Patient erschießt zwei Ärzte: Warum krankheitsbedingte Konflikte eskalieren (können)
Es schockiert nicht nur die Gemeinde Weilerbach in der Pfalz, dass am Montagnachmittag, 05.03.2012 der Patient einer Gemeinschaftspraxis die beiden Ärzte erschoss und sich im Anschluss selbst das Leben nahm.
Auch wenn über das Motiv noch spekuliert wird, sollte eine solche Tat sehr ernst genommen werden. So schlimm sie ganz grundsätzlich ist, kann sie immer auch ein Schlüssel zum Verhältnis und zur Art der Verständigung zwischen dem Behandelnden und dem Patienten sein.
Sofern dieser in einer durch eine niederschmetternde Diagnose oder auch durch Fehlbehandlung erlittenen seelischen Verletzung zu wenig ernst genommen und betreut wird oder sich nicht aufgefangen fühlen kann, wird es potentiell auch tragisch enden können.
In der durch die engen Vorgaben des Gesundheitssystems gekennzeichneten Behandlungslandschaft wird oft übersehen oder muss aus finanziellen Gründen übersehen werden, dass der Kranke keine Maschine ist, die man in die Ecke stellen kann, nachdem man eine Information eingegeben hat. Die Verletzung seelischen Erlebens muss im ärztlich-therapeutischen Miteinander stärker in den Blickpunkt rücken.
Es ist bereits etliche Jahre her, dass von einem Mann auf einen Arzt des Bochumer Augusta-Krankenhauses an der Bergstraße geschossen wurde, dessen Ehefrau nach Behandlung durch den Arzt an Krebs verstorben war. Ob der Täter seinerzeit den möglicherweise ohnehin unvermeidbaren Tod seiner Frau nicht verarbeiten konnte oder eine Fehlbehandlung vermutet hat, die den Tod der Ehefrau verursacht haben könnte, ist nicht in Erinnerung.
Hinter einer solchen Tat steht aber immer eine tiefe Verzweiflung, die aus eigener Kraft nicht mehr an ein alternatives Handeln denken lässt. Der Mensch sucht Entlastung für sein emotional gequältes Inneres und wählt den Notausgang, der in die falsche Richtung führt, ihm jedoch als einzig gangbarer Weg erscheint.
Das ist absolut tragisch und lässt immer wieder erschüttert vor Taten stehen, die den Gesunden und psychisch stabilen Menschen verständnislos den Kopf schütteln und harte Bestrafung fordern lässt, die nicht immer angezeigt sein kann, da sie das durch die Verletzung extrem emotional beeinflusste Erleben nicht erreichen wird und das Gefährdungspotential möglicherweise dadurch sogar noch steigert.
Umso wichtiger ist, die Hintergründe einer Tat zu verstehen und möglichst vorbeugend nach Lösungen zu suchen.
Geht es um Fehlbehandlungen, so ist z.B. durchaus Fakt, dass derjenige, der sich mit dem Verdacht und der daraus erlittenen seelischen und körperlichen Verletzung hilfesuchend und beschwerdeführend an eine Kammer wendet und erleben muss, dass gar nicht reagiert und das Erlittene nicht wahrgenommen wird, zu einer Zeitbombe werden kann.
Er kann unter Umständen seiner inneren Verletzungen und der Demütigung durch Behörden nicht mehr anders Herr werden, als zur Selbsthilfe zu greifen und den Verursacher zu schädigen oder sogar zu töten. Hier muss beiden an einer Behandlung beteiligten Parteien zuliebe dringend Abhilfe geschaffen werden.
Dieser Appell orientiert sich an einem bedrückenden realen Fall, in dem sich eine durch therapeutisches Verhalten im Rahmen einer Psychotherapie traumatisch geschädigte Patientin zügig an die Psychotherapeutenkammer wandte, um Unterstützung zu erhalten.
Sie hatte mit Bekanntwerden immer weiterer schädigender therapeutischer Verfehlungen und erwiesener Verstöße gegen bestehendes Berufsrecht mehrfach Beschwerde eingelegt und dort auch eine Verletzung der Schweigepflicht nach § 203 StGB angezeigt.
Die erste Eingabe erfolgte im Februar 2009. Bis heute, Februar 2012 hat die Angelegenheit kein Aktenzeichen. Im Februar 2010 hatte man der Patientin mitgeteilt, den Verantwortlichen die Angelegenheit noch nicht zur Stellungnahme vorgelegt zu haben. Seit jetzt zwei Jahren hat sie nichts davon gehört.
