Haushaltsrede von Jens Lücking im Rat der Stadt Bochum am 12. Dezember 2019
Zustimmung, aber: Bochumer Gesamthaushalt 2020/2021 braucht Verbesserungen
Vor uns liegt der Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2020 und 2021 mit einem Volumen von ca. 1,5 Mrd Euro zur Abstimmung. Zum ersten Mal weist er im Plan kein Defizit auf, sondern einen bescheidenen Überschuss von 500.000 Euro. Erstmalig, seit ich 2000 in den Rat kam, ist die Tagesordnung um einen Punkt ärmer geworden, nämlich die Beschlussvorlage über das Haushaltssicherungskonzept. Wieder ein Doppelhaushalt? Muss das denn sein? Die Gemeindeordnung sieht dies nicht als Normalfall vor.
Die Kritik bei der Aufstellung des letzten Doppelhaushaltes, insbesondere wegen der unkalkulierbaren Risiken bezüglich der Zinsaufwendungen, hat sich nicht bestätigt. Die Abweichungen gegenüber der Planung ergaben keinen Grund zur Einbringung eines Nachtragshaushaltes, sondern führten zu besseren Ergebnissen gegenüber den Planzahlen. Daher votiert die Fraktion UWG: Freie Bürger auch dieses Mal wieder für die Aufstellung eines Doppelhaushaltes. Bei aller Euphorie über den ausgeglichen Haushalt, zwei Jahre früher als erwartet, darf nicht vergessen werden, dass die gute Konjunktur und die anhaltend niedrigen Zinsen ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Verwaltung heute diesen ausgeglichenen Haushalt zur Abstimmung stellen kann.
Verbesserte Haushaltslage
Angefangen hat es vor vielen Jahren mit der Beratungskooperation mit dem Regierungspräsidenten in Arnsberg. Pro Jahr sollten gegenüber dem ohnehin schmalen Haushalt noch einmal 50 Mio. Euro eingespart werden. Das ist gelungen, ohne Strukturen zerschlagen zu müssen. Und so konnten bei verbesserter Haushaltslage Kultur, Sport und soziale Belange wieder mit mehr Geld bedacht werden.
Auch Investitionen in die Infrastruktur konnten in den letzten Jahren wieder erhöht werden. Jedoch die Bochumer Wirtschaft, die sich in den Jahren der Haushaltssicherung immer wieder mit Erhöhungen des Hebesatzes auf die Gewerbesteuer konfrontiert sah, hat einen großen Anteil an dem heute vorliegenden ausgeglichenen Haushalt.
Bevor wir uns hier anerkennend auf die Schultern klopfen, sollten wir mit einer moderaten Absenkung des Hebesatzes auf die Gewerbesteuer auch diesen Unternehmen und Einzelpersonen, die mit ihrer Arbeit das Stadtsäckel gefüllt haben, etwas davon zurückgeben. Die Absenkung des Hebesatzes würde ein Zeichen setzen und Bochum auch für die Ansiedlung anderer Unternehmen attraktiver machen, wodurch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden. Daher haben UWG: Freie Bürger dies in den Haushaltsberatungen zur Abstimmung gestellt. Es war aber von Rot-Grün nicht gewollt, wohl ein Vorgeschmack auf die Politik der nächsten Jahre, in denen die schwarze Null zur Disposition steht und die Steuern erhöht werden sollen.
Angst und Panik sind keine guten Ratgeber
Den Weg der Konsolidierung unserer Finanzen müssen wir konsequent weitergehen und unsere Schulden abbauen. Heute redet man in Bezug auf Zukunft unserer Kinder nur noch vom Weltklima, noch vor ein paar Jahren war es die wichtigste Herausforderung, ihnen nicht einen riesigen Schuldenberg zu hinterlassen. Und das gilt heute immer noch wie früher. Politik nur eindimensional zu denken und so zu handeln, greift zu kurz. Finanzen, Soziales, Kultur und Stadtentwicklung sind ebenso wichtige Themen wie das Klima, das sicherlich auch seine Berechtigung hat, aber nicht allein unser Handeln bestimmen sollte. Angst und Panik sind keine guten Ratgeber bei der Bewältigung von Problemen, kühler Kopf und Sachverstand allerdings schon. Die alte Opel-Fläche unter dem neuen Namen Mark 51.7 entwickelt sich prächtig. Die Weichen hierfür wurden noch in der letzten Legislaturperiode gestellt. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung, darf aber nicht das Ende sein. Wir müssen weiterhin den Markt beobachten und ansiedlungswilligen Unternehmen geeignete Flächen mit guter Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen. Mit der WEG sind wir dazu gut aufgestellt.
