„Jede Minute in Paris genossen“ - Dinah Pfizenmaier blickt auf sensationelles erstes Profijahr zurück
„Warum kommt denn ausgerechnet heute Handball auf Eurosport?“ Wenn eine eingefleischte Handballerin wie die Riemkerin Jenny Güntner sich ärgert, dass ein Sportsender das Handball-Champions-League-Finale statt der French Open überträgt, dann muss etwas Besonderes passiert sein.
In diesem Fall hieß der Grund Dinah Pfizenmaier. Als die Deutsche Meisterin, WTV-Tennisspielerin des Jahres und Regionalligaspielerin des THC im VfL Bochum am 27. Mai bei den French Open erstmals in ihrer Karriere zu einem Hauptrundenmatch bei einem Grand Slam-Turnier aufschlug, fieberten in Bochum auch die Riemker Handballerinnen mit. Schließlich war das aufstrebende Tennistalent in der vergangenen Saison regelmäßiger Gast in der Böll-Halle, weil ihr Coach Michael Schmidtmann gleichzeitig Handballtrainer der Oberligadamen des SV Teutonia Riemke war.
Und so trafen sich die Grün-Weißen zum „Live-Stream-Rudelgucken“ vor dem heimischen Rechner und drückten statt den Kieler Handballern Tennis-Ass Dinah Pfizenmaier die Daumen. Es sollte helfen: Die 20-Jährige überstand nach drei erfolgreichen Qualifikationsrunden auch das erste Spiel im Hauptfeld, siegte in drei Sätzen gegen die französische Lokalmatadorin Caroline Garcia und erhielt als Belohnung nicht nur 100 Weltranglistenpunkte und 28 000 Dollar Preisgeld, sondern zudem noch ein Bonusmatch gegen die Weltranglistenerste Wiktoria Asarenka.
Pfizenmaiers Auftritt auf dem Center Court dauerte zwar nur 55 Minuten, dann hatte die haushohe Favoritin das das Zweitrundenmatch mit 6:1, 6:1 für sich entschieden. Doch die Niederlage tat nicht wirklich weh. „Ich habe hier wirklich jede Minute genossen. Es war eine unglaubliche Woche, und mehr als das, was hier passiert ist, kann man sich für sein erstes Grand Slam-Turnier kaum wünschen.“
Neben den vielen Eindrücken auf der „ganz großen Bühne des Tennissports“ gab es für die 20-Jährige zudem eine wichtige sportliche Erkenntnis: „Ich habe gedacht, dass Asarenka ein deutlich höheres Tempo gehen würde. Doch das war nicht so, auch wenn das Ergebnis am Ende deutlich ausfiel, habe ich gemerkt, dass ich das Niveau mitgehen kann.“
Die Teilnahme an den French Open war das Highlight eines Tennistraumjahres, das für Dinah Pfizemaier immer noch ein wenig „irreal“ ist. Nach überstandener Verletzung und bestandenem Abitur stieg sie letztes Jahr im Juli in den Tenniscircuit ein, lotete ihre Chancen auf der Profitour aus und startete von Null direkt in die erweiterte Weltspitze des Damentennis.
Mit vier Turniersiegen spielte sie sich bis zum Ende des vergangenen Jahres unter die Top 300 und legte 2012 den nächsten Gang ein. Sie sammelte durch weitere Turniersiege und gute Ergebnisse eifrig Punkte für die Weltrangliste, hatte sich vor Frankreich erstmals in die Top 200 gespielt und wird ab der kommenden Woche auf einem Platz um die 140 zu finden sein.
„Diese Entwicklung ist schon außergewöhnlich und damit hat niemand gerechnet, ich am wenigsten. Zu Beginn dachte ich auch einfach nur, dass ich einen riesigen Lauf habe. Aber ich habe mich schnell an das höhere Niveau auf den Turnieren angepasst und konstant gespielt. Vor allen Dingen die Turniersiege im vergangenen und in diesem Jahr zeigen mir, dass es nicht nur Glück sein kann“, gibt sich Dinah Pfizenmaier selbtbewusst.
Und seit Paris weiß sie auch, wofür sie sich im Training weiter quälen wird: „Wenn man erstmals bei einem solchen Turnier auf dem Centercourt steht, weiß man: Das ist es, wofür du arbeitest. Da willst du hin. So fühlt sich großes Tennis an!“
3 Fragen an:
Dinah Pfizenmaier
Thema: French Open
1. Gibt es ganz besondere Momente, die Ihnen aus Paris in Erinnerung bleiben werden?
Da gibt es wirklich viele. Ich denke, die Erlebnisse rund um mein Debüt bei einem Grand Slam Turnier werde ich insgesamt nicht mehr vergessen. Aber neben meinem Idol Roger Federer trainieren zu dürfen, war schon großartig. Und ich habe mich riesig über eine SMS von Andrea Petkovic gefreut, die mir viel Glück gewünscht hat.
2. Sie haben bei all ihren Matches eine unglaubliche Gelassenheit ausgestrahlt. Woher nehmen Sie diese mentale Stärke?
Ich glaube, aus meiner eigenen Geschichte heraus. Ich stand nach einer schweren Schulterverletzung schon so gut wie vor dem Karriereende, habe mich aber zurückgekämpft, gemeinsam mit meinen Trainern mein Spiel umgestellt, und von da an lief es.
3. Welche Rolle spielt ihr Coach Michael Schmidtmann?
Es ist immer gut, wenn er bei den Turnieren dabei ist. Er ist vor allem ein Ruhepol. Aber ich habe mich gefreut, dass er in Paris endlich auch mal aufgeregt war.
3 Fragen an:
Michael Schmidtmann
Thema: French Open
1. Wie stolz sind Sie auf Ihren Schützling?
Ich ziehe sämtliche Hüte, die ich habe. Was Dinah in Paris gespielt hat, war schon beeindruckend.
2. Was ist bei den großen Turnieren anders?
Alles! Die Atmosphäre, die Größe, die Organisation. Um „mal eben“ zum Training zu fahren, warten Fahrerservice und Bodyguards, das war irgendwie unwirklich. Wir haben uns dann auch eher als staunende Gäste gefühlt und nicht als Teil der Tennis-Weltbühne.
3. Was dürfen wir von Dinah in der nächsten Zeit noch erwarten?
Wir gehen die nächsten Aufgaben ganz gelassen an und bauen keinen Druck auf. Aber eines ist sicher: Mit ihrer Entwicklung ist sie noch lange nicht am Ende. Und es gibt noch vieles zu verbessern!
Autor:Andrea Schröder aus Bochum |
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