Auch auf die mehrfache Nachfrage, durch wen eine Therapieschädigung zu dokumentieren und zu bestätigen sei, wurde nie geantwortet. Man ließ die Frau mit der seelischen Verwüstung allein.
Weil sie sich in ihrer tiefen Verletzung von Behördenseite nicht unterstützt fühlen konnte und wegen der erlittenen Belastungsstörung nicht mehr in der Lage war, sich in eine neue Behandlung zu begeben, wandte sie sich zunächst hilfesuchend und schließlich beschwerdeführend an die Behandelnde selbst und an deren verantwortliche Vorgesetzte.
Sie handelte in tiefster Verzweiflung aus dem erlittenen Trauma heraus und hoffte auf gegenseitige Verständigung und auf eine gütlich beilegende Herangehensweise an die schädigenden Ereignisse. Stattdessen wurde sie als Stalker angezeigt und geriet durch die nicht mehr zu bewältigende Gesamtlast mehrfach an den Rand des Selbstmords.
Fassungslos über den weder ethisch noch moralisch vertretbaren Umgang mit einem schwer kranken Menschen, der zuvor von der Behandelnden in einer extremen psychischen Krisensituation vorzeitig aus der Behandlung abgeschoben worden war, fand sie aus dem traumatischen Gefängnis nicht mehr heraus.
Es wäre vermeidbar gewesen, hätte sie sich ernst genommen fühlen können und die nach Berufsordnung vorgeschriebene Unterstützung bei der Suche nach einem alternativen Behandlungsplatz erhalten, die sie aus der Erkrankung und der Schädigung heraus nicht von sich aus leisten konnte. Dass es zu keiner weiteren Eskalation kam und weder der geschädigten Patientin noch der Behandelnden etwas passiert ist, grenzt an ein Wunder.
Der wodurch auch immer schockierte oder tief verletzte Patient, der Aufklärung, Zuwendung und Unterstützung benötigt, muss ernst genommen werden. Die Kammern sind gesetzlich verpflichtet, angezeigten Verstößen nachzugehen. Die Verletzung der Schweigepflicht ist eine schwere Straftat gegen den Patienten. Bringt sie ihn in größte seelische Bedrängnis und in Lebensgefahr, darf sie nicht einfach übergangen werden.
Hier nicht zu reagieren, den Beschwerdeführer einfach zu ignorieren und dem Beklagten die Approbation zu erteilen, ist Beihilfe zu einer daraus möglicherweise resultierenden Straftat des Patienten, wenn sich dieser in seiner Not irgendwann nicht mehr zu steuern weiß.
Im vorliegenden Fall hatte sich die Beschwerdeführung u.a. gegen eine Ausbildungsstätte für Psychologische Psychotherapeuten gerichtet, in der die Behandlung stattgefunden hatte, ohne dass der Patientin bekannt werden konnte oder bekannt gegeben wurde, dass sie eine Ausbildungstherapie in Anspruch nehmen und Ausbildungsklientin sein würde. Eine Behandlung zu Ausbildungszwecken bringt Besonderheiten mit sich, die dem Patienten bekannt sein müssen, damit er wirksam entscheiden kann, ob er sich darauf einlassen möchte oder nicht.
Es steht zu vermuten, dass man die Angelegenheit von offizieller Seite versickern lässt, um das Ansehen der Ausbildungsstätte nicht zu beschädigen, deren offenkundiges Verstecken der Ausbildungssituation die Patientin neben weiteren fragwürdigen Vorgehensweisen als hochgradig unseriös erfahren hat.
In Bezug auf die Wahrnehmung der seelischen Verletzbarkeit des Menschen und die daraus resultierenden Folgen ist, egal von welcher Seite, immer Achtsamkeit notwendig. Ein Patient muss sich in einer Behandlung sicher aufgehoben und menschlich betreut fühlen können, auch wenn es kritisch wird. Wenn etwas schief geht, braucht er Unterstützung, auf die er sich verlassen kann. Es ist dringend erforderlich, dass sich hier etwas ändert. Ob sich die Lage mit dem neuen Patientenrechtsgesetz entspannen kann, darauf darf man noch gespannt sein.
Autor:Sabine Schemmann aus Bochum |
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