Datenschutz-Verletzung: Krankenkasse verschickt falsche Patientendaten
Weil sie im Rahmen einer eingereichten Arzthaftungsklage auf gerichtlichen Beschluss gehalten war, sämtliche Unterlagen erfolgter Nachbehandlungen vorzulegen,
sich der Rücklauf jedoch zäh gestaltete, hatte die Klägerin als geschädigte Patientin vorsichtshalber auch ihre Krankenkasse angeschrieben.
Der nicht unbegründete Verdacht, dass entscheidende Notfallgespräche seitens Nachbehandelnder eventuell nicht dokumentiert worden sein könnten bzw. deren Dokumentation für nicht existent erklärt werden würde,
hatte sie dazu veranlasst, auch dort parallel um Bestätigung der Abrechnung erfolgter Leistungen zu bitten.
Die Krankenkasse reagierte freundlich, bedankte sich innerhalb weniger Tage für die Anfrage, erklärte, die Anforderung der gewünschten Abrechnungsdaten nehme noch etwas Zeit in Anspruch und informierte, der Patient könne vom Arzt oder Zahnarzt auch direkt eine Patientenquittung über die in Anspruch genommenen Leistungen ausstellen lassen – entweder als Tagesquittung direkt am Behandlungstag oder quartalsweise rückwirkend für eine Gebühr von 1,- € vier Wochen nach Quartalsende. Ein Hinweis, für den sie dankbar war, weil sie die Möglichkeit bislang nicht kannte.
Nur 3 Wochen nach der Anfrage erhielt die Patientin ihre Patientenquittung kostenfrei von der Krankenkasse zugestellt. Als sie den Umschlag öffnete und sich Zeit nahm, die vielen Datenblätter ausführlich durchzusehen und mit ihren Arztbesuchen abzugleichen, staunte sie nicht schlecht.
Der Diagnoseschlüssel F 45 „Störung, bei der sich ein seelischer Konflikt durch körperliche Beschwerden äußert – Somatoforme Störung“ und gelistete psychotherapeutische Gespräche kamen ihr im Hinblick auf die Klage zwar sehr entgegen; allerdings irritierten die Adressdaten der abrechnenden Ärzte aus dem süddeutschen Raum ebenso, wie ein bescheinigter operativer Eingriff an der Haut, eine Bindehautentzündung des Auges, eine Krankheit der Harnblase, vor allem aber die fruchtbarkeitsfördernden Maßnahmen, an die sie sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, da sie mit der eigenen Familienplanung längst abgeschlossen hatte.
Bei intensiver Durchsicht der irritierenden Datenblätter fiel der Blick auf Seite 13 der insgesamt 23 fortlaufend nummerierten Seiten eher zufällig auf eine vom Schriftbild her gleich große Überschrift und ließ über einen ihr fremden Namen stutzen.
Auch wenn er fatalerweise bis auf einen fehlenden Buchstaben ausgerechnet mit dem Nachnamen der von ihr beklagten Behandelnden identisch war, der sie seit der Schädigung fast überall verfolgte, das da war eindeutig nicht sie selbst.
Diese in Gestalt verschiedener Diagnoseschlüssel, Kurzbeschreibungen, Gebührenpositionen und Honorarkosten vor ihren Augen ausgebreitet liegende Frau war durch die gemeinsame Krankenkasse auf einen falschen Weg gebracht worden. Versehentlich angehängt an angeforderte medizinische Abrechnungsdaten lag sie jetzt, psychisch krank, wie sie offenkundig ohnehin schon war, in Bochum auf einem falschen, völlig fremden Schreibtisch.
Nur der Gründlichkeit der Klägerin, die ihr jeweils ausgehändigten Unterlagen vor einer Weitergabe an Anwalt, Landgericht und Gutachter selber kritisch auf Wahrheitsgehalt und Vollständigkeit durchzusehen, war es zu verdanken, dass die Daten nicht an weitere Dritte gelangten.
Eine mögliche Erklärung für den falschen Vorgang: die ersten vier Zahlen der zehnstelligen Mitgliedsnummer sind identisch, die Frau aus dem süddeutschen Raum hat am selben Tag Geburtstag wie die Klägerin, auch wenn sie 15 Jahre später geboren worden ist. Dennoch bleibt die Frage offen, wie zwei Patienten in einen zusammenhängend ausgeführten Druckvorgang geraten können, so dass eine von 1-23 durchnummerierte gemeinsame Datei entstehen konnte.
Der vorliegend erschreckende Umgang mit sensiblen Daten ist nur einer von vielen kleinen und großen Pannen, skandalösen Ereignissen und verletzenden Haltungen Behandelnder, die die geschädigte Patientin in den vergangenen Jahren erleben musste. Dennoch sollte ausgerechnet das einer Krankenkasse nicht passieren.
Und noch ein weiterer Negativ-Aspekt reiht sich in die Abgründe, in die die Patientin im Rahmen ihrer Arzthaftungsklage aktuell noch immer blickt:
Zivilrechtliche Ansprüche an den Schädiger verjähren drei Jahre nach Kenntnis des Umstands, der die Ansprüche begründet.
Eine rückwirkend ausgestellte Patientenquittung der Krankenkassen umfasst hingegen immer nur den gesetzlichen Rahmen von maximal 18 Monaten.
Wer das nicht weiß und auf die Angaben der Kasse angewiesen ist bzw. auf sie baute, weil Ärzte und Therapeuten Dokumentationen zu wichtigen Behandlungsterminen für nicht existent erklären, hat im Rahmen der Beweisführung schlechte Karten, wenn er nicht belegen kann, dass er aufgrund der Schädigung tatsächlich behandelt worden ist – es sei denn, dass gerade eine fehlende Dokumentation des Beklagten selbst zu einer Umkehr der Beweislast führen kann.
Autor:Sabine Schemmann aus Bochum |
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