Geschichte meiner Enkelin

Meine Enkelin Stacy – Erfahrungen mit Pflegeeltern und Jugendamt

Heute muss ich meinem Herzen einmal richtig Luft machen. Und da ich z. Z. Nicht wirklich einen Anprechpartner habe, schreibe ich meine Geschichte nieder und wende mich an Euch, liebe Leser, vom Lokalkompass Bochum.

Meine Enkelin wurde am 26.03.2008 in Düren geboren. Meine Tochter ist psychisch krank und hat die Schwangerschaft verheimlicht. Ihr glaubt, dass funktioniert nicht. Das habe ich bis zur Geburt auch gedacht. Aber glaubt mir, es geht. Sie hat während der Schwangerschaft weite Sachen getragen und sich so hingesetzt, dass man nicht ihre Figur sieht. Aber als dann die Wehen einsetzten, rief ihr Freund mich an und teilte mir mit, dass ich Oma werde. Als ich denn fragte, wann es denn soweit sei, fiel ich aus allen Wolken.

Mir war sofort klar, dass das Kind nicht bei meiner Tochter bleiben kann. Und so entschieden wir uns erst einmal für Pflegeeltern, denn mein Mann und ich waren gerade erst ins Ruhrgebiet gezogen und bauten uns ein neues Leben auf. Es ist bitter, dass ich das schreibe, aber damals war ich in einer Art Schockzustand, zumal sich kurz vorher meine Schwägerin das Leben genommen hatte. Ich war nicht auf einen Säugling vorbereitet. Hätte ich damals geahnt, welchen Kampf es um das Kind gibt, ich hätte sie sofort genommen. Aber im Nachhinein ist man immer klüger.

Die Kleine kam also dann zu einer wohlhabenden Familie, wo sich später herausstellte, dass sie Baptisten sind. Als Stacy ca. Ein halbes Jahr in dieser Familie war, habe ich beim Jugendamt den Antrag gestellt, dass das Kind in die Herkunftsfamilie zurückgeführt wird. Dieser Antrag wurde praktisch vom Tisch gefegt mit der Begründung der Kindswohlgefährdung.

Ich werde nicht den ganzen Weg bis heute erzählen. Nur soviel sei gesagt, dass wir vor Gericht verloren haben, dass ich seitdem den Begriff "Adoptionspflege" kenne, dass ich wieder einmal erfahren musste, dass Rechte in diesem Land nichts gelten und dass wir als Arbeiterfamilie nichts gegen diese Doktorandenfamilie entgegenzusetzen hatten, obwohl meine Tochter nach wie vor das Sorgerecht und auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat. Trotzdem wurde entschieden, dass das Kind in dieser Familie bleibt. Zu erwähnen sei noch, dass diese Leute sich natürlich den besten Anwalt leisten konnten. Sie haben um ein Kind gekämpft, dass sie weder geboren noch adoptiert haben.

Nun habe ich darum gekämpft, dass ich meine Enkelin regelmäßig sehe. Ich habe mich nach den Terminen der Pflegeeltern zu richten. Die ersten Jahre fanden die Treffen in der Diakonie unter Aufsicht statt, denn die Diakonie ist der Vermittler zwischen Herkunfts- und Pflegefamilie. Und denen ist daran gelegen, dass die Herkunftsfamilie das Kind am besten gar nicht sieht. Kann man einen Termin nicht wahr nehmen, so wird dieser ersatzlos gestrichen. Die leibliche Familie darf das Kind alle zwei Monate für eine Stunde sehen. Aber ich war immer vor der Zeit da und habe mich während des Besuchkontakts intensiv um Stacy gekümmert. Einmal wurde ich dann von der Dame von der Diakonie gefragt, ob ich denn beruflich mit Kindern zu tuen hätte, so wie ich mich der Kleinen beschäftige. Ich arbeite im Büro und nehme die Kinder so, wie sie sind.

