Bochumer Bündnis gegen Depression: Offener Stammtisch gut angenommen
Auf erfreulich große Resonanz stieß der Offene Stammtisch zu Fragen rund um Depression und Behandlung, zu dem das Bochumer Bündnis gegen Depression am 07.04.15 zum zweiten Mal in diesem Jahr eingeladen hatte. Dank des zugestandenen Veranstaltungsabdrucks in der Tageszeitung konnte das neue Angebot seine Zielgruppe diesmal auch auf direktem Weg erreichen. Neben drei Vorstands- und Bündnismitgliedern hatten sich 18 aktuell Betroffene, Depressionserfahrene, Angehörige, Ehepaare und eine Familie eingefunden, um ihre Erfahrungen zu schildern, konkrete Fragen zu stellen, spontan auftretende Fragen einzuwerfen oder „einfach mal zu hören, worum es geht.“ Dabei fiel auch positiv auf, dass etliche ältere Menschen gekommen waren, die der Erkrankung in gesunder Offenheit gegenüberstanden und sich aktiv einbrachten.
Dass der Bedarf des Austauschs über das Thema „Depression“ ebenso groß wie individuell verschieden ist, zeigte die jeweilige Betroffenheit und Mitbetroffenheit in den unterschiedlichsten Lebenssituationen. Dabei war die Unsicherheit im Umgang mit dem erkrankten, so seltsam gewordenen Partner und die Frage „Wie mache ich es denn nun richtig? Es ist ja immer alles falsch“ immer wieder Thema. Gerade sie ist naturgemäß bezeichnend für das unerklärbare Wesen der Erkrankung und für das sonderbare und quälende Fühlen, welches der Betroffene kaum ausdrücken kann, weil es nicht vermittelbar erscheint und aus diesem Grund oft den Rückzug in sich selbst bedingt.
Ebenso nachdenklich wie betroffen machte in den Schilderungen der Anwesenden die mehrfach erkennbare, offenbar unzureichende Aufklärung bzw. Benennung der unterschiedlichen Therapieverfahren durch den Therapeuten sowie dessen mangelnde Information über den Ablauf der in Anspruch genommenen Behandlung, aber auch grenzwertige Verhaltensweisen Behandelnder, was angesichts des Strebens nach Inanspruchnahme fachkompetent durchgeführter Therapien befremdlich anmutet.
Nicht zu wissen, ob man eine Verhaltenstherapie in Anspruch nimmt und wie viele probatorische Sitzungen möglich sind, zu Gehör zu bringen, dass der Therapeut den Patienten beständig in dessen stark belastende Thematik drängt, so dass schließlich Angst vor den wöchentlichen Sitzungen entwickelt wird oder dass ein Therapeut dem Patienten sein Herz ausschüttet und ihn dadurch mit den eigenen Problemen belastet, hinterließ im Einzelfall nicht unbedingt einen seriösen und ethisch einwandfreien Eindruck, der möglichst unmittelbar besprochen wurde.
Auch die nicht optimale Wirkung von Antidepressiva, deren Einnahme beibehalten wird, weil das Mittel gut vertragen wird, gehörte gleichfalls zu den erörterten Aspekten des Patienten-Alltags, in dem so manche Krux und Erschwernis sichtbar wurde.
So wurde u. a. auch verständlich, dass eine stationäre Behandlung bei einer Angsterkrankung nicht immer gut erlebt wird und weshalb die tagesklinische Behandlung manchmal hilfreicher empfunden werden kann.
Deutlich wurde durch das Treffen außerdem, wie die ohnehin schon problematische Suche nach einem Psychotherapiepatz durch eine krankheitsbedingt eingeschränkte Artikulationsfähigkeit derart extrem erschwert sein kann, dass der zur Trauma-Behandlung dringend benötigte Psychotherapieplatz in eine schier unerreichbar wirkende Ferne rückt.
Eine wichtige und entscheidende Frage, die sich angesichts der individuellen Erfahrungen mit Psychotherapie und Therapeuten im Verlauf des Stammtisches spontan stellte, musste im Rahmen der letztlich sehr begrenzten Zeit zunächst unbeantwortet bleiben: „Wie erkenne ich denn eigentlich eine gute Therapie?“; eine Fragestellung, die das Angebot des Offenen Stammtisches weiterhin lohnenswert erscheinen lässt, da es viele wichtige Aspekte gibt, die eine Therapie erst zu einer guten Therapie werden lassen.
Auch wenn sich an Bedarf und Verlauf dieser ersten offenen Veranstaltung zeigte, dass weitaus mehr Zeit nötig wäre, sich intensiver mit den einzelnen Themen auseinanderzusetzen und die vorgetragenen Aspekte umfassender zu beleuchten, um hilfreiche und ausgewogene Impulse zu setzen, darf das noch lernfähige Angebot sicherlich im Grundsatz sinnvoll gesehen werden.
Die Offenheit der Anwesenden im Umgang mit der Depression, der dankbare und vertrauensvolle Umgang miteinander, die Erkenntnis, mit den eigenen Erfahrungen nicht allein zu sein, die schließlich einsetzenden Gespräche untereinander, die geäußerte Dankbarkeit für das Angebot und die leise Enttäuschung darüber, dass das nächste Treffen erst in zwei Monaten stattfindet, zeigen jedoch, dass der Grundgedanke des Offenen Stammtisches zu Depression und Behandlung angekommen ist.
Es wäre schön, wenn sich diese Form des Zusammenkommens unterschiedlicher Betroffener etablieren und weiterentwickeln könnte, sich auf diese Weise Wissenslücken schließen ließen, Hilfsangebote leichter aufgefunden werden könnten und neue Kontakte entstehen würden, die den Einzelnen weiterbringen.
Der nächste Offene Stammtisch findet am Dienstag, 2. Juni 2015 um 19.00 Uhr im Gesellschaftszimmer des Hauses der Begegnung, Alsenstraße 19A, 44789 Bochum statt.
Autor:Sabine Schemmann aus Bochum |
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