Städtepartnerschaft mit Tsukuba
Die Städtepartnerschaft mit Tsukuba, vor wenigen Tagen besiegelt, ist ein weiterer Meilenstein in der zukünftigen Entwicklung Bochums. Die Universitäten Tsukuba und die Ruhr–Universität praktizieren schon seit Jahren eine Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Bereich. So war es naheliegend, durch eine engere Vernetzung der Städte im Wege einer Städtepartnerschaft diese Zusammenarbeit auch auf andere Bereiche auszuweiten. Im Bereich der Stadtentwicklung, des e-Government oder der Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur kann dies für beide Seiten besonders förderlich sein. Es gibt zwischen den Städten einige Unterschiede, aber auch zahlreiche Gemeinsamkeiten. Beide Städte wollen durch Zusammenarbeit die Ausgründungen aus den Universitäten, die Start-Ups, fördern. Hier werden bereits intensiver Gespräche über gemeinsame Strategien geführt. Diese Städtepartnerschaft ist die erste für Bochum außerhalb Europas, aber im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich sicherlich auch die erste, die sich nicht der Vergangenheit, sondern der Zukunft der beiden Städte und ihrer Einwohner widmet.
Bürgerbeteiligung
Die integrierten Stadtentwicklungsprogramme, kurz ISEK, werden unserer Stadt neue Impulse bei der Veränderung von Quartieren bringen und natürlich auch Geld. Die ISEKs Wattenscheid, Hamme, Innenstadt sind angelaufen und werden über die nächsten Jahre wirken. Die Innenstadtentwicklung Wattenscheids ist eine große Herausforderung, die in den letzten Jahrzehnten nicht positiv funktioniert hat. Neue Ideen und mehr Bürgerbeteiligung sollen zu den Schlüsseln des Erfolges werden. Wir glauben daran und werden uns dabei engagiert beteiligen. Die Bochum Strategie 2030 wird von uns voll mitgetragen, denn die Bürgerbeteiligung, die auch den Namen zu Recht trägt, ist eine alte Forderung der UWG und der Freien Bürger. Zudem ist ein ganzheitlicher Ansatz bei der Entwicklung unserer Stadt ebenfalls eine alte Forderung von uns, die nun eingelöst wird. Allerdings gibt es auch zahlreiche Dinge, die noch verbessert werden können oder gar müssen.
August-Bebel-Platz und Hallenbad Höntrop
Zwei weitere Herausforderungen in Wattenscheid sind die Neugestaltung des August-Bebel-Platzes und das Hallenfreibad Höntrop. Die gegen die Stimmen von UWG: Freie Bürger beschlossene Umgestaltung des August-Bebel-Platzes mit Herausnahme des motorisierten Individualverkehrs hat die Wattenscheider Bevölkerung mit Unverständnis und Kopfschütteln aufgenommen. Dass hier Handlungsbedarf besteht, wird auch von uns nicht bestritten. Aber hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das kann nicht die Lösung sein. Die letzten Kaufleute sollen so von dort vertrieben werden, das ist mit uns nicht zu machen!
Das Hallenfreibad in Höntrop, dessen Sanierung als Vorzeigeprojekt der neu gegründeten Wasserwelten Bochum GmbH gelten sollte, wird immer mehr zum Desaster. Wattenscheid braucht kein großes Badeparadies, sondern ein funktionierendes Schwimmbad mit kleiner Sauna für den bestehenden Bedarf. Ein überdimensioniertes Hallenfreibad im Südpark bedeutet, große Besucherströme, eine erhebliche Zunahme des Verkehrs im Umfeld eines Naherholungsgebietes und Eingriffe in die Natur. Das brauchen wir nicht. Dass die Gutachten zur Planung bis heute nicht vorliegen, verärgert uns sehr, denn diese sind die Grundlage für weitere Überlegungen und Planungen. Die Bürger*innen wollen und brauchen das Bad in Höntrop und wir wollen im Jahr 2020 eine Planung beschließen, die dann zügig umgesetzt werden kann.
Fußgängerfreundliches Bochum
Die Brückensanierung in Bochum läuft zwar, aber immer wieder erreichen uns Meldungen von Brücken, die nun doch kurzfristig saniert werden müssen. Derzeit gibt es in Bochum so viele Baustellen, dass, wenn man die Umleitung benutzt, direkt in die nächste Baustelle fährt. Ein besseres Baustellenmanagement ist dringend vonnöten, auch wenn die Schuld nicht immer bei der Stadt Bochum, sondern auch bei anderen Akteuren, wie der Bahn oder Straßen NRW liegt.
Beim Neubau von Straßen wird immer mehr an die Belange des Radverkehrs gedacht, zulasten des Autoverkehrs, wie man denkt. In Wirklichkeit sind am stärksten die Fußgänger betroffen. Die Planungen denken kaum noch an sie. So sind Radwege mittlerweile breiter als Fußwege. Bei der Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Städte (AGFS) hat sich die Stadt zur Verbesserung der Verhältnisse für Radfahrer und Fußgänger verpflichtet. Die UWG: Freie Bürger begreift die Mobilität nicht als Kampf widerstreitender Interessen, sondern als partnerschaftlichen Miteinander im besten Sinne des Modal Split.
Wird heute im Ausschuss für Infrastruktur und Mobilität über einen Straßenneubau oder eine Sanierung diskutiert, kommt es in erster Linie darauf an, welche Interessengruppe den größtmöglichen Anteil des zur Verfügung stehenden Straßenraumes zu Lasten der anderen Verkehrsteilnehmer bekommt. Und wenn dann der Radweg breiter ist als die Fahrbahn für die PKW wird dies als Erfolg gefeiert.
