VfL Bochum-Keeper Manuel Riemann im Exklusiv-Interview
"Wir haben Bock auf die Bundesliga"

Lautstarker Führungsspieler und herausragender Torhüter: Manuel Riemann hatte maßgeblichen Anteil am Aufstieg des VfL Bochum.  | Foto: Stephan Schütze
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  • Lautstarker Führungsspieler und herausragender Torhüter: Manuel Riemann hatte maßgeblichen Anteil am Aufstieg des VfL Bochum.
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Lautstark auf dem Platz, meinungsstark auch abseits des Rasens - Manuel Riemann zählt beim VfL Bochum zweifellos zu den Führungsspielern. Im Exklusiv-Interview mit dem Stadtspiegel spricht der Torhüter vor seiner Bundesliga-Premiere über Anspannung und Ehrfurcht, eine eklige Spielweise und kritische Fans.

Von Dietmar Nolte

Manuel Riemann, Sie sind ein erfahrener Profi – ist die Vorfreude und Anspannung vor dem ersten Spiel in der Ersten Liga trotzdem noch einmal etwas anders als in den letzten Jahren?
Manuel Riemann: Ist die Anspannung größer als in der Zweiten Liga? Nein. Ist die Vorfreude größer? Ja, weil man sich in der Bundesliga mit den Besten der Besten messen kann. Dementsprechend freue ich mich darauf.

Sie haben davon gesprochen, der VfL müsse in der Ersten Liga zwar demütig auftreten, sich aber nicht kleiner machen, als er ist – was meinen Sie damit?
Der Unterschied im Etat oder Budget ist schon groß, im Vergleich zu den anderen Teams dort. Bis auf Greuther Fürth haben alle anderen zum Teil erheblich mehr Geld zur Verfügung. Es ist legitim, darauf hinzuweisen, aber es darf nicht dazu führen, vor Ehrfurcht zu erstarren oder nur den Blick darauf zu richten. Die EM hat gezeigt, dass nicht die teuerste Mannschaft den Titel geholt hat, sondern diejenige, die als Team aufgetreten ist. Zudem haben wir als VfL ja in der Zweiten Liga schon unter Beweis gestellt, dass Geld allein nicht der Indikator ist, um erfolgreich zu sein. Ja, wir haben vielleicht nicht die meisten Fans, die meisten Mitglieder oder das meiste Geld, aber auch wir haben Qualitäten. Wenn wir die auf den Platz bringen und jedem Gegner das Leben so schwer wie möglich machen, haben wir auch eine realistische Chance, in der Liga zu bleiben.

Das Pokalspiel am Wochenende war trotz des Weiterkommens eine zähe Angelegenheit – und auch ein kleiner Dämpfer für die Stimmung?
Nein. Es hat innerhalb der Mannschaft sowieso niemand gedacht, dass wir nach Wuppertal fahren, um dort auf 20 Zentimeter hohem Rasen den Gegner auseinander zu zelebrieren. Gegen den Ball zu spielen, ist einfacher, als das Spiel selbst zu gestalten. In der ersten Halbzeit haben wir einige Fehler gemacht. Aber ab der 46. Minute haben nur noch wir gespielt, und mit einer besseren Chancenverwertung wäre die Partie bereits nach 90 Minuten beendet gewesen. Insofern kein Stimmungsdämpfer.

Was muss der VfL gegen Wolfsburg vor allem dringend besser machen als in Wuppertal, um in der Ersten Liga zu bestehen?
Nicht besser, sondern anders. Denn das Spiel in Wolfsburg wird ein anderes als in Wuppertal. Dort sind wir im Prinzip der WSV. Wir hatten in Wuppertal 70 Prozent Ballbesitz, das wird in Wolfsburg wohl nicht der Fall sein. Wir werden dort eklig auftreten müssen, sollten den Gegner in jedem Zweikampf spüren lassen, dass
wir da sind. Darüber hinaus wollen wir im schnellen Umschalten nach vorne unsere Chancen nutzen, und dann wird man sehen, was das für ein Spiel wird. Wolfsburg wird sich was einfallen lassen und hat eine ungeheure Qualität, der Club spielt schließlich in der Champions League.

