Können wir auf Kirchen verzichten? - EKD-Theologe stellt in der Vinzentiuskirche provokante Fragen
Dieser Predigt wohnte ein Zauber inne: In Anlehnung an die berühmte Gedichtzeile von Hermann Hesse „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ predigte der evangelische Theologe Dr.Thies Gundlach in der evangelischen St.Vinzentius-Kirche in Bochum im Rahmen der Reihe „Mit Herzen, Mund und Händen. Ökumene jetzt“.
Aus Hannover war der Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland und Leiter der Abteilung „Kirchliche Handlungsfelder“ weit angereist, um zum neuen Papst, zur Ökumene und zu den zweifelnden Protestanten Stellung zu beziehen.
Gundlach nahm das Zitat wörtlich und verzauberte die zahlreich erschienen Zuhörer gleich zu Anfang mit einer fiktiven Rede des neuen Papstes Franziskus. „Liebe Brüder und Schwestern in Christus, wir wollen die Spaltung unserer heiligen Kirche im Westen aufheben.“ So lautete der erste Satz. Gundlach lud in seiner Predigt dazu ein, sich vorzustellen, Franziskus mache der evangelischen Kirche ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann: Eine versöhnte Verschiedenheit auf Augenhöhe. Damit beide Kirchen gemeinsam gegen Ungerechtigkeit, Friedlosigkeit und Armut in der Welt kämpfen können.
Eine solche Ökumene bedarf aber laut Gundlach nicht nur einer äußeren Form, sondern vor allem innerer Substanz. Er stellte der Gemeinde Fragen ohne direkte Antworten darauf zu geben. „Ist unser reformatorischer Auftrag abgearbeitet? Haben wir nach 500 Jahren die theologische Erlaubnis in die eine große Kirche zurückzukehren?“ Auch wenn der Vizepräsident der EKD die rhetorischen Fragen offen ließ, so konnte man in den Gesichtern der vielen Gottesdienstbesucher in der voll besetzten St. Vinzentius-Kirche doch sehen, dass sich in ihnen etwas regte – wenn auch in unterschiedlicher Weise.
Immer wieder nahm Dr. Thies Gundlach Bezug auf das Gedicht des bekannten Poeten. „Der Weltgeist will uns fesseln uns und engen, Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten“, so lautet es bei Hermann Hesse. Gundlach leitete mit dieser Strophe ein Hohelied ein. Nicht etwa das Hohelied der Liebe, sondern sein eigenes Hohelied und zwar auf den typischen Protestanten. Gottes Geist habe, so Gundlach, die Protestanten Stuf‘ um Stufe stark gemacht im Zweifeln. Dass am Anfang der Reformation die Frage steht, wie man einen gnädigen Gott bekommt, ist für ihn kein Zufall. „Wir Protestanten sind gut im Fragen, wir sind auch gut im Zweifeln und in der Kritik.“ Besonders bei dieser selbstironischen, aber ehrlichen Sichtweise konnte sich manch einer ein Lachen nicht verkneifen.
Nicht weniger spannend war das anschließende Zusammenkommen im Gemeindehaus bei Kaffee und Gebäck. Auf hohem theologischen Niveau gab es Statements, Fragen und Diskussionen. Oftmals erhielten die engagierten Sprecher Beifall und auch die Meinungsverschiedenheiten waren für alle Anwesenden eine große Bereicherung. Auf die zentralen Fragen des Vizepräsidenten der EKD nach der Sinnhaftigkeit getrennter Kirchen hatten die Besucher ganz unterschiedliche Antworten bereit. Viele bedankten sich beim Vizepräsidenten für eine tolle, humorvolle, aber auch ernste und inhaltlich ehrliche Predigt.
Am Ende bekam der Gast als Erinnerung noch einen Stein aus dem alten Turm der St. Vinzentius-Kirche. Trotz mancher Bedenken in Bezug auf denkbare Formen der Ökumene: am Ende gilt auch für Dr. Thies Gundlach der ökumenische Grundsatz: Alleine sind wir nicht vollständig.
VON VIVIANE HARKORT
Autor:Andrea Schröder aus Bochum |
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