Geschichten und Geschichte aus Bochum-Nord
Fotos halten Erinnerungen lebendig – Weihnachten in den 1950er Jahren
Viele meiner Erinnerungen verknüpfe ich mit alten Fotos.
Sei es an Orte, Reisen, an meinen Stadtteil, Spielkinder, Schulkameraden, meine Tiere und vieles mehr.
Am intensivsten sind natürlich die Erinnerungen an die eigene Familie. Eltern, Großeltern, Geschwister, nahe und ferne Verwandte. Was haben wir doch vieles gemeinsam erlebt!
Aber auch ein Rückblick auf das Leben in den Anfängen meines Lebens. Wie haben unsere Eltern und Großeltern ohne die heutigen selbstverständlichen Errungenschaften ihren Haushalt bewältigt? Wie konnten wir ohne Fernseher, PC, Smartphone, Auto existieren? Wir hatten kein Telefon, keinen Kühlschrank, keine Waschmaschine, keine Spülmaschine, keinen Saugroboter und vieles mehr nicht. In jedem von unseren zwei Zimmern gab es eine Steckdose. Fast Luxus, denn wir hatten nur ein Radio.
Auf unserer Gerther Zeitreise haben wir versucht dieses darzustellen und auch kleine (Bilder)-Geschichten dazu geschrieben. Dieses wollen wir fortführen.
Falls Sie Interesse haben, auch Ihre Geschichten zu erzählen oder
einfach nur zuhören wollen, gibt es die Gelegenheit einmal im Monat im
Gesprächskreis „Geschichten und Geschichte aus Bochum-Nord“
Jeden letzten Donnerstag im Monat 17:00-19:00
bei Gerthi-Cool, Turnstraße 3, direkt am Markt
oder bei Bedarf in der
Christopherus Schule, Gerther Straße 31, 44805 Bochum-Gerthe
Der Gerther Treff sucht weiterhin alte Fotos und Zeitdokumente aus Gerthe und Umgebung.
Auch Fotos aus dem Familienleben, Haushalt, Waschtag, Garten, Arbeitswelt, usw. Diese können natürlich aus dem gesamten Ruhrgebiet und dem Rest von Deutschland stammen. Wir möchten unseren Kindern zeigen, wie wir einst aufgewachsen sind und gelebt haben und uns selbst daran erinnern.
Bitte die Fotos von den Eltern und Großeltern nicht einfach wegwerfen und entsorgen.
Wir machen daraus Geschichten; und erzählen und bewahren unsere Geschichte.
Kontaktdaten: gerthertreff@gmail.com
Jetzt zur Weihnachtszeit nachfolgend ein Rückblick in die 1950er Jahre:
Wir lebten in meinen ersten Lebensjahren mit meiner Oma zusammen in einer Zweiraumwohnung.
Damals gab es die Bescherung erst am 1. Weihnachtstag. Am Heiligen Abend wurde der Baum aufgebaut, darunter die Naschsachen und das Geschenk.
Vor Aufregung konnte ich nicht fest schlafen, schon um vier Uhr morgens schlich ich in unsere Wohnküche. Angeblich um aufs Töpfchen zu gehen (bis 1963 hatten wir noch ein Plumsklo im Stall).
Danach war die Nacht vorbei. Mein Vater war Schreiner, und da gab es dann Bauklötzchen aller Art oder ein Jahr später einen selbstgebastelten Bauernhof mit Weide und ausgesägten Tierfiguren. Zum Naschen selbstgebackene Plätzchen, etwas Schokolade, Nüsse und Orangen.
Zum dritten Weihnachten hatte dann Oma nebenan ein eigenes Zimmer, die Untermieter waren ausgezogen. So wartete ich mit meiner Oma schon am Heiligenabend auf das Klingeln des Weihnachtsmanns.
Wir hatten zu Weihnachten immer viel Besuch in unseren zwei Zimmern, viele Tanten und Onkel mit ihren Kindern. Sie kamen zu Fuß, mit dem O-Bus aus Herne, mit dem Bus oder der Straßenbahn. Niemand hatte ein Auto.
1953 kam dann mein Bruder hinzu, damit war die Familie komplett.
Zu Weihnachten wurde viel gesungen, wir Kinder durften (mussten) Gedichte aufsagen, meine Mutter hat Weihnachtsgeschichten und –Märchen vorgelesen. Alle zusammen haben gemeinsam Karten- und Würfelspiele gespielt.
Danach saßen die Alten gemütlich zusammen und quatschen.
Wir Kinder hockten auf dem Fußboden und unterm Tisch und haben unsere Geschenke bespielt. Wenn wir müde waren, wurden wir quer über die Betten verteilt.
Da passten auch schon mal 4-5 Kinder in ein Bett.
In anderen Familien war es damals ähnlich. Wichtig war die Zeit miteinander.
Für uns Kinder waren Weihnachten und der eigene Geburtstag die Tage, an denen wir beschenkt wurden und an denen es besondere Süßigkeiten gab.
Bilder sagen mehr als viele Worte.
Jetzt feiern wir Weihnachten mit einigen Bergmannsfamilien und auf dem Bauernhof.
Zuerst kommt noch einmal der Nikolaus
Dann bastelten wir im Kindergarten ein Lebkuchenhaus.
Endlich gehts zur Bescherung.
Dann wurden die Familien Fotos gemacht
Danach durfte endlich gespielt werden
Auch die Eltern mussten bespielt werden
Dann schnell alles verstecken und ab ins Bett!
