„Klassisches Wohlstandsproblem“ - Ein Gespräch zum heutigen Weltherztag mit Dr. Oliver Klein-Wiele
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind heute schon die zweithäufigste Todesursache weltweit – Tendenz steigend. Der Stadtspiegel sprach anlässlich des heutigen weltweit stattfindenden Herztages mit dem Leiter der Kardiologie am Bochumer Grönemeyer Institut.
Dr. med. Oliver Klein-Wiele leitet die Kardiologie am Grönemeyer Institut, Universitätsstraße 142. Prävention, Diagnostik und Verlaufskontrolle von Herz-Kreislauferkrankungen stehen im Mittelpunkt der Arbeit.
Stadtspiegel Bochum: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet damit, dass bis 2015 Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit die häufigste Todesursache sein werden. Was ist die Ursache für diesen Trend?
Dr. med. Oliver Klein-Wiele: Hauptursache ist hier die Zunahme der Arteriosklerose, also der Verkalkung der Arterien. Ein klassisches „Wohlstandsproblem“. Immer mehr Gesellschaften erreichen einen höheren Lebensstandard, oft mit dem Resultat, dass sich die Ernährungsgewohnheiten ändern: Viel zu viele Kalorien oft in Form von Süßigkeiten; zu viel Fett und Fleisch. Gleichzeitig nimmt die Bewegung dramatisch ab. Als Kardiologe und Sportmediziner sehe ich diesen Trend in meiner täglichen Arbeit. Um das einmal zu verdeutlichen: Vor 100 Jahren legte ein Deutscher noch 20 Kilometer täglich zu Fuß zurück, 1950 waren es zehn, und heute nur noch 700 Meter. Gleichzeitig hat in den letzten zehn Jahren die Anzahl der Gelegenheitssportler in Deutschland um ein Drittel abgenommen.
Dieses Problem ist ja vielen bekannt – warum ändert sich trotz Gesundheitsaufklärung nichts?
Viele Menschen trauen sich eine Änderung des Lebensstils aus eigener Kraft nicht zu. Hier ist der Arzt der ideale Partner. Meine Erfahrung ist, dass es sehr oft gelingt, durch eine klare Analyse des Gesundheitszustands und der Risiken, einer soliden Leistungsdiagnostik und Trainingsplanung und vor allem durch eine regelmäßige Betreuung und Erfolgskontrolle Menschen wirklich viel gesünder zu machen. Oftmals auch ohne Tabletten.
Was sind typische Zeichen eines Herzinfarktes und wie sollte man sich im Falle von akuten Beschwerden verhalten?
Die klassischen Symptome einer Kranzgefäßverengung und eines Infarktes sind ein Druck oder Brennen hinter dem Brustbein, Ausstrahlen der Beschwerden in den Kiefer, Rücken oder Bauch, Atemnot, Kaltschweißigkeit. Wenn solche Beschwerden akut auftreten, sollte man keine Zeit verlieren und sofort den Notarzt rufen. Jede Minute kann dann zählen. Meine Erfahrung als interventioneller Kardiologe und Intensivmediziner ist, dass immer noch viel zu lange gewartet wird vor dem entscheidenden Anruf bei der Feuerwehr. Je früher der Patient im Krankenhaus ist, umso größer sind die Chancen den Infarkt ohne große Schäden zu überstehen.
Ist der Herzinfarkt „Männersache“?
Nein. Bei entsprechenden Risikofaktoren ist das Infarktrisiko bei Frauen genauso hoch. Und leider kommen Frauen oft erst, wenn es schon zu spät ist, da ihre Beschwerden oft nicht ernstgenommen werden und häufig auch untypisch sind.
Wie schützt man sich vor Herzkrankheiten?
Risikofaktoren erkennen und das ändern, was man ändern kann! Ein Rauchstopp bei einem 40-Jährigen bringt fast zehn Lebensjahre; nur 20 Minuten Sport am Tag schon drei. Die kardiologische Diagnostik und Therapie hat die Prognose von Herzpatienten dramatisch verbessert, nur leider sind zu viele Risikopatienten nicht in ärztlicher Behandlung. Meist, weil sie ihr Risiko nicht kennen. Die wichtigsten Risikofaktoren sind: Rauchen, Diabetes, Cholesterinerhöhung, Bluthochdruck, familiäre Disposition und Übergewicht.
Braucht also jeder einen „Herzcheck“?
Bei einem erhöhten Risiko oder Beschwerden – ja, definitiv.
Wie sieht so eine Untersuchung aus?
Das ist individuell verschieden. Oft reichen einfache Tests aus wie etwa ein Belastungs-EKG oder Herz-ultraschall. Bei höherem Risiko, unklaren Beschwerden oder diskrepanten Befunden muss man oft einen Schritt weitergehen.
Das heißt dann ist immer ein Herzkatheter notwendig?
Nein. Jeden dieser Patienten direkt zum Katheter zu schicken ist sicher nicht mehr zeitgemäß. Wir können durch konsequente Nutzung der nichtinvasiven Verfahren die Zahl überflüssiger Herzkatheter um bis zu 70 Prozent reduzieren. Falls bei meinen Patienten dann doch ein Katheter notwendig wird, kann ich wesentlich zielgerichteter vorgehen. Denn im Gröenemyer Institut sind wir in der glücklichen Lage den Patienten eine exzellente CT-Diagnostik anbieten zu können. Die Bildqualität ist überragend, da wir ein 320-Zeilen-CT der neuesten Generation nutzen können. Das gesamte Herz wird hier in nicht mal einer Sekunde gescannt. Auch im MRT haben wir einen großen Vorteil: Der halboffene Tomograph ist auch für Übergewichtige und Menschen mit Platzangst geeignet.
Weitere Informationen finden sich auch auf www.groenemeyer-institut.com.
Autor:Harald Gerhäußer aus Bochum |
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