Wenn es unerwartet zuschlägt

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Es war wieder einer dieser Tage, an denen man, warum auch immer, nicht mehr so wirklich an sich selber glauben konnte. Es hatte in Folge zu viele niederschmetternde Ereignisse gegeben, die die Gerechtigkeit der Welt zu Recht in Frage stellten und eine gründliche Neuausrichtung des eigenen „Ich“ erforderten. Da schlug sie zu.

Sie hatte sich als „neue Nachricht“ auf der eigenen Seite des Lokalkompass getarnt und ich hatte sie in Erwartung der Antwort auf eine zuvor gestellte Frage geöffnet, ohne auf die Mitteilung gefasst zu sein, die sich hier abweichend von der erwarteten verbarg.

„Liebe Frau Schemmann“, stand da geschrieben und das für sich allein war ja nicht schlimm. Aber es ging natürlich weiter. „Sie sind mir als BürgerReporterin für Februar vorgeschlagen worden. Hätten Sie Lust auf diesen Titel? …“

Dass die Hydraulik meiner Jahresringe meine Gemütsverfassung unvermittelt an die Hand nahm, um mit ihr zusammen schwer ins Rutschen zu geraten, braucht vermutlich keine weitere Beschreibung. Ich war völlig fassungslos. So ging das also vor sich. Sie erwischten einen kalt. Warum gerade ich, wenn es mir doch momentan so ausgesprochen fies ging?
Ich atmete tief durch. Und das nicht nur einmal. Die Hydraulik wollte schließlich gut mit Sauerstoff versorgt sein. Und natürlich auch der Apparat, den man zum Denken braucht. Dann nahm ich meine beiden Augen und schaute um mich.

Es hatte sich im Raum nicht viel verändert, aber die Höhen und die Tiefen meines Lebens lagen ausgebereitet vor mir auf dem Schreibtisch. Der Anblick war ziemlich eigenartig. Eine sehr bunte Mischung aus Ablehnung und Anerkennung. Letztere war wichtig. An ihr galt es festzuhalten, um nicht den Glauben an sich selber und an seine Fähigkeiten zu verlieren. Die einen hatte ich nicht überzeugen können. Dafür aber glaubten andere an mich und meine Werte. Sagenhaft, diese verschiedenen Seiten eines Menschenlebens. Hell und Dunkel, schwarz und weiß, hart und weich, Rücken an Rücken. Jede Seite blickte in eine andere Richtung. Spannend.

Auf dem Schreibtisch herrschte Hochspannung. Es blitzte und donnerte. Ich sagte zu, dass ich den Titel annehmen würde. Natürlich, ich freute mich ja wie verrückt, dass es mich erwischt hatte.
Dann kam der harte Teil, in dem ich zunächst meine Gemütslage in einen annähernd knitterfreien Zustand versetzen musste, um die Fragen möglichst neutral beantworten zu können, die man mir aus Essen schickte. Fragen sind ja immer auch recht gut dazu geeignet, den ganzen Jammer seines Lebens auf einmal in die Welt zu schicken.
Was antwortete man also auf die Frage, wer man sei, wenn man das in dem Moment doch gerade selbst nicht weiß, und auch die anderen, die einen zuvor ziemlich geärgert hatten, nicht wissen, wen sie da vor sich haben? Einen Menschen nämlich, dem man so nicht begegnen darf, wie man ihm begegnet ist.

Ich schrieb mich ein. Nicht an der Ruhr-Uni in Bochum, sondern in die Beantwortung der mir gestellten Fragen. Der Abend und seine Antwort auf das Leben wurden lang und beides zusammen machte meinen Weg in Richtung Zukunft wieder ein kleines Stückchen deutlicher.
Die Zuerkennung des Titels „Bürgerreporter des Monats Februar“ war ein Geschenk des Himmels und der Redaktion an die Neuordnung der eigenen Ziele. Weiter an sich selbst zu glauben und den Weg beharrlich weiter zu verfolgen, den man sich vorgenommen hat. Egal wie viele Steine und Stricke und Hürden man von denen in den Weg gelegt bekommt, die gern verhindern möchten, dass man sich weiter auf dem Pfad bewegt, den man breiter treten möchte, damit es auch anderen besser gehen kann.
Wenn Texte bei anderen Menschen Gehör finden, weil man sich schriftlich gut auszudrücken scheint, dann kann die Autobahn nicht unbedingt so falsch sein, die man auf dem gewählten Pfad erreichen möchte.

Ich möchte mich auf diesem Weg bedanken. Bei meinem Fürsprecher aus Bochum, von dem ich mittlerweile weiß, dass er mich vorgeschlagen hat. Bei der Redaktion in Essen, die sich auf den Vorschlag einließ und mich und meine Beiträge einer prüfenden Betrachtung unterzogen hat. Und bei denen, die meine Berichte aufrufen, sie vielleicht auch durchlesen und kommentieren.

Von mir verfasste Beiträge sind in der Regel keine Kurznachrichten und mögen deshalb manchmal erst einmal verschrecken. Mir geht es darum, das Wissen anzubieten, das ich durch meine aktive Tätigkeit im Bündnis gegen Depression auch denen zur Verfügung stellen kann, die zu Vorträgen nicht kommen können oder möchten.
Daneben ist es für mich wichtig, auf Aspekte aufmerksam zu machen, die nicht in Ordnung scheinen. Manchmal kann es durchaus mal nötig sein, auch Experten an die Hand zu nehmen und zu zeigen, um wen es bei einer Behandlung eigentlich zu gehen hat: Um den Menschen, der ein so wichtiger Experte für sich selbst, für sein Bedürfnis und für sein Befinden ist und deshalb aus genau dem Grund Gehör verdient.

Bedanken möchte ich mich abschließend auch bei denen, die sich mit mir freuen können. Die Vergabe dieser monatlichen Auszeichnung hat mich nämlich durchaus auch nachdenklich gemacht.
Es entstand schon mit Beginn der Ernennung Einzelner die große Sorge, die Redaktion könne mit einer gut gemeinten Würdigung in das gemütliche Nest eines fast kindlich unbeschwertes Hobbys neuen Leistungsdruck einziehen lassen und dadurch Verdruß und Traurigkeit bei denen auslösen, die mit Freude dabei sind und sich nicht wahrgenommen fühlen. Das wäre schade.

Ich finde es deshalb gleichermaßen wichtig, immer auch die Leistung aller anderen Aktiven nicht aus den Augen zu verlieren, von denen sich jeder auf seine Weise und nach seinen Fähigkeiten einbringt.
Ein Beitrag und ein Schnappschuss können immer nur so gut sein, wie der Moment, in dem man über das Ereignis stolpert.
Ich selber freue mich natürlich und möchte allen anderen meine persönliche Anerkennung für ihre Beiträge aussprechen, die den Lokalkompass so bunt und interessant machen. Diese Mischung ist einfach schön.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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