Wissen – Wandel – Wir-Gefühl - Was taugt der neue Slogan für Bochum und Wattenscheid?

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Wissen – Wandel – Wir-Gefühl, das soll nach dem Willen vom Stadtmarketing (Bochum-Marketing) so, oder so ähnlich der neue Stadtslogan werden (RN vom 25.02.14).

Nach dem letzten kläglichen Anlauf die Stadt unter der Marke „Bochum macht jung“ zu vermarkten, gibt es nun einen neuen Versuch. Der erste war letztlich gescheitert, weil der oberste Wirtschaftsförderer Paul Aschenbrenner (SPD) ohne Ausschreibung und am Rat vorbei den Werbevertrag für über 900.000 Euro freihändig vergeben hatte (Welt vom 30.08.07). Daraufhin stampfte der Stadtrat die Kampagne gegen die Stimmen der SPD ein, auch um nicht weiter in den Geruch des Klüngels zu kommen (WAZ vom 09.05.08). Gegen den jetzigen Chef der Wirtschaftsförderung und damaligen verantwortlichen Mitarbeiter in der Verwaltung, Heinz-Martin Dirks (SPD) wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet und er wurde von der OBin offenbar gerügt (WAZ vom 17.09.08). Die Vermarktung der Stadt stand also bisher unter keinem guten Stern.

Der Vorschlag von Bochum-Marketing lautet jetzt, die Stadt solle unter dem Slogan „Wissen – Wandel – Wir-Gefühl“ vermarktet werden. Nachdem die Bürger ab Mittwoch dazu noch online befragt werden, ist geplant, dass der Rat im April über das hinter dem Slogan stehende Vermarktungskonzept abstimmt.

Grundsätzlich sollte der Slogan für eine Stadt glaubwürdig sein. Er sollte Werte und Kernkompetenzen vermitteln, für die die Stadt steht. Doch genau da besteht das Problem des neuen Slogans.

Aber beleuchten wir den Slogan im Einzelnen von hinten nach vorne:

Wir-Gefühl - Vermittelt werden soll, alle Bochumer sind gerne Bochumer und ziehen gemeinsam an einem Strang, stehen hinter der Stadt und ihrer Entwicklung.

Leider ist dem aber nicht so, denn ein solches, durchaus wünschenswertes Wir-Gefühl gibt es bei einem wesentlichen Teil der Bochumer Einwohner nicht. 72.000 Menschen, also 20% der Einwohner, empfinden sich zum großen Teil nicht mal als Bochumer, sondern als Wattenscheider. Auch über 40 Jahre nach der Eingemeindung ist es der Stadt eben gerade nicht gelungen, ein stadtweites Wir-Gefühl zu entwickeln. Tatsächlich arbeiten Wattenscheider und Bochumer vielfach nicht miteinander, sondern nebeneinander, nicht selten sogar gegeneinander. Misstrauen bis Verachtung prägen leider teilweise das Verhältnis.

Die Wattenscheider fühlen sich nach wie vor bei der Eingemeindung von den Bochumern über den Tisch gezogen und haben kein Vertrauen in die Bochumer Politik. Auch mag man sich nach 40 Jahren mit diesen Befindlichkeiten in Bochum nicht mehr beschäftigen wollen oder sie als überholt zurück weisen, sie sind trotzdem real und bestehen leider, weil man das Problem Jahrzehnte lang ignoriert hat. Und Vorfälle, wie zuletzt zum Zeche Holland-Turm sind leider nicht geeignet die bestehenden Bedenken zu zerstreuen.

Nicht wirklich erstaunlich ist, dass Bochum-Marketing dieses Problem vermutlich bisher gar nicht gesehen hat. Als das Unternehmen postuliert hat, es bestünde bei den Einwohnern ein „Wir-Gefühl“, hatte man Wattenscheid offensichtlich nicht auf dem Schirm.

So sind die Tätigkeiten von Bochum-Marketing auch eigentlich fast ausschließlich auf Bochum gerichtet, allenfalls am Rande beschäftigt man sich mit Wattenscheid. So kommen auch die privaten Gesellschafter, die 51% des Unternehmen neben der Stadt (49%) halten, eigentlich alle aus Bochum und nicht aus Wattenscheid. Außer beim Stadtteilwettbewerb und der Gertrudiskirmes mit Kunsthandwerkermarkt ist Bochum-Marketing kaum in Wattenscheid präsent. Alle wirklich großen Veranstaltungen (z.B. Weihnachtsmarkt, Musiksommer), die man initiiert, finden in Bochum statt. Auch z.B. einen Weihnachtsmarkt für Wattenscheid will man offenbar nicht organisieren.

