Verantwortung für Kinder übernehmen
Kinderschutzbund Bochum schult ehrenamtliche Vormünder
„Es erweitert den Horizont“, sagt Martina Plum (53). Knapp zwei Jahre lang bis zu seiner Volljährigkeit war sie ehrenamtlicher Vormund des heute 25-jährigen Tcherno Bah aus Guinea. Aufgrund ihrer positiven Erfahrung betreute Plum später ein weiteres Mündel, eine junge Frau. Unterstützt und begleitet werden die Vormünder vom Kinderschutzbund. Am 3. Mai bietet der Ortsverband Bochum einen Infoabend für Interessierte an.
Von Vera Demuth
„Man bekommt einen anderen Blick“, schildert Plum, die als Musikschullehrerin arbeitet, ihre Erfahrungen. „Da ist jemand ohne Eltern. Was für Möglichkeiten gibt es, um diesen Menschen aufzufangen?“ Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Peter Welge (60), einem Biologen, kümmerte sie sich um Tcherno Bah. Er war als 16-Jähriger als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen, lebte in einer Wohngruppe mit anderen jungen Geflüchteten und hatte einen Amtsvormund.
„Amtsvormünder kümmern sich um bis zu 50 Mündel“, weiß Jutta Devantié vom Kinderschutzbund. Die Idee hinter dem Engagement des Vereins, der seit 2009 mit Ehrenamtlichen im Bereich Vormundschaft arbeitet, ist, dass den Kindern und Jugendlichen stattdessen eine 1:1-Betreuung geboten wird. Dabei lernen sich Vormund und Mündel vorab kennen, und beide Seiten können entscheiden, ob sie die Beziehung eingehen möchten. „Ich wollte mich wie alle anderen Kinder fühlen, die Vater und Mutter haben“, erinnert sich Bah, warum er sich für einen ehrenamtlichen Vormund entschied.
Ehrenamtliche, die eine Vormundschaft übernehmen, verpflichten sich, an Eltern Statt die rechtliche Vertretung für das Mündel zu übernehmen. Das bezieht sich beispielsweise auf den Austausch mit Behörden oder die Zustimmung bei medizinischen Eingriffen.
Pflicht und Kür
Inwieweit sich Vormund und Mündel darüber hinaus privat treffen, bleibt ihnen überlassen. Bei Martina Plum, Peter Welge und Tcherno Bah kam die „Kür“ hinzu. „Wir haben viel erlebt“, erzählt Bah, der längst in einer eigenen Wohnung lebt und mittlerweile als Fachkraft für Lagerlogistik arbeitet. So hat Welge ihm, als er noch zur Schule ging, beim Matheunterricht geholfen. Plum half ihm bei der Suche nach einem Praktikum, das er als Schüler einer internationalen Flüchtlingsklasse absolvieren musste. Und immer wieder trafen sie sich, um gemeinsam zu kochen, zu backen oder etwas zu unternehmen.
Das gilt bis heute. „Wir sind immer in Kontakt“, sagt Bah. „Tcherno ist ein Freund“, verdeutlicht Welge, wie sich die Beziehung der drei entwickelt hat. Offiziell endet eine Vormundschaft, wenn das Mündel die Volljährigkeit erreicht hat. „Aber es ist das Hauptziel der ehrenamtlichen Vormundschaft, dass die Beziehung nicht aufhört, wenn das Mündel 18 Jahre alt ist, sondern dass sie weitergeht“, erläutert Nicole Quade vom Kinderschutzbund.
Vormünder werden geschult
Der Verein unterstützt die Ehrenamtlichen. Jutta Devantié und Nicole Quade veranstalten Infoabende und bieten Schulungen an – unter anderem über Rechte und Pflichten von Vormündern sowie zu ausländerrechtlichen und psychologischen Themen. Die Teilnahme ist noch keine Verpflichtung, eine Vormundschaft zu übernehmen. Wer sich dafür entscheidet, dem stehen Devantié und Quade als Ansprechpartnerinnen zur Seite. „Man kann immer anrufen. Man steht nicht allein da“, erklärt Martina Plum. Als „sehr wertvoll und hilfreich“ bezeichnet Peter Welge außerdem die monatlichen Treffen, auf denen sich Ehrenamtliche untereinander austauschen können. „Jeder erzählt, was gut läuft oder wo man nicht weiter weiß. Man steht sich bei“, ergänzt Plum.
Kinder und Jugendliche brauchen einen Vormund als gesetzliche Vertretung, wenn ihre Eltern gestorben sind, wenn sie wegen Kindeswohlgefährdung nicht zuhause leben können oder wenn die Eltern das Sorgerecht nicht ausüben können. „Die meisten Fälle betreffen Kindeswohlgefährdung“, erklärt Quade. Hinzu kommen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wie einst auch Tcherno Bah. Überwiegend stammen die Jugendlichen aus Afghanistan, Syrien und Irak.
Voraussetzung, um ehrenamtlicher Vormund zu werden, ist neben einem erweiterten Führungszeugnis die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. „Man sollte neugierig sein und bereit, sich auf etwas Neues einzulassen“, so Devantié. Pädagogische Vorkenntnisse oder eigene Kinder sind keine Voraussetzung.
Infoabend
Zu einem Infoabend zum Thema Vormundschaft lädt der Kinderschutzbund Ortsverband Bochum, Klarastraße 10, am Dienstag, 3. Mai, um 18 Uhr ein.
Kontakt:
Tel.: 0234/3618292
E-Mail: vormundschaft@kinderschutzbund-bochum.de
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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