Würdevolle Trauerfeier für Bochumer Germanwings-Opfer
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Am 24. März 2015 hatten unvorstellbar tragische Umstände in den französischen Alpen zu einer der erschütterndsten Flugzeugkatastrophen geführt. 149 Menschen waren schicksalhaft in den Einflussbereich eines noch jungen Co-Piloten geraten, der aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung so tief im Tunnel erdrückenden inneren Erlebens festzusitzen schien, dass er in der aktiv herbeigeführten Einsamkeit des Flugzeug-Cockpits die Konsequenzen seines Handeln auf die Passagiere offenbar nicht mehr wahrnehmen konnte. Er nutzte die Maschine als sicherstes Mittel zum Zweck, brachte sie in suizidaler Absicht zum Absturz und riss Menschen mit sich in den Tod, die ihr Leben noch vor sich zu haben glaubten.
Zurück blieben eine in Fassungslosigkeit erstarrende Öffentlichkeit und eine unüberschaubare Anzahl Familienangehöriger, Freunde und Bekannte, die in ihrer Traumatisierung, ihrer Trauer und dem drängenden Wunsch, den Angehörigen nach Hause holen und beisetzen zu dürfen, dieses surreale Puzzlespiel ertragen mussten, das die Ermittler in wochenlangen akribischen Recherchen zu Unglücksursache und Unfallhergang zusammensetzten. Das noch junge Jahr 2015 hatte seine Unschuld verloren. Nach Wochen zermürbenden Wartens und der Abhängigkeit von behördlichen Entscheidungen wurden die Opfer am vergangenen Mittwoch, 10.06.15 dann endlich in ihre deutschen Heimatstädte überführt.
In einer bewegenden anderthalbstündigen Trauerfeier konnten am Samstag, 13. Juni 2015 nun auch die Hinterbliebenen der 58-jährigen Bochumerin, die zu den Absturzopfern zählte, in der voll besetzten Riemker St. Franziskus Kirche Abschied nehmen. Es war eine einfühlsam arrangierte Feier, die dem tragischen Anlass in angemessener Weise gerecht wurde und den eigenen Gedanken und den individuellen Formen der Trauer ausreichend Raum ließ. Sie verstand es, auf Schuldzuweisungen zu verzichten und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, der so jäh aus einem nicht zu Ende gelebten Leben gerissen wurde. So wuchs in der Kirche ein liebevolles Bild jener 58-Jährigen, die sich selbst bescheiden als „nur Hausfrau“ bezeichnet und doch in ihrer offenen, lebensbejahenden und Anteil nehmenden Art die Herzen ihrer Mitmenschen erobert hatte.
Die beiden unter der Leitung von Marco Bergolte stehenden Chöre der Gemeinden St. Franziskus Riemke und Seliger Nikolaus Groß Grumme, Orchester und Solisten, die Fürbitten und Ansprachen der Angehörigen sowie die einfühlsamen Worte des Pfarrers schufen einen emotional dichten Rahmen des gegenseitigen Haltens, des Abschiednehmens, des Tröstens, der respektvollen Würdigung und der warmherzigen gedanklichen Rückführung einer geliebten, geachteten und geschätzten Tochter, Ehefrau, Mutter und Freundin in die Gemeinschaft, der sie auf so unfaire Weise verloren ging.
Die überwältigende Anteilnahme, die sensible Gestaltung der Trauerfeier und die treffenden Worte des Pfarrers hinterließen trotz aller Trauer über das Unfassbare und über dieses so sinnlos empfundene Auslöschen unbeteiligter Menschen ein tröstliches Gefühl der öffentlichen Wahrnehmung und des Geborgenseins in dieser Wertschätzung. Die Erfahrung, dass es Menschen gibt, die dann die passenden Worte finden, wenn die eigene Fähigkeit schmerzhaftes Erleben auszudrücken, versagt, ist unendlich wertvoll.
Zurück bleibt die Beschämung über ein Gesundheits- und Versorgungssystem, das sich die Frage gefallen lassen muss, warum es Menschen, die einer psychischen Erkrankung zum Opfer fallen, in ihrer Instabilität mit einer Krankschreibung sich selber überlässt, statt ein sicheres und umfassendes Netz der nahtlosen Unterstützung, der Beratung und des Vertrauens zu schaffen, das die eigenverantwortliche Suche nach Behandlung und die unzumutbar langen Wartezeiten auf kompetente therapeutische Hilfe endlich der Vergangenheit angehören lässt.
Zurück bleibt aber auch die Beschämung darüber, dass Erkrankte aus Sorge vor Ausgrenzung und lebenslanger Stigmatisierung oder aus Angst vor dem Verlust des benötigten Arbeitsplatzes noch immer über das Eintreten psychischer Erkrankungen und suizidaler Gedanken schweigen (müssen). Die Bemühungen auch des Bochumer Bündnis gegen Depression e. V. um eine Verbesserung der Behandlungssituation, aber auch die Bestrebungen, einen offenen Umgang mit psychischen Problemen und suizidalen Gedanken zu ermöglichen, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Arbeitsplatzverlust haben zu müssen, sind längst noch nicht beendet.
Autor:Sabine Schemmann aus Bochum |
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