auf: "Das et cetera hilft immer, das war immer so und wird immer so bleiben", berichtet die 27-Jährige. Mutter und Schwester leben inzwischen in einem der Künstler-Apartments. Ihr Vater blieb in der Ukraine.
Die Künstler-Apartments waren schnell belegt - die Idee, weitere Wohngelegenheiten zu schaffen, war schnell geboren: Ein "ukrainisches Dorf" auf dem "et cetera"-Gelände.
Breite Unterstützung
"Das ist eigentlich ein Teil unseres Parkplatzes, aber weil wir immer noch mit reduzierter Platzkapazität spielen, brauchen wir den derzeit nicht", erklärt Silvia Cabello. Stadt Bochum und Krisenstab gaben rasch grünes Licht; die Bogestra als Vermieterin war sofort mit im Boot, stellt Strom und Wasser kostenlos zur Verfügung. Die Container konnten von einem befreundeten Bauunternehmer und mit Unterstützung von "Cooltour"-Chef und Bochum-Total-Macher Marcus Gloria besorgt werden. Die sechs Doppelcontainer bieten jeweils Betten für bis zu vier Personen, sind mit einer kleinen Kochzeile, Tischen, Stühlen sowie Schränken ausgestattet - nicht luxuriös, aber mit allem Notwendigen ausgestattet - und auf jeden Fall besser als jede Sammelunterkunft. Mit Hilfe von Sachspenden konnten die Wohneinheiten mit Handtüchern, Bettwäsche und allem Lebensnotwendigen ausgestattet werden. Auch Kleidung und Spielzeug steht für die Angekommenen - allesamt Frauen mit ihren Kindern - zur Verfügung. "Das ging rasend schnell, wir haben nur ein paar Bekannte angesprochen, doch die Hilfsbereitschaft war riesig", berichtet Silvia Cabello. Ein ganzer Anhänger voll mit Hilfsgütern kam aus einem kleinen Ort bei Hannover: "Dort wohnt meine Schwägerin, die hat ihr ganzes Dorf mobilisiert."
Draußen wurden Zeltpavillons mit Sitzgelegenheiten aufgestellt, damit die Bewohnerinnen die Gelegenheit haben, beieinander zu sitzen, sich kennen zu lernen und auszutauschen. Die Kinder haben reichlich Platz, um zu spielen und sich auszutoben. Rund 40 Freiwillige fassten mit an, um das Dorf herzurichten.
Neun Geflüchtete wohnen in den Künstler-Apartments - und die Container sind inzwischen ebenfalls voll belegt. Die Vermittlung lief über Ehrenamtliche, die in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. "Wenn man sieht, wie die Menschen hier ankommen, zur Ruhe kommen können und sich wohl fühlen - und wie die Kinder anfangen zu spielen und wieder lachen können, dann weiß man, dass man alles richtig gemacht hat", freut sich Lara Begic-Cabello, selbst Mutter zweier Kleinkinder.
Obwohl das "et cetera" durch die Corona-Lockdowns selbst arg gebeutelt ist, gut ein Jahr lang komplett schließen musste und seit Wieder-Eröffnung im letzten Sommer nur mit deutlich reduzierten Zuschauer-Kapazitäten spielt, war es für Ronny Cabello und sein Team keine Frage, den Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen. "Uns wurde auch in der Corona-Zeit geholfen, wir haben staatliche Unterstützung erhalten. Es war hart, aber wir haben überlebt. Nun ist es an der Zeit für uns, etwas zurück zu geben."
Mit 20.000 Euro in Vorleistung
Rund 20.000 Euro hat das Theater erst einmal für die Miete der Container investiert, eine stolze Summe, aber: "Das war für uns gar keine Frage, das zu machen. Denn jetzt ist der Moment, wo man hilft - und nicht irgendwann", so Ronny Cabello entschlossen. Rund 40.000 Euro, so Schätzungen, werden für die kommenden sechs Monate gebraucht. Deshalb hat Familie Cabello den Verein "et cetera hilft e.V." gegründet, sammelt Spenden und hofft, dadurch die weitere Finanzierung stemmen zu können.
Infos:
- Ein Spendenkonto wurde bei der Sparkasse Bochum, DE81 4305 0001 0133 6608 52, eingerichtet.
- Zu erreichen sind die Initiatoren unter kontakt@et-cetera-hilft.de sowie unter Tel.: 0234/13005.
Autor:Petra Vesper aus Bochum |
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