Weihnachtsschmuck am Mangobaum: Masoom Sayed erzählt vom Weihnachtsfest in Indien

„Wir haben nicht so viele Tannen“, sagt Masoom Sayed über sein Heimatland Indien. Daher werden dort stattdessen auch Mangobäume oder Bananenstauden mit Kerzen und Weihnachtskugeln dekoriert und vor den Kirchen aufgestellt. Und in Südindien werden Elefanten weihnachtlich geschmückt, bevor sie traditionell die erste Kerze am Baum entzünden.

„Wo ich her komme, gibt es das aber nicht“, sagt Masoom Sayed über diesen speziellen Brauch, der die Elefanten mit einschließt. Der 65-Jährige stammt aus Jodhpur in Rajasthan. Seit 1979 lebt er in Bochum, wo er als Krankenpfleger arbeitet und sich im Vorstand der Deutsch-Indischen Gesellschaft engagiert.
Weihnachten an sich ist ihm aber alles andere als fremd. Denn auch wenn Indien überwiegend hinduistisch geprägt ist, wird in den Regionen, in denen Christen leben – neben Südindien gilt das vor allem für die großen Städte wie Mumbai, Delhi und Kalkutta – Weihnachten gefeiert. Und zwar religionsübergreifend, wie Masoom Sayed betont.
Er selbst ist als Moslem geboren worden, „aber ich lebe einen Allgemeinglauben“. So schwärmt er zum Beispiel von der römisch-katholischen Kirche in Jodhpur, die mit schönen Steinmetzarbeiten und hohen Holzdecken verziert sei.

Gottesdienst um Mitternacht

In seiner indischen Heimat wird der Heiligabend zunächst genutzt, um die Feierlichkeiten vorzubereiten. Gegen Mitternacht beginnt dann der Gottesdienst. „Dazu kommt die ganze Nachbarschaft zusammen, egal welcher Religion jemand angehört“, so Masoom Sayed. Drei bis vier Stunden dauert der Gottesdienst, bei dem der Gesang im Mittelpunkt steht. „Es ist viel Gospelgesang dabei, nicht wie hier, wo die Lieder immer etwas schwer sind“, ergänzt seine Frau Jutta.
Im Anschluss wünscht man sich frohe Weihnachten, „nimmt sich in den Arm und bittet um Verzeihung, wenn man dem anderen in der Vergangenheit etwas Böses getan hat“, so Masoom Sayed. „Es ist ein sehr freudiger und sozialer Tag. Die Menschen zeigen ihre Liebe und vergessen den Hass.“

Nächstenliebe

Das wird auch am 25. Dezember deutlich. Zwar gibt es Besuche von Familie, Freunden und Nachbarn, und insbesondere die Kinder erhalten Geschenke wie Spielzeug, schöne Kleidung und vor allem Süßigkeiten. Doch zugleich wird die Nächstenliebe nicht vernachlässigt. Wer kann, spendet für Arme, teilt das geschlachtete Lamm mit dem Nachbarn, der sich kein Lamm leisten kann, lädt Waisenkinder ein oder besucht – auch fremde – Kranke, die am Festtag im Krankenhaus liegen. „Mein Vater ist mit mir herum gefahren, und wir haben kleine Spenden als Almosen verteilt, denn an diesem Tag sollte niemand verhungern“, erinnert sich Masoom Sayed an seine Kindheit.
„Es ist ein sehr fröhliches Fest“, sagt Jutta Sayed, die evangelisch ist, über das indische Weihnachten. Sie und ihr Mann sind seit 1984 verheiratet und feiern seitdem zusammen – mit Weihnachtsbaum und Gottesdienstbesuch. Und die Fröhlichkeit des indischen Weihnachtsfests fließe auch in ihre Feier mit ein, so Jutta Sayed. „Meine Mutter war immer sehr irritiert, dass wir nicht andächtig den Weihnachtsbaum anschauen und bei uns keine ernste Stimmung herrscht.“

Viele Besucher

Ebenfalls ein indischer Einfluss sei der Wunsch, viele Leute an den beiden Feiertagen einzuladen, erklärt sie. Am ersten und zweiten Weihnachtstag steht die Wohnung der Sayeds quasi offen. Dann kommen Familienmitglieder und auch indische Freunde, die ebenfalls in Bochum wohnen.
Und wie er es aus seiner Heimat kennt, denkt Masoom Sayed auch an die Nachbarn. „Ich gehe herum, wünsche frohe Weihnachten und bringe einen Teller mit Keksen, die meine Frau gebacken hat, vorbei“, schildert er seine Tradition, mit der er manche Nachbarn verblüfft hat, als er vor vielen Jahren zum allerersten Mal vor ihrer Wohnungstür stand.

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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