Besichtigungen im Revier
Umsonst und draußen – Wir besichtigen Bergarbeiter-Siedlungen im Revier
Kinos und Museen sind geschlossen. Also wohin? Fast jeder Stadtteil im Ruhrgebiet hat viel erlebt und oft noch viel davon zu zeigen. Für uns sind diese Stadtteile wie Open-Air-Museen die nichts kosten. Meist sind sie gar nicht weit entfernt und bieten doch viele neue Eindrücke.
Diesmal möchte ich einige Spaziergänge, Besichtigungen und kleinere Wanderungen innerhalb und zu ehemaligen Zechensiedlungen beschreiben. Diese sind gut gepflegt, weiträumig angelegt und begrünt. Alles schön anzusehen und auch nicht überlaufen.
Als die ersten Zechen abgeteuft wurden, war unser jetziges Ruhrgebiet fast menschenleer. In den kleinen Dörfern lebten hauptsächlich Bauern mit ihren Tagelöhnern, Köttern und ländliche Hilfsarbeiter. Die Bergwerke benötigten viele Arbeitskräfte und diese wurden hauptsächlichen aus den damaligen deutschen Ostgebieten und Osteuropa angeworben. Zuerst wurden für sie einfache Wohnbaracken aufgestellt. Dort lebten nur Männer in sogenannten Bullenklöstern, ihre Familien waren aber noch in der Heimat. Um die sogenannten Bergleute langfristig zu binden und weitere Arbeitskräfte anzulocken entstanden zwischen 1870 und 1920 rund um die neuen Zechen Kolonien oder Siedlungen für die gesamten Familien. Die Bergwerksbetreiber waren unterschiedlicher Herkunft und Ausstattung und dementsprechend entstanden unterschiedliche Zechensiedlungen. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass man anfangs, als noch viel Platz da war, großzügiger mit dem zugehörigen Gartengrundstück war und die Häuser oft nur für zwei Familien plus Kostgänger vorgesehen waren. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden die Grundstücke immer kleiner und enger, dafür die Häuser kompakter und höher. Es wohnten dann 4 bis zu 8 Familien in einem Haus. Aber jede Familie hatte noch ein eigenes kleines Grundstück zur Selbstbewirtschaftung. Neben den einfacheren Häusern für die Bergarbeiter entstanden auch große geräumige Gebäude für die höheren Zechenangestellten, wie Steiger, Betriebsführern und Direktoren. Dazu wurden für die Versorgung sogenannte Konsumanstalten, Schulen, Kindergärten und Kirchen gebaut.
Das war ein geschicktes soziales System zu Totalausbeutung ihrer Mitarbeiter. Das verdiente Geld wurde sofort durch Mieten, Pacht, notwendigen Konsum wieder zurückgeführt und verblieb somit im Unternehmen. Das ist aber nicht so negativ gemeint, wie man es heutzutage sehen könnte. Von diesem System profitierten alle. Und ein zufriedener Arbeiterstamm war leichter an den Pütt zu binden.
Die Häuser waren einfache Ziegelrohbauten. Einer Familie standen meistens 3 Räume zur Verfügung, oft noch eine Mansarde. In diesem ausgebauten Dachgeschoss war Raum für Kostgänger. Dort lebten die ledigen oder neu zugezogenen Bergknappen, bis sie für ihre Familie eine Unterkunft bekamen. Sie wurden gegen kleines Entgelt von ihren Vermietern zusätzlich zur Logis auch mit Kost versorgt. Das nannte man dann Bratkartoffelverhältnis.
Diese Zechenbauten hatten alle Stallungen und Gartenland. Dort wurden neben der Bergmannskuh (Ziege) auch Schweine, Hühner, Gänse, Kaninchen gehalten. In den Stallungen waren auch die Toiletten eingebaut, das Plumsklo, deren Fäkalien neben dem Tierkot der privaten Gartenbewirtschaftung zugeführt wurde. Somit verblieb auch hier alles in der Familie. Heute würde man das BIO nennen. Nach einer schweren 60 Stunden Woche unter Tage lagen dann die Bergmänner oft in den Fenstern zur Straße und schnappten nach frischer Luft. Eines Tages waren sie dann nicht mehr dort zu sehen, sie waren dann weg vom Fenster.
