Wird der Wohnraum in Bochum und Wattenscheid knapp?
Bochum braucht mehr Wohnraum. Mit großem Pressewirbel verkündet der Oberbürgermeister seit geraumer Zeit eine neue Wohnungsbauoffensive insbesondere im Bereich des bezahlbaren Wohnraums (Pressemitteilung vom 15.02.16). „Bochum wolle bauen.“ verkündete der Oberbürgermeister auch auf der 2. Investorenkonferenz zur Initiative für Wohnungsbau am 18.04.16. Der Wohnraum in Bochum würde knapp und besonders preisgünstiger Wohnraum würde fehlen.
Geht die Wohnungsbauinitiative der Stadt in die richtige Richtung? Braucht Bochum neue Wohnungen und wenn ja in welchem Segment?
Welche Lage zeigt sich auf dem Wohnungsmarkt?
Zunächst ist festzustellen, der durchschnittliche Mietpreis in Bochum ist mit 6,10 Euro/qm (Wattenscheid 5,47) erheblich niedriger als in den meisten Großstädten, in München liegt der Mietpreis bei 20,67 in Frankfurt bei 14,60 und in Berlin bei 10,77 Euro/qm (Mietpreisstatistik). Das spricht nicht für einen angespannten Wohnungsmarkt, bei dem eine überhöhte Nachfrage an Wohnraum einem zu kleinen Angebot gegenübersteht und so die Mietpreise hoch treibt.
Auch Studentenwohnungen sind nirgendwo in Deutschland günstiger als in Bochum (WDR vom 06.04.16).
Entsprechend sagen die Voraussagen des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW für Bochum anders als für Dortmund und Essen auch für die Zukunft eine weitere Schrumpfung der Haushalte voraus. Nur wenn man die Flüchtlinge in die Berechnungen einbezieht, wächst die Einwohnerzahl in Bochum aktuell nach Jahren des Niedergangs wieder. Für die Stadt besteht also eine der Herausforderungen darin, für die Flüchtlinge mit Bleibeperspektive adäquaten Wohnraum zu schaffen. Diese drängen insbesondere auf den Markt für preisgebundenen Wohnraum. Hier ist also mit einer Verknappung des Wohnraumangebotes zu rechnen, der eine Erhöhung des Angebotes an entsprechendem Wohnraum nach sich ziehen sollte.
Nun liegt im Ruhrgebiet keine Stadt bei den Zahlen der Fertigstellung von neuem Wohnraum schlechter als Bochum (Grafik Bauintensität). Entsprechend zeigt auch die Wanderungsstatistik, dass Bochum an alle Nachbarstädte außer Gelsenkirchen Einwohner verliert. Offensichtlich gibt es in Bochum trotz einer sinkenden Zahl der Haushalte einen Bedarf an Wohnraum, den die Stadt bisher nicht erfüllen kann. Menschen, die eigentlich in Bochum wohnen wollen, ziehen nach Witten, Hattingen, Dortmund oder andere Nachbarstädte.
Auch dieser Entwicklung sollte mit zusätzlichem Angebot von Wohnraum entgegengewirkt werden. Doch in welchen Segmenten ist der Bedarf an Wohnraum besonders dringend?
Dazu gibt das Wohnungsmarktbarometer Auskunft: Die Akteure auf dem Wohnungsmarkt halten die Lage insbesondere für angespannt auf dem Bereich von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern (Grafik Marktlage). Im Bereich von Mietwohnungen und preisgebundenem Wohnraum wird die Lage als eher ausgewogen eingeschätzt. Ausnahme: beim preisgebundenem Wohnraum für große Wohnungen, also insbesondere für Familien.
Die Hauptzielrichtung der Wohnungsmarktpolitik sollte also auf der Schaffung von mehr Wohneigentum liegen. Menschen, die nach Wohneigentum suchen, ziehen in andere Städte, wenn sie in Bochum kein entsprechendes Wohnraumangebot finden. Menschen die Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäusern kaufen bzw. selbst bauen wollen, zahlen zudem regelmäßig Steuern und städtische Abgaben. Für die Stadt bedeutet das zusätzliche Steuereinnahmen, die diese dringend benötigt. Können diese für Bochum oder Wattenscheid gewonnen werden, kann auf diese Weise einer zunehmenden sozialen Schieflage in der Stadt entgegen gewirkt.
Bereits heute haben fast 50% der Bochumer und Wattenscheider Anspruch auf sozial geförderten Wohnraum. Es besteht also ein Anspruch, dass die Stadt die Kosten für den Wohnraum ganz oder teilweise übernimmt. Diese Kosten müssen aber auch refinanziert werden. Das wird kaum gelingen, wenn die Zahl der Anspruchsberechtigten steigt, die der steuer zahlenden Einwohner aber gleichzeitig sinkt.
Die Hauptprobleme sehen die meisten Wohnungsmarktakteure laut Wohnungsmarktbarometer darin, dass in Bochum und Wattenscheid zu wenig Bauland zu moderaten Preisen verfügbar ist. Das Investitionsklima wird als besser eingeschätzt als in der Vergangenheit. Da die Opposition im Stadtrat nunmehr durchgesetzt hat, dass das Bochumer Wohnbaulandkonzept endlich zu Grabe getragen wurde, ist nunmehr ein weiteres entscheidendes Investitionshemmnis aus dem Weg geräumt worden. Als Invetsitionshemmnisse werden weiterhin die Baugenehmigungs- und planungspraxis gesehen sowie die mangende Zahlungsfähigkeit der Mieter. Bei der Baugenehmigungspraxis hat der neue Baudezernent durch eine Reorganisation des Bauordnungsamtes schnelle Verbesserungen in Aussicht gestellt. Auch will er verstärkt städtisches Bauland aktivieren und dem Markt verfügbar machen.