Ein guter Saisonstart in den ersten zwei, drei Spielen ist sicher hilfreich – ist er angesichts der Gegner und der aktuellen Form des VfL auch realistisch? Und wie schnell könnte Unruhe im Umfeld aufkommen, wenn es nicht gut läuft?
Der Spielplan ist eigentlich gar nicht so schlecht. Leichte Spiele gibt es in der Bundesliga sowieso nicht. Aber es braucht auch keinen Block, in dem aufeinander die Bayern, Dortmund und Leipzig folgen. Wichtig ist, dass wir punkten –ob einfach oder dreifach, ist zunächst sekundär. Wobei dreifach selbstverständlich schöner wäre. Und ob Unruhe entsteht? Also, wenn es da draußen jetzt noch Fans gibt, die glauben, dass wir alles und jeden nun allein durch den Aufstieg durch Sonne, Mond und Sterne schießen, dann sind die gehörig auf dem Holzweg. Es wird eine unglaublich schwierige Saison, das ist jedem klar. Und den Fans ist auch bewusst, dass Unruhe von außen sich auch auf die Mannschaft übertragen kann. Deshalb glaube ich, dass die Fans vernünftig sein werden.

Die Bochumer Fans, die endlich wieder ins Stadion dürfen, gelten durchaus als kritisch. Sie haben da auch selbst Ihre Erfahrungen machen müssen...
Ich habe sie als kritisch erlebt, manchmal sogar unfair. Aber ich bin ja auch kein ganz einfacher Typ. In jedem Verein, für den ich gespielt habe, bin ich schon mal mit Fans aneinandergeraten. Aber ich habe auch in jedem Verein durch meine Leistung überzeugt, sowohl die Fans als auch die Verantwortlichen. Ich bin keiner, der immer und überall alles richtig macht. Insofern darf man mir auch mal die Meinung sagen, aber auf angemessene Art. Ich setze mich damit dann auch auseinander. Kritik ist ja auch nicht nur schlecht, sondern kann auch förderlich sein, um Stillstand entgegenzuwirken.

In Wuppertal stand vor allem auch Armel Bella Kotchap mit seiner Leistung in der Kritik. Wird er aus Ihrer Sicht oftmals zu kritisch gesehen oder benötigt er einfach noch Zeit und Erfahrung?
Armel gehört zur neuen Generation von Spielern, die gerne auch mal extrovertiert auftreten. Ich bin auch ein extrovertierter Mensch. Insofern fällt es auf einen schneller und heftiger zurück, wenn es mal leistungsmäßig nicht so stimmt, als bei eher introvertierten Typen. Er ist jung, bringt unglaublich viel Talent mit und muss eine hohe Erwartungshaltung erfüllen. Man darf ihn kritisch sehen, weil er mehr mitbringt und kann, als er manchmal zeigt. Aber mit der Zeit kommt auch die Erfahrung, dass er sich von Beginn an auf solche Spiele wie gegen Wuppertal anders einstellt.

Bella Kotchap und Leitsch haben in der Zweiten Liga eine sehr junge Innenverteidigung direkt vor Ihnen gebildet – zu jung oder schon reif für die Bundesliga?
Wir haben in der Zweiten Liga einen Fußball gespielt, der durch hohes Pressing auffiel und dadurch viel Raum im Rücken unserer Verteidiger bot. Wir haben durch die beiden schon sehr viel Qualität, weil beide unglaublich schnell sind. Wir werden ab und zu unser Pressing spielen können, dafür brauchen wir ihre Schnelligkeit. Aber in der Bundesliga wird es auch darauf ankommen, wie man im eigenen Sechzehner verteidigt. Denn es wird sich auch vieles bei uns im Strafraum abspielen. Sie müssen also schnell lernen, den eigenen Mann zu verteidigen. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, so viel ist klar. Ein bisschen Zeit sollte man ihnen also schon zugestehen.

