Burn-out-Debatte Teil 2: Konzept der DGPPN zur Klassifikation
Die seit mehreren Monaten in der Öffentlichkeit intensiv geführte Burn-out Diskussion hat die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) als größter medizinisch-wissenschaftlicher Fachgesellschaft für psychische Erkrankungen am 07.03.12 zur Herausgabe eines Positionspapiers veranlasst (http://www.lokalkompass.de/bochum/ratgeber/burn-out-debatte-gesellschaft-fuer-psychiatrie-reagiert-mit-positionspapier-teil-1-kritikpunkte-der-dgppn-d156186.html)
Da eine Einordnung des Begriffs „Burn-out“ in die verbindliche ICD-10-Klassifikation in Deutschland bislang nicht erfolgt ist, stellt sie in diesem Papier eine Systematik vor, die ermöglicht, im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung auftretende gesundheitliche Beeinträchtigungen in Übereinstimmung mit der ICD-10 zu differenzieren. Sie unterscheidet:
1. die vorübergehende Arbeitsüberforderung, bei der nicht von Burn-out gesprochen werden solle, da die Gefahr bestehe, routinemäßig zu bewältigende Prozesse des Arbeitslebens als Krankheitszustand anzusehen.
Ungewöhnliche berufliche Anforderungen könnten immer mit vegetativen Stresssymptomen wie Angespanntheit, unruhigem Schlaf und Erschöpfung verbunden sein. Die Abgrenzung liege in der zeitlichen Begrenzung und in der Rückbildung der Stresssymptome in kurzen Erholungsphasen.
2. Burn-out als längerfristige Arbeitsüberforderung
Von Burn-out solle bei längerer Dauer über mehrere Wochen oder Monate und einem nicht absehbaren Ende gesprochen werden, wenn die Beschwerden durch kurze Wochenend-Erholungsphasen nicht zurückgehen.
Dabei solle sich die gefühlte Arbeitsüberforderung auf einen real nicht zu bewältigenden Arbeitsumfang, mangelnde Anerkennung durch Vorgesetze und fehlende Abgrenzung von Arbeit und Privatleben zurückführen lassen.
Hinzu trete häufig der eigene Perfektionismus oder eine mangelnde Qualifikation für die anstehende Tätigkeit.
Das Gefühl der Erschöpfung und weitere Burn-out-Beschwerden, die in Zusammenhang mit dem arbeitsbedingten Überforderungsgefühl auftreten, bedeuteten jedoch noch nicht das Vorliegen einer Krankheit nach ICD-10, so die DGPPN.
„Burn-out gleichbedeutend mit Zustand der totalen Erschöpfung“ werde im zugehörigen Anhang als eine Unterziffer geführt.
Dort seien das Befinden beeinträchtigende Beschwerden verzeichnet, die die Kriterien einer Krankheit nicht erfüllen, jedoch zur Kontaktaufnahme mit Gesundheitsdiensten führen.
Für Patienten mit Burn-out-Beschwerdebild ohne psychische Erkrankung nach ICD-10 empfehle die DGPPN behandelnden Ärzten deshalb diese Codierung des Anhang-Kapitels.
Bei Vorliegen eines Burn-out als Folge längerer Überlastung könne der erfahrene Stress spätere psychische oder körperliche Erkrankungen auslösen. Entscheidend sei der zeitliche Aspekt: Das Burn-out-Erleben gehe der späteren Erkrankung deutlich voraus.
3. Burn-out-Beschwerden als Auslöser psychischer oder körperlicher Beschwerden:
Weil längerfristige Arbeitsüberforderung als Auslöser von Folgeerkrankungen wie Depression, Alkoholmissbrauch und körperlicher Erkrankungen zu wenig berücksichtigt werde, finde sie zum Nachteil der Patienten bislang unzureichend Eingang in die Behandlungsstrategien.
Es sei deshalb wichtig, zuerst die Verschlüsselung der Erkrankung nach ICD-10 vorzunehmen und bei Vorliegen des Verdachts der Arbeitsüberforderung als entscheidendem Auslöser der diagnostizierten Erkrankung die zusätzliche Anhangziffer zu vergeben, um die Behandlung zu optimieren. http://www.lokalkompass.de/bochum/ratgeber/burn-out-debatte-teil-4-dgppn-zur-praevention-therapie-und-rehabilitation-von-burn-out-beschwerden-d156189.html
4. Krankheiten als Ursache Burn-out-ähnlicher Beschwerden
Bei Stellung einer Diagnose müsse immer daran gedacht werden, dass eine Vielzahl von Erkrankungen Burn-out-ähnliche Beschwerden hervorrufen könnten, so dass anstelle der Arbeitsbelastung die Grunderkrankung die eigentliche Ursache der Beschwerden darstelle.
So könnten z.B. Depressionen, beginnende Demenz, Psychosen, Multiple Sklerose, chronische Schmerzsyndrome oder Krebs mit dem Gefühl der Überforderung oder Erschöpfung am Arbeitsplatz einhergehen.
Hier stelle die Erschöpfung das Krankheitssymptom dar, das eine real gut zu bewältigende Anforderung zur Überlastung werden lässt. Eine erfolgreiche Behandlung z.B. der Depression behebe in diesem Fall auch die Burn-out-Beschwerden.
Vor der Feststellung eines Burn-out und der Zusatzcodierung sei deshalb eine genaue medizinische Diagnostik Voraussetzung für eine gezielte und zeitnahe Behandlung des Erkrankten.
Weiterlesen unter:
Teil 3:
http://www.lokalkompass.de/bochum/ratgeber/burn-out-debatte-teil-3-dgppn-zur-entstehung-von-burn-out-beschwerden-d156188.html
Teil 4:
http://www.lokalkompass.de/bochum/ratgeber/burn-out-debatte-teil-4-dgppn-zur-praevention-therapie-und-rehabilitation-von-burn-out-beschwerden-d156189.html
Anm.: Dieser Beitrag stellt eine möglichst verständliche Zusammenfassung dar. Die vollständige Fassung des Positionspapiers kann unter http://www.dgppn.de unter der Rubrik "Publikationen / Stellungnahmen" heruntergeladen werden.
Autor:Sabine Schemmann aus Bochum |
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