Nach Flucht beruflich Fuß fassen: Iraner (38) macht Praktikum bei der GLS Bank

Vor vier Jahren kam Alex Ayoubi nach Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Jetzt macht der 38-jährige Iraner ein bezahltes Praktikum bei der GLS Bank.
  • Vor vier Jahren kam Alex Ayoubi nach Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Jetzt macht der 38-jährige Iraner ein bezahltes Praktikum bei der GLS Bank.
  • hochgeladen von Vera Demuth

Halbzeit hat Alex Ayoubi bei der GLS Bank. Seit Mai macht der 38-jährige Iraner dort ein elfmonatiges bezahltes Praktikum. Er freut sich über die Chance, beruflich Fuß zu fassen, denn 2012 floh er mit seiner Familie aus dem Iran und kam nach Deutschland, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen.

Bis zu dem Praktikum bei der GLS Bank war es jedoch ein weiter Weg. „22 Monate lang habe ich in Asylheimen gelebt“, erzählt Ayoubi. So lange wartete er darauf, dass sein Antrag auf Asyl vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) genehmigt wurde. Während dieser Zeit konnte er weder einen Sprachkurs besuchen noch eine Arbeit aufnehmen – eine Praxis, die mittlerweile geändert wurde, so dass Flüchtlingen leichteren Zugang zu Angeboten haben.
„Ich habe viel versucht, bei der Volkshochschule, dem Lernstudio Bochum, bei Akafö und AStA, aber nichts hat geklappt“, schildert der 38-Jährige seine Anstrengungen, Deutsch zu lernen. Schließlich begann er, es sich mit Hilfe des Internets und Büchern aus der Stadtbücherei selbst beizubringen. Erst ab Herbst 2014 konnte er schließlich einen Kurs besuchen.

Bankkaufmann in Teheran

Zudem nahm Alex Ayoubi ab März 2015 an dem Theater- und Qualifizierungsprojekt JobAct Sprachkultur teil, das vom Jobcenter finanziert wird. Über das Projekt kam der Kontakt zur GLS Bank zustande, denn da der Iraner in seiner Heimatstadt Teheran bereits rund zehn Jahre als Bankkaufmann gearbeitet hatte, wollte er auch in Deutschland wieder in diesem Bereich tätig sein. „Wir haben eine Anfrage wegen eines dreimonatigen Praktikums gestellt“, erläutert Stefanie Malcherek, Migrationsbeauftragte des Jobcenters.
Das war der GLS Bank aber zu kurz, schon allein wegen der Fachsprache, die sich Alex Ayoubi aneignen muss. Sie bot ihm daher stattdessen einen Platz für elf Monate an. „Es war uns wichtig, uns dem Thema zu nähern“, sagt Kristin Send-Bojahr von der Mitarbeiterentwicklung der GLS Bank zu dem Engagement des Unternehmens. „Es gibt viele Mitarbeiter, die sich auch privat für Flüchtlinge einsetzen.“ Ohne Vorlauf war die Einstellung Ayoubis aber nicht möglich. Zuvor wurde geklärt, „ob wir uns zutrauen, in den kleinen Teams diese Integrationsleistung zu erbringen“, so Send-Bojahr.
Seit Mai arbeitet Alex Ayoubi nun in der Kreditabteilung. „Er macht nachgelagerte Arbeiten“, erläutert Teamleiterin Stephanie Klüter, was den 38-Jährigen aber nicht anficht. „Ich habe viel gelernt: den gesamten Kreditablauf von Anfang bis Ende“, berichtet er und lobt seine Kollegen, die ihn immer unterstützen.

Mentalitätsunterschiede

Denn am Anfang sei es für ihn nicht einfach gewesen. Auch mit der deutschen Mentalität hatte er zu kämpfen. Dabei seien die Kulturunterschiede durchaus auf lustige Art und Weise zutage getreten, ergänzt Klüter und erzählt, dass Ayoubi immer für alle Frauen die Türen aufgehalten habe, was man „als deutsche selbstbewusste Frau“ gar nicht mehr erwarte. „Man merkt schon an so kleinen Dingen, wie schwierig es ist, in einem Land anzukommen“, so Klüter.
Während der zweiten Hälfte wird Ayoubi in dem Bereich eingesetzt, in dem Kunden ihre Konten eröffnen, bevor sein Praktikum am 30. März 2017 endet. Dann läuft auch der Asylstatus des 38-Jährigen aus, und es entscheidet sich, ob er um ein weiteres Jahr verlängert wird oder ob Ayoubi eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhält.

"Kleine Vorzeigegeschichte"

„Man muss ehrlich sagen, dass die Geschichte von Alex Ayoubi eine kleine Vorzeigegeschichte ist“, sagt Stefanie Malcherek. Denn zwei Drittel der Flüchtlinge hätten entweder keine nennenswerten Qualifikationen oder könnten sie nicht nachweisen. Außerdem seien die Sprachbarrieren sehr groß. Von einem Zeitraum von fünf Jahren geht man beim Jobcenter aus, bis ein Flüchtling eine Arbeit aufnehmen kann, wenn er sowohl Deutsch erlernen als auch eine berufliche Qualifikation erwerben muss.
Aktuell betreut das Jobcenter 4.500 Flüchtlinge. Bis Ende des vergangenen Jahres waren es 2.000; seit der Inbetriebnahme des „Integration Points“ Anfang 2016 kamen 2.500 Flüchtlinge hinzu. Bis Ende dieses Jahres rechnet man bis insgesamt 6.000 Flüchtlingen, davon 4.000 im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Seit Anfang 2016 konnten acht Flüchtlinge in Arbeit vermittelt werden.

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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