Ein weiteres Problem ist, dass der Wohnungsbestand in Bochum und Wattenscheid in die Jahre gekommen ist und vielfach dringend Modernisierungsmaßnahmen erforderlich sind. Ein Investitionshemniss besteht bei Bestandsmaßnahmen in den geringen Mieten und den fehlenden gesetzlichen Möglichkeiten, die Investitionskosten durch erhöhte Mieteinnahmen zu refinanzieren.
Vier Stadtviertel werden von den Akteuren der Wohnungswirtschaft überwiegend negativ bewertet: Gleisdreieck, Kruppwerke, Wattenscheid-Mitte und Günnigfeld (Grafik Bewertung Stadtviertel). Hier liegt das Investitionshemmnis im negativen Bild, das die Viertel bei den Wohnungssuchenden besitzen. Damit in den Vierteln wieder mehr Menschen wohnen wollen, müssten die Stadtviertel deutlich aufgewertet werden.
Wo besteht besonderer Handlungsbedarf?
Die Lage am Bochumer und Wattenscheider Wohnungsmarkt ist also überaus vielschichtig. Es zeigen sich jedoch drei Handlungsfelder, auf denen die Stadt bevorzugt tätig werden sollte:
- Es muss der notwendige Wohnraum geschaffen werden, damit die dauerhaft in der Stadt lebenden Flüchtlinge adäquaten und preisgünstigen Wohnraum beziehen können, ohne dass es insbesondere im Marktsegment für bisher günstigen Wohnraum zu Knappheiten kommt, die eine Explosion der Mietpreise zur Folge haben könnten.
- Ein besonderer Schwerpunkt der Wohnungsmarktpolitik sollte in der Schaffung von mehr Wohneigentum (Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser) liegen. Hier ist die Lage besonders angespannt. In diesem Bereich sind die resultierenden positiven finanziellen Effekte für die Stadt zudem am größten.
- Im Fokus der Politik sollte auch die Modernisierung des Bestandes liegen und die Verbesserung der Aufenthalts- und Lebensqualität in den Stadtvierteln. Diese müssen ebenso wie die Bestandsbauten für die Mieter attraktiver werden.
Wichtig ist, dass nicht zügellos preisgünstiger Wohnraum neu gebaut wird. Denn wird zu viel neuer Wohnraum geschaffen, verfallen in der Folge die Mietpreise und werden die Bestandsgebäude zu Gunsten der Neubauten leer gezogen. Sinken die Mietpreise aufgrund eines überhöhten Mietangebots zu stark, ist es für die Vermieter nicht mehr lohnenswert in ihre Bestandsimmobilien zu investieren. Es kommt zu einer Entwicklung, bei der ein zunehmender Verfall des Bestandswohnraums droht.
Es ist also darauf zu achten, dass das neue Angebot an Wohnraum in einem adäquaten Verhältnis zur Nachfrage wächst.
Studentenstädte Bochum und Wattenscheid
Neben den erwähnten Handlungsfeldern, ergibt sich in Bochum und Wattenscheid noch eine besondere Aufgabe. Auch diese wurde bei der 2. Investorenkonferenz zur Initiative für Wohnungsbau angesprochen. Der selbst in Bochum lebende Referente des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW führte in seiner Analyse zu Bochum und Wattenscheid aus, dass allen in Deutschland prosperierenden und wachsenden Städten eine Eigenschaft gemeinsam ist, es sind Universitätsstädte. Nur eine Großstadt, die Universitätsstadt ist, würde bisher nicht wachsen: Bochum. Trotz rund 59.000 Studenten, gäbe es weiterhin keine wirklichen Studentenviertel und fehle es in der Stadt an studentischem Leben. 40% der Studenten lebten nicht in Bochum. Warum die Stadt es über Jahrzehnte versäumt habe, Studenten als Einwohner zu gewinnen, sei nicht zu erklären.
Hier liegt ein weiterer wichtiger Ansatz der Politik. Das Problem ist jedoch nicht wie in anderen Großstädten der Mietpreis, denn der ist in Bochum und Wattenscheid für Studentenwohnungen so niedrig wie nirgendwo sonst. Vielmehr gilt es bei der Stadtentwicklung vermehrt die besonderen studentischen Bedürfnisse zu berücksichtigen:
- Leichte Erreichbarkeit der Hochschulen und Universitäten mit Bus, Bahn, Rad oder zu Fuß,
- Lebendige Stadt- und Studentenviertel, mit für Studenten attraktivem Nahversorgungs- und Freizeitangebot (Einzelhandel, Cafés, Kneipen u.a.),
- Interessante Wohnraumangebote für Studenten (Wohngemeinschaften, Studentenwohnheime).
Mehr Studenten zu bewegen in Bochum zu wohnen ist also nur am Rande ein Handlungsfeld der Wohnungsmarktpolitik, Bochum und Wattenscheid zu Studentenstädten zu entwickeln, ist vielmehr eine Aufgabe der zukünftig Stadtentwicklung.
Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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