Eine Sensation: Ursaurierspuren in Bochum entdeckt – 316 Millionen Jahre alt
Vielleicht hatte Ichniotherium praesidentis Hunger und Durst und graste deshalb am Rand des großen Flusses, der die Steinkohlenmoore des heutigen Ruhrgebietes durchzog. Das etwa hausschweingroße Tier trank, setzte seine Hand und seinen Fuß in den Morast. Das war vor 316 Millionen Jahren – dort, wo heute Bochum ist. Was aus dem Tier geworden ist, wissen wir nicht. Aber der Hand- und Fußabdruck wurden konserviert. Bis heute. Und jetzt entdeckt – eine geologische Sensation.
Mehrere vollständige, je rund 20 Zentimeter lange Abdrücke vom Fuß und der Hand hat der Ursaurier hinterlassen. „Es ist eine große wissenschaftliche Überraschung.“ Begeistert bestätigt Dr. Sebastian Voigt, Leiter des Urweltmuseums GEOSKOP in Thallichtenberg (Pfalz) und der deutschlandweit beste Kenner derartiger Fährten, den sensationellen Fund. „Es handelt sich dabei um die älteste Wirbeltierfährte in Deutschland, die je gefunden wurde.“ Das Ichniotherium praesidentis gilt als Bindeglied zwischen Amphibien und Reptilien und damit auch als unmittelbarer Vorläufer aller höheren Landwirbeltiere wie Dinosaurier und Kriechtiere, aber auch der Vögel und Säugetiere. Der Bochumer Ursaurier dürfte nur etwas kleiner als ein Hausschwein gewesen sein.
Wie die genauere Untersuchung der Fundschicht ergab, handelt es sich bei dem Gestein im Steinbruch um den sogenannten „Finefrau-Sandstein“, Ablagerungen eines großen Flusses, der vor etwa 316 Millionen Jahren die Steinkohlenmoore des heutigen Ruhrgebiets durchströmte. Der Bochumer Ursaurier, der im Vergleich zum Neandertaler, unserem vor gerade erst 30.000 Jahren ausgestorbenen Verwandten, deutlich älter ist, hinterließ seine Hand- und Fußabdrücke wohl am feuchten Flussufer oder auf einer Sandbank im Fluss.
Es handelt sich bei der neu entdeckten Spur um die älteste Wirbeltierfährte in Deutschland überhaupt; die anderen Funde aus dem Ruhrkarbon, die dem rund eine Million Jahre jüngeren „Plaßhofsbank-Horizont“ oder der noch jüngeren Bochum-Formation angehören und auch alle übrigen Fährten-Funde in Deutschland sind deutlich jünger. Nicht nur wegen der Seltenheit derartiger Funde, sondern auch dadurch, dass sich die Fährtenplatte noch im ursprün glichen Gesteinsverband befand, ist der Fund von sehr großer wissenschaftlicher Bedeutung. Unter Koordinierung des Geologischen Dienstes NRW in Krefeld sind detaillierte Untersuchungen der Fundstelle unter fachlicher Begleitung durch das LWL-Museum für Naturkunde in Münster, der auch für die Sicherung und Bergung des Fundes verantwortlich ist, begonnen
worden.
Entdeckt hat den Saurier die Familie Hoffmann aus Dortmund. Angeregt durch ein Wanderbuch des GeoParks Ruhrgebiet inspizierte sie im Oktober letzten Jahres alte Steinbrüche in Bochum. Dabei fielen ihr eigenartige Strukturen im karbonzeitlichen Sandstein auf, die sie an Fußabdrücke eines Reptils erinnerten. Erstaunlicherweise waren die Abdrücke bisher nicht entdeckt worden, führt doch auch die GeoRoute Ruhr direkt am Fundort entlang. Sven Hoffmann meldete diesen Fund dem Geologischen Dienst NRW, der die Abdrücke gemeinsam mit Dr. Sebastian Voigt untersuchte.
Fährten von Vierfüßern aus der Karbon-Zeit sind äußerst selten. Im gesamten Ruhrgebiet wurden bislang erst drei Funde gemacht: 1923 auf der Zeche „Präsident“ in Bochum, 1951 auf der Zeche „General Blumenthal“ in Recklinghausen und 1957 auf der Zeche „Erin“ in Castrop-Rauxel. Weitere Funde gibt es aus dem Saarland, dem Zwickauer Karbon in Sachsen, aus Großbritannien und Nordamerika.
Die Eintragung als Bodendenkmal hat die Untere Denkmalbehörde der Stadt Bochum, die auch Eigentümerin des Grundstücks ist, bereits im Februar vorgenommen. „Schön, wenn die lange Geschichte des Ruhrgebietes weit vor Kohleabbau und Stahlproduktion so anschaulich dokumentiert werden kann“, freut sich deren Leiter Wolfgang Otto.
Die Platte mit den Fährtenabdrücken lässt sich aber nicht an Ort und Stelle dauerhaft erhalten. Über den GeoPark Ruhrgebiet konnte ein Fachunternehmen aus Ennepetal gewonnen werden, das die Funde am Montag, 17. Juni, bergen wird.
Die Platte wird danach im LWL-Museum für Naturkunde in Münster präpariert und dann wissenschaftlich weiter untersucht. Ihren endgültigen Standort wird sie im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum bekommen, wo sie zusammen mit den älteren Funden dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll.
Autor:Ernst-Ulrich Roth aus Bochum |
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