Zum Abschluss gibt es noch einen Schüleraufsatz von Gerhold Strack von 1965.
Dieser Aufsatz erschien in der Schülerzeitung Tangente von der HvK in Bochum-Gerthe.
Seine Geschichte ist eine passende Verbindung von den Fotos der 50er Jahre in die heutige Weihnachtszeit.
Zuvor wünschen wir vom Gerther Treff allen Leserinnen und Lesern eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit im Kreise ihrer Familien. Bleiben Sie nicht allein und bleiben Sie gesund.
WEISSE WEIHNACHT eine Geschichte von Gerhold Strack
Es ist Weihnachten, das Fest der Freude.
Ich bin allein, weit weg von den Lieben daheim.
Etwas wie Wehmut überfällt mich, als ich in den einsamen Waldweg einbiege.
Es ist später Nachmittag am Heiligen Abend. Ich wollte eigentlich nur etwas Luft schöpfen. Doch dann bin ich weitergegangen, aus der Stadt heraus, durch immer spärlicher beleuchtete Straßen und einsamere Wege, bis ich plötzlich mitten im Wald stehe.
Es wird kühler. Ich binde mir den Schal fester um und stapfe weiter durch den Schnee, der unter jedem Schritt knirscht. Rechts und links vom Wege ist eine Tannenschonung.
Dick und weich liegt der Schnee auf den jungen Bäumchen. Nur hin und wieder ist das frische Grün der Zweige unter der Schneedecke zu sehen.
Es ist das erste Weihnachtsfest, das ich allein verbringen muss. Daheim wird jetzt noch buntes Treiben in den weihnachtlich geschmückten Straßen herrschen. Jeder will noch schnell eine Kleinigkeit für den Gabentisch besorgen.
Doch hier ist Stille. Kein Laut ist in der Landschaft zu hören, die unter der weißen Decke zu schlafen scheint.
Vor mir ragt ein Waldrand wie eine schwarze Wand empor.
Ob man daheim jetzt wohl an mich denkt? - Zu Hause wird bald Bescherung sein. Alle werden schon ungeduldig auf den großen Augenblick warten.
Wird dabei nicht die wahre Bedeutung der Weihnacht vergessen?
Sicher, man bemüht sich redlich, allen Menschen, die dem Herzen nahe stehen, eine Freude zu machen.
Aber denkt man auch an den Ursprung des Weihnachtsfestes?
Denkt man, geblendet von den Luxusgeschenken unserer Zeit, an die Armut des Kindes in der Krippe zu Bethlehem?
Es ist jetzt dunkel. Vor mir auf dem Weg erkenne ich frische Rehspuren.
Der Schnee glitzert im schwachen Licht des Mondes. Ein Komet zieht seine Bahn und erlischt.
Ist der Mensch nicht auch wie ein Komet? Er wird irgendwo geboren, wächst auf,
geht seine vorgeschriebene Bahn, und sein Leben erlischt schließlich; irgendwo.
Es fängt ganz sacht zu schneien an. Große Flocken gleiten zur Erde. Ein unbeschreibliches Gefühl erfüllt mich. Um mich her die Stille der Nacht, die Einsamkeit, die schneebedeckte Landschaft und die Schneeflocken, die unmerklich auf den Boden rieseln.
Ich muss an ein Weihnachtslied denken. Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See, weihnachtlich glänzet der Wald ... Da sehe ich ein Licht durch die Bäume schimmern.
Ich gehe darauf zu und stehe bald vor dem Fenster einer armseligen Holzfällerhütte. Ich kann durch eine Lücke im Vorhang in die Stube sehen. Ein Kamin erhellt sie durch ein flackerndes Feuer. Der Raum ist ärmlich eingerichtet, aber alles blitzt vor Sauberkeit.
In der Mitte der Stube steht ein stattlicher Weihnachtsbaum in einfachem Schmuck.
Eine Frau ist dabei, die wenigen Kerzen anzuzünden. Jetzt klingelt sie mit einem Glöckchen. Ein Mann und vier Kinder treten ein. Die Kinder blicken erwartungsvoll unter den Baum. Es ist nicht viel, was sie dort vorfinden, aber die kleinen Geschenke lassen ihre Gesichter erstrahlen.
Die Eltern halten sich bei den Händen und sehen sich mit einem Blick an, der vieles ausdrückt. Dann versammelt sich die ganze Familie um den Christbaum, spricht ein Gebet und singt andächtig, mit leuchtenden Augen, die Weisen, die an diesem Tage überall gesungen werden.
Ich gehe leise fort. Nach einiger Zeit sehe ich in der Ferne die Lichter der Stadt. Ich frage mich, wie man in den Häusern dieser Stadt, ja, wie man überall im Land das Weihnachtsfest begeht.
Ist es nur ein Fest der Äußerlichkeiten, des Schenkens und Beschenktwerdens? Kann der abgestumpfte Wohlstandsbürger überhaupt noch richtig Weihnachten feiern?
Geburtstages unseres Herrn, oder bleibt das nur den Armen vorbehalten?
Bald wird der Alltag wieder beginnen. Ich werde wieder in den gewohnten Tageslauf eingespannt.
Doch noch lange werde ich von diesem Weihnachtsfest zehren, und niemals werde ich sie vergessen, diese weiße Weihnacht.
Autor:Klaus Gesk aus Bochum |
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