Geschichten und Geschichte aus Bochum-Nord
Herbert und InGe lassen Gerthe erblühen

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Die Gerther Fußgängerzone hat sich in den letzten Jahren positiv verändert. Davor verschandelten ungepflegte und verschmutzte Blumenkübel und Hochbeete die City. Es gab viele Leerstände, und kein Ende des Verfalls war abzusehen. Lange Jahre war vergeblich versucht worden, von der Stadt Bochum eine offizielle Genehmigung zur Bepflanzung der Fußgängerzone zu bekommen. Die Genehmigung ist bis heute nicht erteilt. 2013 beschloss der Initiativkreis Gerthe (InGe) auf eigene Faust den Verfall zu stoppen und begann mit der Bepflanzung der ersten Kübel. Die Pflanzen wurden selbst angeschafft und die Gerther Geschäftsleute und Handwerker gingen ans Werk. Herbert Dehnert, ein Anwohner der Fußgängerzone, schaute interessiert zu. Schließlich bot er seine Dienste zur Bepflanzung und Versorgung der Blumenkübel ehrenamtlich an.

Wenn Herbert Dehnert heute durch seine Fußgängerzone geht, wird er überall erkannt und gegrüßt. Er geht bei allen Geschäftsleuten, Apotheken, Ärzten im Umfeld der Fußgängerzone, sogar bei der Sparkasse, ein und aus und bekommt dort Spenden für seine Blumenkasse, aber auch Anerkennung für seine schönen Bepflanzungen. „Ab und zu gibt es aber auch einen Kaffee oder ein Stück Kuchen“, erzählt er erfreut und schmunzelnd bei unserem Rundgang. Sein Motto: „Ganz Gerthe ist eine Sonne und ich bin mitten drin“. Zu jedem Laden hat er etwas zu berichten. „Hier im Reisebüro P&N arbeitet meine Freundin Kerstin, die hilft mir immer mit. Meine Blumen kaufe ich bei Nicole auf der Lothringer Straße 33, sie gibt mir sogar großzügig Rabatt. In den heißen Sommermonaten ist meine Hauptaufgabe die Bewässerung der immer mehr werdenden Beete. Das Wasser verteile ich in der Fußgängerzone mit einem langen Schlauch, beides gespendet von Martin vom Second Hand Kaufhaus“. Sogar die Stadt Bochum überließ großzügig die Blumen vom „Gerther Sommer“. Die Peter-Petersen Schule spendete Geld zur Bepflanzung der Umgebung an der Brandenbuschstraße und die Schüler bestrickten einen Baum in der Fußgängerzone. Aktuell werden Kübel und Baumscheiben auf der Hegelstraße bepflanzt. Die Garten AG der Anne-Frank-Realschule beteiligt sich aktiv an der Bepflanzung in Gerthe. Geplant sind Bepflanzungen am Marktplatz, im Marktgarten und vor dem Bunker Hans-Sachs Straße. In der Weihnachtszeit verschönert InGe die Fußgängerzone mit Tannenbäumen. Herbert Dehnert hilft mit, sie zu schmücken.

Herbert Dehnert ärgert sich über gestohlen oder herausgerissen Blumen und Sträucher. Die Strauch- und Baumbepflanzungen der Anne-Frank-Realschule am Bunker waren in der ersten Nacht schon verschwunden. In jedem Jahr werden von InGe aufgestellte und geschmückte Weihnachtsbäume entwendet. Alle Gerther Bürgerinnen und Bürger sollten auf solche Vorfälle achten und gegebenenfalls melden. Ärgerlich ist auch, dass die Blumenbeete und -Kübel für Abfall, oftmals für Essensreste und Verpackungen, missbraucht werden, obwohl einige Meter weiter ein Behälter dafür steht. „Hundekot ist aber sehr selten darin zu finden“ lobt er die Hundehalter. Herbert Dehnert säubert täglich die Beete vom Abfall. Die Stadt Bochum fühlt sich anscheinend auch nur für die Säuberung der Fußgängerzone außerhalb der Beete zuständig. Es sieht so aus, als sei die Stadt auch für die Beseitigung des Gras- und Unkrautbewuchs rund um die Beete nicht zuständig. Hier entfernt Herbert Dehnert nur das optisch Schlimmste.

