VfL Bochum: „1938- Nur, damit es jeder weiß“ erhält Julius-Hirsch-Preis
Eine Broschüre von Fans für Fans

VfL-Fanbeauftragter Dirk Michalowski, Thorben Sommer und Florian Kovatsch (v.l.n.r.) vom Fanprojekt Bochum erinnern mit der Broschüre „1848.1938 – Nur, damit es jeder weiß“ und geführten Rundgängen an die Geschichte des VfL Bochum und der Stadt während des Nationalsozialismus'. | Foto: Molatta
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  • VfL-Fanbeauftragter Dirk Michalowski, Thorben Sommer und Florian Kovatsch (v.l.n.r.) vom Fanprojekt Bochum erinnern mit der Broschüre „1848.1938 – Nur, damit es jeder weiß“ und geführten Rundgängen an die Geschichte des VfL Bochum und der Stadt während des Nationalsozialismus'.
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Ganz still begeht der VfL Bochum in diesem Jahr seinen achtzigsten Geburtstag. Am 14. April 1938 fusionierten drei Bochumer Sportclubs zum „Verein für Leibesübungen“, dem VfL, wie er heute noch besteht. Das Fanprojekt Bochum erforscht und vermittelt die Vereinsgeschichte zu Zeiten des Nationalsozialismus. Der DFB hat die AG Erinnerungsorte des Fanprojekts nun mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet.

Von Sabine Beisken-Hengge

Ganz unterschiedlicher Natur waren Germania Bochum, TuS Bochum und der Turnverein Bochum 1848, der älteste der drei Vereine, dessen Gründungsjahr der VfL heute noch im Logo trägt.
Dem „Schattengeburtstag“ ihres Vereins im Jahr 1938 und den dunklen Zeiten der Naziherrschaft in der Stadt nachzuspüren, dieser Aufgabe widmet sich seit 2015 eine Gruppe engagierter Fans des VfL Bochum. Fast auf den Tag genau achtzig Jahre nach der "Zwangsfusion" der drei Vereine erschien in der Auflage von 1.500 Exemplaren (derzeit vergriffen)die Broschüre „1848.1938 – Nur, damit es jeder weiß“. Die Mitwirkenden an diesem Werk, Thorben Sommer, Florian Kovatsch und sieben weitere Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft Erinnerungsorte", haben Historiker wie Dr. Henry Wahlig, der lange Jahre beim VfL arbeitete, vom Fußballmuseum in Dortmund und Dr. Ingrid Wölk vom Stadtarchiv als beratenden Fachbeistand gewinnen können. Das Buch beschreibt die unterschiedlichsten Stationen des Gedenkens in der Stadt Bochum. Der erste Erinnerungsort ist die Castroper Straße, die legendäre Spielstätte des Vereins, eine weitere die Innenstadt mit dem Kortumhaus, dessen Inhaber vertrieben und ermordet wurden. Die insgesamt 13 „Erinnerungsorte“ im Buch sind auch abstrakter Natur, die Autoren berichten zum Beispiel vom Titel der Deutschen Meisterschaft. Mit Kapitän Erich Gottschalk erreichte Hakoah Bochum im Jahr 1937/38, was dem VfL in seiner heutigen Form bislang versagt blieb.

"Erinnerungsorte" sind Plätze, die fest im Alltag verankert sind

Die Broschüre war der Startpunkt, Rundgänge des Gedenkens durch die Stadt ins Leben zu rufen und auszuarbeiten.
"Die Rundgänge sind die zweite Komponente unseres erinnerungspolitischen Angebots; das Paradebeispiel einer Station des Gedenkens ist der Dr.-Ruer-Platz", erklärt Florian Kovatsch. "Die Rundgänge starten immer am Stadion, machen Halt an der JVA, das Vereinsheim von Hakoah Bochum gehört dazu und auch der Erinnerungsort Nordbahnhof. Keine seichte Kost, aber man lernt dabei auch unglaublich viel über die Stadt Bochum und es lassen sich auch immer tagespolitische Bezüge herstellen. Wir wollen vermitteln, immer im Dialog zu bleiben, zu entlarven und zu reflektieren", erläutert Florian Kovatsch. "Mitglieder der AG Erinnerungsorte übernehmen die Führung. Interessierte Gruppen können über mich Kontakt auf www.fan-projekt-bochum.de aufnehmen. Wir vereinbaren dann einen Termin."
Im September gingen die Mitglieder des Fanprojekts einen weiteren Schritt. Mit ihren Fans haben sie eine Bildungsreise zum KZ Buchenwald und nach Weimar unternommen.
Mit dabei war auch der hauptamtliche Fanbeauftragte Dirk Michalowski, VFL-Fans ist die Kultfigur des Vereins besser als Moppel bekannt. Ein Multiplikatorenlehrgang mit dem Thema "Wie organisiere ich eine Gedenkstättenfahrt für Fans" für Fanbeauftrage auf Einladung der DFL führte Florian Kovatsch und Benjamin Bödecker nach Auschwitz. Dort beschlossen die beiden vom Fanprojekt gemeinsam mit Moppel, eine Fahrt zur Gedenkstätte Buchenwald für Fans zu organisieren. Einhellig ziehen die drei ein durchweg positives Fazit. Michalowski sagt: "Zu Buchenwald besteht ein regionaler Bezug. In verschiedenen Bochumer Unternehmen leisteten nämlich während der Zeit des Nationalsozialismus von insgesamt 30.000 Häftlingen etwa 1000 bis 2000 Insassen aus Buchenwald Zwangsarbeit. Ich sehe es als wichtigen Teil unserer Arbeit, den Teilnehmern vor Ort spürbar zu machen, was passiert ist." Im November reisen erneut VfL-Fans nach Buchenwald, um aus und über die Geschichte zu lernen.
Die Broschüre wird neu aufgelegt. Eine Veröffentlichung der 2. Auflage ist für das Frühjahr 2019 geplant. Sowohl die Broschüre als auch die Stadtrundgänge eignen sich für Schüler ab 16 Jahren. Eine Kooperation mit Schulen wird angestrebt, Lehrer können die Führung über die Homepage buchen. Thorben Sommer, Mitglied der AG und Mitherausgeber, ist selbst Geschichtslehrer.

Information: 

Mit dem Julius-Hirsch-Preis ehrt der Deutsche Fußball-Bund seit mittlerweile 14 Jahren herausragende Projekte, die sich für Demokratie, Menschenrechte sowie den Schutz von Minderheiten engagieren. Der Preis wird gestiftet in Erinnerung an den Karlsruher Kaufmann und Fußball-Nationalspieler Julius Hirsch, der als Jude durch die Nationalsozialisten entrechtet, verfolgt und ermordet wurde.

VfL-Fanbeauftragter Dirk Michalowski, Thorben Sommer und Florian Kovatsch (v.l.n.r.) vom Fanprojekt Bochum erinnern mit der Broschüre „1848.1938 – Nur, damit es jeder weiß“ und geführten Rundgängen an die Geschichte des VfL Bochum und der Stadt während des Nationalsozialismus'. | Foto: Molatta
Dreizehn Bochumer Erinnerungsorte werden in der Broschüre „1938 – Nur, damit es jeder weiß“ vorgestellt.  | Foto: Molatta
Autor:

Sabine Beisken-Hengge aus Essen-Ruhr

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