Gleichzeitig mit der Entstehung dieser Zechenkolonien musste auch eine Verbesserung der Infrastruktur aufgebaut werden. Die offenen übel riechenden Gräben verschwanden durch Ausbau der Straßenkanalisation und der Regulierung der Häuser-Entwässerung, also nur Abwasser, keine Fäkalien. Dafür wurden neue Straßen geschaffen und diese auch überirdisch mit Energie versorgt. Es entstanden Schulen, Kirchen, neue Stadtteile. Dazu kamen neue Nahversorger, Märkte, Kneipen, Kinos.
Alles musste auch verwaltet werden, da gab es mehr Rathäuser, Beamte und Polizisten. Und auch für diese wieder neue Häuser.
Als es dann mit unserem Bergbau vorbei war, da kamen noch Aldi, Schlecker, Lidl und Co. Die Konsumanstalten waren verschwunden, aber der Konsum hatte sich vervielfacht.
Das also war das Leben der Bergleute und ihre Geschichte im Ruhrgebiet im Zeitraffer.
Jetzt wollen wir in diese Zeit optisch zurück und besichtigen einige dieser alten Zechensiedlungen. Schön, dass es viele von ihnen noch gibt. Gut gepflegt, für uns umsonst und draußen.
Damals gab es diese großen Städte noch nicht. Die Ortsteile waren noch mit ihrem Namen bekannt, einige gründeten schon einen Verbund.
Wir starten mit einem kleinen Spaziergang. Parken können wir auf den Parkplätzen an der Gysenbergstraße (79), 44627 Herne. Von dort aus geht es durch die Straßen der ehemaligen Bergarbeitersiedlung Constantin, erbaut von 1901-1920.
Abschreiben ist verboten, deshalb weitere Infos hier zur Siedlung Constantin
Meine Information zum Spaziergang, viele Fotos und kleine Umwege für unseren Hund Billy gibt es hier:
Spaziergang durch die Bergarbeitersiedlung Constantin in Altenhöfen
Einst war die Siedlung Constantin von ihren Zechen umschlossen. Jetzt reihen sich viele Grüngebiete rund um die Siedlung und laden zu einem weiteren Spaziergang oder sogar zu einer größeren Wanderung an: Gysenberg, Ostbachtal, Constantinpark, Hiltroper Volkspark. Etwas weiter geht es schon zum Sodinger Volkpark und dem Langeloh. Richtung Bochum zur Bergener Mühle und durch den Stembergerbusch zum Tippelsberg. Vom Langeloh zur Stemke und dem Ölbachtal. Alles zusammen ergibt schon eine saftige Tageswanderung.
Weiter geht es mit einem etwas größeren Spaziergang. Wir Parken am Industriemuseum Zeche Hannover, Günnigfelder Straße 251, 44793 Bochum und besichtigen die Dahlhauser Heide, genannt Kappskolonie.
Info Links: Zeche Hannover
Dahlhauser Heide - die "Kappeskolonie"
Meine Information zum Spaziergang und viele Fotos gibt es hier:
Von LWL-Industriemuseum Zeche Hannover durch die Kappskolonie
Eine erste Wanderung startet über 8 Km von der Akademie Mont Cenis zur Bergwerkssiedlung Teutoburgia und zum Kunstpark. Wir parken im Umfeld vom Mont-Cenis-Platz 1, 44627 Herne.
Info Links:
Akademie Mont-Cenis
Bergwerkssiedlung Teutoburgia
Meine Information zum Spaziergang und viele Fotos gibt es hier:
Von Akademie Mont Cenis zur Siedlung Teutoburgia
Eine schöne Wanderung über 9 Km mit drei Highlights gibt es zum Abschluss. Wir parken am Schloss Berge, Adenauerallee 103, 45894 Gelsenkirchen. Über die Halde Rungenberg steigen wir hinunter in die Bergmannssiedlung Schüngelberg.
Info Links:
Siedlung Schüngelberg in Buer
Meine Information zum Spaziergang, viele Fotos gibt es hier:
Von Schloss Berge über die Halde Rungenberg zur Siedlung Schüngelberg
Infos über weitere Bergmannssiedlungen im Revier gibt es:
Siedlungen - Leben in der Kolonie
oder meine Linkssammlung
Wandern, Spazieren, Radfahren - Eine Auswahl an Plattformen für unser Revier
Autor:Klaus Gesk aus Bochum |
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