Unterstützt wird er bei seiner ehrenamtlichen Arbeit und seinem Engagement von seinen Kindern Marc und Ela. Diese helfen in ihrer Freizeit im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Herbert Dehnert wünscht sich deshalb noch einen oder zwei MithelferInnen, die ihn unterstützen. An heißen Sommertagen und bei langen Trockenzeiten ist es ihm unmöglich alle inzwischen weit verstreuten bepflanzten Kübel regelmäßig mit Wasser zu versorgen. Daher freut er sich über jede Hilfe der Anwohner.

Alle Gerther Bürger und Bürgerinnen können die InGe Projektgruppe „Schöner leben und wohlfühlen in Gerthe“ und Herbert Dehnert unterstützen.
Jetzt ist Gartenzeit. Viele mehrjährigen Blumen und Stauden haben sich vermehrt und ausgedehnt. Zeit zum Abstechen und Ausdünnen. Für diese Pflanzen gibt es ab sofort eine Spendenbox auf dem Carlo-Lemke-Platz an der Hegelstraße 6. Dort können gute, wuchsfreudige und winterharte Ableger und Stauden für die Bepflanzung von Gerthe abgegeben werden. Falls möglich eine Beschreibung der Pflanze mit ihren Anforderungen an den Standort hinzufügen. Bitte keinen Abfall entsorgen!

Alle Bürgerinnen und Bürger, die sich mit ihrem Stadtteil verbunden fühlen, sich selbst einbringen, oder nur ab und zu mal mithelfen wollen, treffen sich an jedem 4. Dienstag im Monat im Seniorenbüro Nord, Gerther Straße 20. Hier werden gemeinsam mit dem Seniorenbüro Nord und der InGe Projektgruppe „Schöner leben und wohlfühlen in Gerthe“ diverse Projekte und Ideen vorgestellt und neue gesucht.

Man darf aber auch selbst Hand anlegen. Vor vielen Häusern und Grundstücke gammeln Beete, Baumscheiben, Kübel. Die Stadt wird sich nicht mehr viel darum kümmern. Zwei Mal im Jahr beschneiden von der Stadt beauftragte Firmen zwar diese sogenannten Grünflächen. In den letzten Jahren wurde dabei leider nicht zwischen Brennnessel und Rosen unterschieden. Alles wurde plattgemacht. Diesmal war es aber besser. Es lohnt sich also wieder. Euer Haus und Grundstück sieht merklich besser aus, wenn auch die Vorderansicht stimmt. Behandelt den Bürgersteig und darauf befindliche Grünstreifen wie euer Eigentum. Der Hof und der Garten werden doch auch von euch gepflegt. In vielen ländlichen Regionen in Deutschland ist es immer noch üblich, zum Wochenende auch den Fußweg und sogar die Straße zu fegen. Es ist eine Arbeit, die sich lohnt und man lernt dabei auch mal seine Nachbarn kennen.