Der VfL hat mit seinen Neuverpflichtungen auch Erstliga-Erfahrung hinzugewonnen, die der Kader sonst nur vereinzelt hatte. Kann die Unerfahrenheit insgesamt trotzdem zu einem Problem werden? Oder lässt sich das mit Willen und Teamgeist ausgleichen?
Ich glaube, dass uns eher hilft, dass wir nirgends so richtig auf dem Radar sind. Uns hatte ja letzte Saison auch keiner als Favorit auf dem Zettel. Und nun, wenn man den Umfragen glaubt, sind wir gefühlt ein sicherer Abstiegskandidat. Wir haben Bock auf die Bundesliga. Und wenn wir es schaffen, dass kein Gegner gerne nach Bochum kommt oder gerne gegen uns spielen möchte, dann hätten wir schon viel erreicht auf dem Weg zum Klassenerhalt. Im Prinzip haben wir 32 Pokalspiele. 32 Mal ist es im Vorfeld so, dass der Gegner gegen uns gewinnen müsste, von der Papierform her. Aber wenn wir von 32 Spielen neun oder zehn gewinnen und noch ein paar Mal unentschieden spielen – was ist dann? Natürlich hilft es, schon in der Bundesliga gespielt zu haben. Dann weiß man, wann man Ruhe ausstrahlen muss, wann man clever spielen muss oder wann ein taktisches Foul angebracht ist. Aber so groß ist diese Routine im Vergleich zur Zweiten Liga auch nicht.

Manuel Riemann, das Kreativspiel neu zu strukturieren, ist nach dem Abgang von Robert Zulj eine Aufgabe, vor der der VfL steht. Zulj fehlt aber auch als Führungsspieler, der die Offensive lautstark gelenkt hat. Wer kann ihn in dieser Rolle ersetzen?

Manuel Riemann: Solche Typen gibt es kaum. In dieser Rolle kann ihn zunächst keiner ersetzen. Es wird und muss sich also auf mehrere Schultern verteilen. Fußballerisch sind Eduard Löwen und Elvis Rexhbecaj schon in der Lage, Akzente zu setzen. Aber ich baue auch auf den „unbekannten Spieler“ – denn wer hätte letzte Saison damit gerechnet, dass uns Robert Tesche mit acht Toren mit zum Aufstieg schießt?

Ihre Rolle als Führungsspieler ist unbestritten, Ihre Rolle als Nummer eins im Tor scheint es trotz des Zugangs von Michael Esser auch zu sein. Wie sehen Sie selbst die Hierarchie im Bochumer Tor?

Ich freue mich, dass „Bruno“ da ist, und halte sehr viel von ihm. Er ist ein anderer Torwarttyp als ich. Im Prinzip liegt es an mir, wie sich der Trainer entscheidet. Ich bin mit dem VfL aufgestiegen, genieße ein hohes Ansehen. Solange ich meine Leistung bringe, wird der Trainer mich aufstellen, unabhängig davon, ob „Bruno“ auf der Bank sitzt oder wer anders. Wenn ich diese Leistung nicht bringe und danebengreife, wird die Forderung nach ihm vielleicht schneller kommen, weil er hier zuhause ist und eine VfL-Vergangenheit hat. Aber wir leben im Fußball nach dem Leistungsprinzip, was ich gut finde und mich nie davor gedrückt habe. Die hohe Leistungsbereitschaft erwarte ich von meinen Mitspielern und noch mehr von mir als Stamm- und Führungsspieler.

Wie hoffnungsvoll stimmt Sie das für die Zukunft, was Tjark Ernst und Paul Grave zeigen?

Zwei große Talente mit Qualitäten. Wichtig ist, dass sie da sind, wenn sie ins kalte Wasser geworfen werden. Denn es ist ein unglaublicher Unterschied, ob du jemanden nur für ein paar Spiele vertrittst oder ob du als Nummer eins in eine Saison gehst. Beide haben hervorragende Voraussetzungen. Sie können hier eines Tages im VfL-Tor stehen.

Bleibt die Frage: Werden auch Sie ein bisschen nervös, wenn Sie an Lewandowski, Haaland, Weghorst und Co. denken, die vielleicht bald alleine auf Ihr Tor zustürmen?

Nein, keine besondere Nervosität. Ich habe ja schon gegen Lewandowski im Pokal gespielt. Ich freue mich unglaublich auf diese Duelle. Jeder guckt dienstags oder mittwochs die Champions League, wo die alle spielen, Lewandowski, Haaland, Weghorst. Das ist eine sehr große Herausforderung, auf die ich mich die ganze Vorbereitung gefreut habe. Ein Kribbeln ist da, aber das ist vor jedem Spiel so. Wir haben letzte Saison etwas erreicht, das uns niemand zugetraut hat. Jetzt zählt es, diese Leistung zu bestätigen und zu zeigen, dass wir länger als nur ein Jahr in der Bundesliga sein wollen.

Autor:

Sabine Beisken-Hengge aus Essen-Ruhr

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