Wattenscheid liegt offensichtlich nicht im Fokus von Bochum-Marketing. Wir-Gefühl heißt also für Bochum-Marketing eigentlich nur „Wir Bochumer“. Man lässt die Befindlichkeiten der Wattenscheider außer Acht. Dabei ist Wattenscheid eigentlich eine mittelgroße Stadt von 72.000 Bürgern, also quasi eine Stadt in der Stadt.

Wandel - Bisher fällt Bochum leider weniger durch Anstrengungen auf, die aktiv den Wandel der Stadt gestalten, sondern mehr durch Beharrung, durch Festhalten an den althergebrachten Strukturen. 40 Jahre lang hat man die Universität fast vollständig ignoriert und wollte sich eigentlich nicht als Universitätsstadt definiert wissen. Bei Opel wollte man die sich abzeichnende Abwanderung lange nicht wahrhaben. Und auch heute will man unbedingt Industrie, Produktion und Logistik für die leeren Flächen gewinnen. Immer noch nicht öffnet man sich vorbehaltslos dem Wandel, sondern versucht an den alten Strukturen fest zu halten, um sich ggf. am Ende doch dem Wandel entziehen zu können.

Aber vielleicht kann die Stadt, an dieser Stelle jetzt einen Schritt nach vorne machen, wenn sie sich ganz bewusst den „Wandel“ auf die Fahne schreibt. Das könnte ein Signal sein, sich diesem Wandel nunmehr völlig zu öffnen und eine vorbehaltlose Bereitschaft zu entwickeln den Wandel aktiv mitzugestalten.

Wissen - Wir sind bisher vielmehr eine Bildungs- als eine Wissensstadt. Denn die Menschen, die an unseren Universitäten und Hochschulen ihr Wissen vermittelt bekommen, wandern danach leider größtenteils ab, mangels Arbeits- und Wohnmöglichkeiten. Der Anteil der Hochschulabsolventen an den Einwohnern liegt bei bei uns nur bei 13%, in München, Hamburg, Berlin oder den sonstigen Universitätsstädten liegt dieser Anteil hingegen bei deutlich über 20%.

Zum Arbeiten und Wohnen sind die Möglichkeiten in Bochum für hochqualifizierte Menschen leider nicht gut genug. 50.000 Menschen studieren in unserer Stadt, nur ein kleiner Teil davon lebt hier. Nach dem Studium finden sie hier keinen Platz zum Arbeiten und Wohnen und kommen daher erst gar nicht her oder ziehen nach dem Studium weg. Zu lange hat man es versäumt, die Stadt gerade für diese Einwohner attraktiv zu machen.

Eigentlich ist Bochum also eine Bildungsstadt. In dieser Richtung, insbesondere im Bereich der Hochschulbildung liegen wir ganz weit vorne. Bei der klassischen Schulausbildung hapert es allerdings. Hier müsste man ansetzen, statt Schulen zu schließen, in die Sanierung und Ausstattung investieren, damit auch hier ein vorbildliche Schullandschaft für unsere Kinder und Enkel entsteht. Die Stärken auf allen Ebenen der Bildung in der Stadt ausbauen, das muss unser Ziel sein.

Bochum, Stadt der Bildung – das wäre dann ein glaubwürdiger Slogan, kurz prägnant, authentisch. Das Gelaber von Bochum Marketing von den Kernkompetenzen „Talentschmiede im Ruhrgebiet“, „Shootingstar der Wissensarbeit“, „Hotspot der Live-Kultur“ und „Großstadt mit Lebensgefühl“ ist mal wieder viel zu viel heiße Luft ohne ausreichend tragfähiges Fundament.

Wir haben es auch nicht nötig, mehr zu scheinen, als wir sind. Bochum, du liebst dich ohne Schminke, bist 'ne ehrliche Haut, du bist einfach zu bescheiden, du bist keine Weltstadt, gerade das macht dich aus, so ist es, sang schon Herbert Grönemeyer und hat damit bis heute Recht. Bochum muss authentisch sein und bleiben.

Und es wird Zeit, dass wir uns um ein echtes Wir-Gefühl von Bochumern und Wattenscheidern kümmern. Dazu müssen beide Seiten aufeinander zugehen und auf Augenhöhe Wege finden, dass man zusammen an einem Strang zieht und gemeinsam die Gesamtstadt nach vorne bringt. Wenn das gelingt, dann kann man in 20 Jahren auch das Wir-Gefühl in des Stadtslogan aufnehmen.

Ab Mittwoch jedenfalls haben die Bürger das Wort und können über die Stadtseite ebenfalls ihre Meinung zum neuen Slogan kundtun.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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