Mit dem InGe Stadtteilprojekt 2 soll die Gerther Fußgängerzone weiter verschönert werden. Ansprechpartnerin dafür ist Claudia Jaquet. Es sollen u.a. zusätzliche Bänke und kreative Spielgeräte für Kinder in der Fußgängerzone und später auch rund um den neu zu gestalteten Markt und Marktgarten aufgestellt werden. Im Februar fand eine Begehung mit Verantwortlichen der diversen Städtischen Ämter statt. Dort wurde über die Aufstellmöglichkeiten und Auswahl von bereits in anderen Stadtteilen verwendeten und zertifizierten Geräten gesprochen. Alles schien gut. Ganz schnell wurden vor dem Seniorenbüro einige Fahrradständer installiert, vor der Marktbude Poller versetzt, Fugen im Schachfeld repariert. Aber dann war Stille. Bis heute platzten diverse Termine, kein Amt innerhalb der Stadtverwaltung fühlt sich für die Koordination und Abstimmung zuständig. Nachfragen laufen ins Leere. Dabei hat Bochum Marketing im Dezember 2014 bis zum Jahresende 2015 einen großzügigen Betrag für die Anschaffung bereitgestellt. Aber ohne Genehmigung kann nicht bestellt und montiert werden. Nach zähem Nachforschen und Nachfragen kam am 16.09.2015 die Info, dass das Aufstellen vermutlich kein Problem darstellt, aber die Verkehrssicherungspflicht geregelt werden muss. Dafür ist das Umwelt- und Grünflächenamt zuständig. Die können das nicht mehr übernehmen, da sie bereits überlastet sind. Dabei sollten in diesem Jahr nur zwei Spielgeräte zusätzlich aufgestellt werden. Wahrscheinlich verfällt so der bereitgestellte Betrag für Gerthe und es wurde mal wieder viel Zeit und Energie in ein Projekt gesteckt, das durch die bürokratischen Hindernisse voll ausgebremst wird.

Das Paradoxe dabei, BOCHUM Marketing ist ein Unternehmen der Stadt Bochum, das das Stadtteilprojekt „Spielgeräte und Bänke für die Fußgängerzone Gerthe“ als förderungswürdig erachtet und Gelder zur Verfügung stellt, die Stadt Bochum dann aber die Genehmigung dafür nicht erteilt.

Marion Kensy ist 1. Vorsitzende von InGe und führt auch die Projektgruppe „Schöner leben und wohlfühlen in Gerthe“. Für ihren (immer noch andauernden) Kampf gegen den Bürokratismus gehörte sie zu den Nominierten für den „Werner-Bonhoff-Preis-wider-den-§§-Dschungel“. Unter Bürokratismus in der Verwaltung versteht die gemeinnützige Werner-Bonhoff-Stiftung <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.werner-bonhoff-stiftung.de">Werner-Bonhoff-Stiftung</a> die dunkle Seite der Bürokratie: umständliche Verfahren, unverständliche Entscheidungen, mangelnde Problemlösungsorientierung sowie das Nebeneinander einer Vielzahl von verselbstständigten Bürokratien. Teilnehmer des Projektes „Bürokratie-Therapie“, die sich bereits „von unten“ für eine bessere Verwaltungspraxis engagieren, reichen von Landwirten, Handwerkern, Gründern bis hin zu Unternehmern wie Günther Jauch oder der selbstständigen Hebamme. Und auch bis zur Malermeisterin Marion Kensy und die ungenehmigte Bepflanzung der Gerther Blumenkübel.

Ihren Fall und noch viele andere zeigt bis zum 30.09.2015 im Foyer der Bochumer Volkshochschule die Ausstellung „Der Kaiser hat ja gar nicht an! Bürokratie-Therapie von nebenan“. Die Ausstellung zeigt konkrete Fälle von Menschen, die gegen Bürokratismus aufbegehren. Geplant ist, einen Teil dieser Ausstellung anschließend nach Gerthe zu holen. Ort, Zeitpunkt und Dauer sind noch nicht bekannt.

Die Bilder dieses Beitrages zeigen den ungepflegten Zustand 2012, den Aufbruch im Jahr 2013, das blühende Gerthe im September 2015. Aber auch die vielen Schandflecken und Baustellen die noch vor InGe und Herbert liegen. Zum Schluss ein paar Bilder von der Eröffnung der Werner-Bonhoff-Stiftung am 31.08.2015.

Autor:

Klaus Gesk aus Bochum

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