Beerdigungen während der Corona-Pandemie
Trauer in Zeiten der Krise
Bochum. „Es tut mir im Herzen weh“, sagt Nicole Seifert-Schüler, wenn sie derzeit an ihren Job denkt. Während der Corona-Krise muss sich die Bestatterin besonderen Herausforderungen stellen. Und die betreffen nicht nur die Abstandsregelung von 1,5 Metern, wie uns einige Bochumer Bestattungsunternehmen erzählt haben.
Nicole Seifert-Schüler und ihre Mitbewerber können ihren Beruf derzeit nicht so ausführen, wie sie es gern täten. Zu viele Vorschriften gibt es wegen der Corona-Pandemie zu beachten, zu viele Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen. Das bestätigt auch Andreas Lueg: „Ich hatte neulich einen Fall, da hat eine Frau ihren Mann fünf Wochen nicht sehen können“. Lueg betreibt das gleichnamige Bestattungsunternehmen im Kirchviertel. „Zunächst war sie selbst erkrankt und dann durfte sie ihren Mann im Krankenhaus nicht besuchen“, so der Bestatter.
Aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus dürfen Bestatter den Leichnam schon bei Corona-Verdachtsfällen nicht offen aufbahren. „Dabei ist gerade das so wichtig, um überhaupt zu verinnerlichen, dass ein geliebter Mensch verstorben ist und nicht wiederkommt“, betont der Bestatter. Die Witwe durfte den Leichnam ihres Mannes nicht mehr sehen.
Trauerfeiern nur noch im kleinen Kreis
„Auch die Trauerfeiern an sich stellen uns vor neue Herausforderungen“, berichtet Timo Ditscheid vom Bestattungsunternehmen Estel auf der Lindener Straße – und das fängt schon bei der Einladung an: Auf Traueranzeigen in der Zeitung darf der Termin der Beisetzung nicht mehr bekanntgegeben werden. Damit soll verhindert werden, dass zu viele Gäste kommen. Je nach Friedhof dürfen maximal 15 Gäste aus dem engsten Familienkreis kommen. „Und die müssen wir auf einer Gästeliste festhalten, damit man im Falle einer Covid-Infizierung nachvollziehen kann, wer sich alles angesteckt haben könnte,“ ergänzt Ditscheid.
Bestatter stoßen an ihre Grenzen
Nicole Seifert-Schüler weiß, dass diese Maßnahmen auch dem Selbstschutz der Bestatterinnen und Bestatter dient. Ihr Unternehmen stellt sich auch auf andere Weise auf die Pandemie ein: „Wir haben unseren Firmensitz so umgebaut, dass unsere Belegschaft in drei Teams arbeiten kann.“ Sie sollen sie sich bei der Arbeit nicht begegnen. Falls sich jemand aus einem der Teams infizieren sollte, können die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter arbeiten und ihre Dienste anbieten. Trauergespräche werden nach Möglichkeit nur noch telefonisch durchgeführt. Der Bestatterin ist es wichtig, individuelle Bestattungen so lange wie möglich durchführen zu können. Massenbeisetzungen wie man sie derzeit aus Spanien oder Italien sieht, will sie vermeiden. „Ich möchte den Hinterbliebenen den Abschied so schön wie möglich machen.“
Ähnlich hält Andreas Lueg es mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei sorgt er sich auch um die Versorgung seiner Angestellten: Wie bei so vielen Stellen fehlt es auch bei den Bestattungsunternehmen an Desinfektionsmittel, Schutzanzügen und Gesichtsmasken. „Noch bin ich gut ausgerüstet,“ sagt der Bestatter. „Aber wie lange der Vorrat noch hält, will ich nicht abschätzen.“ Damit weist er auch darauf hin, dass wohl niemand weiß, wie der Verlauf der Pandemie eingeschätzt werden kann: Werden sich noch mehr Menschen anstecken? Wird es mehr Tote geben?
Friedhof: Keine Umarmungen am Grab
Auch Constantin Decker, Pfarrer des Kirchenkreises der evangelischen Kirche Bochum muss seine üblichen Trauerfeiern derzeit anders abhalten. Seine Trauerreden hält er nicht wie sonst in den Trauerhallen. „Die sind alle gesperrt“, erzählt der 30-Jährige. „Ich stelle mich dann vor die Treppen, den Sarg oder die Urne vor mir und die Trauergemeinde versammelt sich im Halbkreis darum.“ Den empfohlenen Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten sei dabei schwierig, aber sinnvoll.
Auch am Grab gilt es, die „Corona-Regeln“ einzuhalten: Keine Beileidsbekundungen, kein Händedruck, keine Umarmungen. „Ein tröstendes Zunicken muss da genügen“, erklärt Decker. „So schwer das in solch einer Situation auch fällt.“
Trauergespräche am Telefon
Wenn es eben möglich ist, führt der Pfarrer die Trauergespräche mit den Hinterbliebenen telefonisch durch. „Das macht die Sache nicht einfacher, wenn da mehrere Trauernde ohne Blickkontakt am anderen Ende der Leitung sind,“ erzählt er aus seinen Erfahrungen.
Trotz aller Umstände sei es wichtig, dass nach dem Tod eines Angehörigen die Corona-Pandemie nicht zu viel Raum einnehme, sondern auch der Trauer noch Raum gegeben wird. „Auch in dieser ungewöhnlichen Zeit müssen und dürfen wir um Verstorbene trauern.“
Beerdigung per Videoübertragung
Als die Corona-Pandemie aufgekommen ist, sei der erste Gedanke des Pfarrers gewesen: Was ist jetzt mit den Beerdigungen? Kurz darauf habe er sich ein Stativ fürs Handy gekauft. Zur Not will er seine Trauerfeiern auf Videos festhalten oder sogar live auf die Bildschirme der Hinterbliebenen übertragen.
Das gleiche bietet auch Timo Ditscheid an. Er und seine Kolleginnen und Mitbewerber werben auch dafür, Trauerfeiern nachzuholen, wenn der schlimmste Teil der Corona-Pandemie vorbei sei. Nicole Seifert-Schüler mahnt mit den aktuellen, ungewöhnlichen Regeln im Bestattungswesen: „Nur, wenn sich alle an das Kontaktverbot halten, können wir würdevolle Bestattungen möglichst lange beibehalten und italienische Verhältnisse vermeiden.“
Autor:Fabian Schulenkorf aus Essen |
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