Vergessen wird dabei häufig, dass auch der wichtige ÖPNV auf der Straße fährt und dadurch die Attraktivität genommen wird. Wir setzen uns für bedarfsgerechten Straßenbau ein, mit gutem Verkehrsfluss, bestmöglicher Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer und klaren Regeln. Fußgänger sind uns dabei besonders wichtig, denn auf dem Weg zur Garage, zur Haltestelle oder auch zum Fahrradständer sind wir alle Fußgänger. Und auch die älter werdende Gesellschaft braucht mit Hilfsmitteln wie Rollatoren und Gehhilfen Platz auf den Wegen. Sie müssen ohne Hindernisse gut befahrbar und begehbar sein.
Schulen und "Haus des Wissens"
Die Kosten für Schulneubauten und Kindertagesstätten laufen derzeit heftig aus dem Ruder. Baukostenüberschreitungen von mehr als 30 Prozent sind an der Tagesordnung. Bei Neubauten von Feuerwachen ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Hier könnte eine kommunale Baugesellschaft, die als privatrechtlich organisierte Gesellschaft günstigere Ausschreibungsergebnisse erzielen kann und vergleichbare Bauten günstiger planen und realisieren kann, die Lösung sein. Da sich derzeit die Zentralen Dienste im Umbruch befinden, wird diese Idee noch etwas aufgeschoben, aber bleibt eine Forderung der Fraktion UWG: Freie Bürger.
Das Haus des Wissens, bei dem sich gerade die Jury beim Wettbewerb für einen mutigen Entwurf entschieden hat, ist ein Meilenstein in der Stadtentwicklung Bochums. Die hohen Kosten von 100 Mio. Euro sind bei dem strategischen Ansatz von Volkshochschule, Bibliothek und Räumen für Bürger sowie zur Abrundung einer Markthalle gut angelegt. Aber der Kostenrahmen muss unbedingt eingehalten werden. Wir werden interessiert und kritisch das weitere Vorgehen begleiten.
Beschäftigungsgesellschaft
Die UWG: Freie Bürger ist nicht nur für eine Entlastung der Wirtschaft, sondern genauso für eine Bekämpfung der Armut. Beides sind die Seiten derselben Medaille. Bei guter Konjunktur kommen mehr Menschen in Arbeit, aber die, die sich nicht selbst helfen können, bedürfen unserer besonderen Aufmerksamkeit. Die Gründung der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft war ein Antrag der UWG: Freie Bürger und wird nun doch so umgesetzt, wie wir es beantragt hatten. Leider haben wir Zeit und Geld verloren, weil die Mehrheit zunächst auf eine nicht zielführende Kooperation mit einer bestehenden Gesellschaft gesetzt hat. Nun aber soll es vorangehen, um Menschen wieder eine Perspektive zu geben.
Die Sportförderung ist uns stets ein großes Anliegen gewesen und ist es noch. Spitzen-, wie Breitensport brauchen attraktive Sportstätten für Training und Wettkampf. Der Umbau des Lohrheidestadions in ein Eventstadion muss die Belange der Leichtathletik des TV 01, aber auch die der SGW 09, die nach wie vor guten Fußball spielt, berücksichtigen. Der Nachwuchs ist die Zukunft des Vereins. Die Bezirke müssen für die ihnen übertragenen Aufgaben auch mit den notwendigen Finanzmitteln ausgestattet werden. Wenn durch das Hochbausanierungsprogramm bereits ein Großteil der Mittel vorher festgelegt ist, bleibt für bezirkliche Anliegen zu wenig Geld übrig, über das frei verfügt werden kann. Daher fordern wir eine bessere Ausstattung der Bezirke mit Finanzmitteln.
Insgesamt werden wir dem Doppelhaushalt 2020/2021 zustimmen. In Bochum wird so viel investiert wie noch nie und trotzdem kann ein positiver Haushalt vorgelegt werden. Aber man darf sich nicht auf dem Erreichten ausruhen, Haushaltsdisziplin ist nach wie vor das Gebot der Stunde. Wir hoffen auch, dass der Haushalt in den nächsten zwei Jahren stabil bleibt und nicht durch Kostenexplosionen wegen aufkommender Begehrlichkeiten belastet wird. An dieser Stelle danke ich dem Team der Kämmerei mit der Dezernentin Frau Dr. Hubbert an der Spitze für die gute Arbeit bei der Aufstellung des Haushaltes und der Einarbeitung der zahlreichen Veränderungen.
Bei allem Verständnis für den Blick in die Zukunft, sollten wir unsere Vergangenheit nicht vergessen und uns bewusst sein, dass der Aufschwung unserer Stadt mit der Kohle und dem Stahl angefangen hat, aber immer wieder ein neues Kapitel hinzukommt.
Glück Auf für Wattenscheid und Bochum!
Autor:Ulli Engelbrecht (UWG: Freie Bürger) aus Bochum |
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