Nun hat sich das Verhältnis über die Jahre hinweg gefestigt. Im Januar haben die Pflegemutter und ich einen Schulranzen für Stacy gekauft, denn sie ist im August eingeschult worden. Das war der erste Kontakt ohne Begleitung und wir hatten einen wirklich sehr schönen Nachmittag, der weit über die sonst üblichen zwei Stunden hinausging. Und bei der Einschulung war ich dann das erste Mal bei denen zu Hause. Meine Enkelin hatte sich schon sehr lange gewünscht, dass ich sie zu Hause besuche und hat immer wieder alles durchgeplant. Und mir hat das Herz geblutet, weil ich ja nicht durfte. Ich habe den Pflegeeltern dann auch das Du angeboten und ihnen klar zu verstehen gegeben, dass mir das Wohl des Kindes sehr am Herzen liegt.
Dass es der Kleinen gut geht, dass ist das Wichtigste.Nun war gestern wieder Besuchskontakt. Meistens ist die Pflegemutter dabei, aber gestern traf ich mich mit dem Pflegevater. Ihr müsst bedenken, dass ich dann jedesmal früher von der Arbeit weg muss, weil ich ja nach Düren fahre. Und bisher war ich ihr Stacys "richtige" Oma, und nun bin die Oma Hedi. Ein tolles Gefühl. Wäre da nicht der Wermutstropfen. Stacy möchte mich öfter sehen und vermisst mich wohl sehr. Da muss ich noch dran arbeiten.

Ich habe im August den Wunsch geäußert, dass ich mehr über die Baptisten erfahren möchte, weil ich wissen will, wie mein Enkelchen aufwächst. Und gestern hat mir der Pflegeeltern einiges erzählt. Und wo ich mich ganz schwer mit tue, es diesen Leuten aber nicht sagen kann ist folgendes: Sie berufen sich auf das neue Testament, sprechen von der Liebe Gottes, der die Verfehlungen des Menschen auf sich lädt und dem Sündiger damit eine neue Chance zu einem besseren Leben gibt. Der Pfelgevater spricht von christlicher Nächstenliebe. Und gleichzeitig wird mir mein Enkelkind vorenthalten. Ich darf sie nicht sehen, wann ich will oder wann Stacy will. Ich habe keinerlei Einfluss auf ihre Erziehung. Immer aus der Angst heraus, mir wird der Besuchskontakt verwehrt. Und dass kann ich nicht verstehen. Erschwerend für meine jetzige Situation kommt noch hinzu, dass ich heute auf der Arbeit mit meiner Kollegin über dieses Thema gesprochen habe und sie mir an den Kopf knallt, ich solle doch erst einmal selbst mit der Nächstenliebe anfangen.

Hier geschieht ein sehr großes Unrecht in diesem Lande, denn es ist mittlerweile an der Tagesordnung, dass man armen und hilflosen Familien die Kinder entzieht. Aber immer heisst es: Die armen Pflegeeltern, die böse Herkunftsfamilie will ihre Kinder wieder haben. Dass geht doch nicht. Wissen wir denn nicht, was wir diesen armen Leuten antuen. Was wird den leiblichen Familien und Kindern denn angetan. Da heisst es dann: Das Jugendamt wird schon wissen, was es da tut. Und dieses Denken der Leute, dieses nicht Zuhören, dieses Vorurteilen, bringt mich einfach nur noch zur Verzweiflung.

Vielleicht liest ja jemand diese Zeilen und gibt mir einen Kommentar, der mich vielleicht etwas tröstet oder kennt jemanden, mit dem man sich mal austauschen kann. Denn nur Menschen, die das gleiche Erleben wie ich, können verstehen, wie hilflos man dieser Situation ausgesetzt ist und alles tut, um sein Kind oder Enkelkind zu sehen und gezwungen ist, die Füße still zu halten.

In diesem Sinne

Eure Hedi

Autor:

Hedwig Alpert aus Bochum

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