Haushaltsrede des Vorsitzenden der Fraktion UWG: Freie Bürger Jens Lücking zur Ratssitzung an 11. November 2021

"Wir kritisieren die Schwerpunktsetzung und lehnen den Bochumer Haushalt 2022 ab"

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

heute entscheiden wir über den Haushalt des kommenden Jahres, den Stellenplan und die Schwerpunkte für das kommende Jahr mit Auswirkungen auf die Folgejahre. Wegen der Coronapandemie und der Unsicherheiten durch die steigende Inflation ist es sinnvoll, diesmal keinen Doppelhaushalt aufzustellen. Haushaltsberatungen und -reden geben immer auch Gelegenheit, die politische Auseinandersetzung zu suchen, insbesondere im Hinblick auf die im kommenden Mai anstehenden Landtagswahlen. Dieser Versuchung kann ich gut widerstehen, weil die UWG: Freie Bürger nicht in der Bundes- und Landespolitik unterwegs ist, sondern nur dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger von Bochum und Wattenscheid verpflichtet ist.

Meine Damen und Herren,
auf den ersten Blick ist der Haushalt für das kommende Jahr mit einem bescheidenen Überschuss und hohen Investitionen zustimmungsfähig. Im Stellenplan sind nachvollziehbar mehr als 314 Vollzeitstellen zusätzlich im Ansatz und dies in Ämtern, die durch neue Aufgaben und stärkere Belastung dringend entlastet werden müssen. Wenn man sich allerdings die Kalkulation und die Schwerpunktsetzungen genauer anschaut, dann überwiegt die Kritik. Das Hallenfreibad in Höntrop, dessen Sanierung das Vorzeigeprojekt der Wasserwelten Bochum GmbH werden sollte, wird immer mehr zum Desaster. Wattenscheid braucht kein großes Badeparadies, sondern ein funktionierendes Hallenfreibad mit kleiner Sauna für den bestehenden Bedarf. Lediglich ein Hallenbad ohne Freibademöglichkeiten und mit Wegfall des bestehenden Sprungturmes wird der Bedeutung dieses Bades im Südpark nicht gerecht. Die Bürger*innen wollen und wir brauchen das Bad in Höntrop und wollen im Jahr 2022 eine Planung beschließen, die dann zügig umgesetzt werden kann. Der heute auf der Tagesordnung stehende Dringlichkeitsantrag der Koalition will uns Glauben machen, dass im Südpark ein neues Hallenbad entstehen soll. In Wirklichkeit wird mit diesem Beschluss das Ende des Bades im Südpark besiegelt und ein Hallenbad in der Südfeldmark angestrebt.

Meine Damen und Herren,
das Haus des Wissens, das in diesem Haushaltsjahr und insbesondere in den Folgejahren dreistellige Millionenbeträge verschlingen wird, wird von uns abgelehnt. Volkshochschule und Stadtbücherei, die nach dem Abriss des BVZ eine neue Bleibe brauchen, können auch im fast leerstehenden Citypoint und ggf. auch der Drehscheibe untergebracht werden, die zu erwerben wären. Das ist allemal günstiger und auch kalkulierbarer als das noch in der Planungsphase bereits kostenmäßig aus dem Ruder laufende Haus des Wissens. Wesentliche Kostengruppen sind bisher noch gar nicht mit Geld hinterlegt und die Baukostensteigerung in den geplanten Jahren bis zur Fertigstellung sind ebenfalls nicht berücksichtigt. Wenn das Musikforum so geplant worden wäre, dann hätten diejenigen, die damals dagegen waren, heute um so heftiger protestieren müssen. Mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger müssen wir verantwortungsvoller umgehen, denn dafür sind wir gewählt worden.

Die Waldbühne Höntrop ist ein gutes Beispiel dafür, wie schlecht die Verwaltung mit bürgerschaftlichem Engagement umgeht. Der Verein, der in den letzten Jahren die Waldbühne hergerichtet und bespielt hat, soll nun mit einem Drittel der von der Verwaltung errechneten Summe für die Sanierung das Kunststück schaffen, die Sanierung durchzuführen. Und beim Abschuss eines Vertrages, der ihnen zumindest das Recht sichert, die Bühne auch zu bespielen, tut sich die Verwaltung schwer. Der Antrag, die kalkulierten Sanierungskosten in den Haushalt 2022 einzustellen, wurde von der Koalition abgelehnt.

Der vorgelegte Haushalt beinhaltet eine Verkehrswende zu Lasten der Fußgänger. Beantragte Mehrausgaben im Haushalt für die Herrichtung von Fußwegen wurden von der Koalition abgelehnt und dafür mehr Geld für den Radwegebau eingestellt. Bei der Neuplanung von Straßen sollten alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen berücksichtigt werden und die Verkehrssicherheit aller vor ideologischen Vorgaben stehen.

Auch im kommenden Haushaltsjahr werden wieder keine Planungskosten für eine Großsporthalle zu finden sein. Dabei ist diese für Sportarten wie Handball, Basketball und Leitathletik schon lange vonnöten. Die in die Jahre gekommene Rundsporthalle ist an ihrem Standort nicht mehr ausbaufähig und bietet keine zeitgemäße Ausstattung mehr. Die Koalition spricht gern von der Sportstadt Bochum, aber Taten folgen dann nicht.

Alle reden von Klimakrise und einer besseren C02-Bilanz. Umso mehr verwundert es, dass die Koalition kein Geld für zusätzlichen Bäume ausgeben möchte. Hier hätte man etwas für unsere Stadt tun können. Aber wahrscheinlich sind Begriffe wie tiny forest und urban gardening deutlich sexier als einfach nur Bäume. Auch soll es nicht mehr Geld für Straßen, Wege und Grün geben. Wahrscheinlich haben wir in Bochum schon zu viel Grün…

Und wenn man noch etwas intensiver in den Haushalt schaut, bemerkt man, dass bei den Instandhaltungsrückstellungen, immerhin über 40 Mio. Euro, kaum Mittelabflüsse zu verzeichnen sind und die Einzelposten im Haushalt nicht transparent dargestellt sind. Ob es sich hier um einen Haushaltspuffer handelt, der bei Bedarf genutzt werden kann? Die nicht näher erläuterte Zusammenlegung von Produktgruppen erschwert erheblich den Durchblick und den Vergleich mit den Vorjahreszahlen. Dies sollte in Zukunft besser dargestellt werden. Ebenso sind die Pensionsrückstellungen auf die einzelnen Budgets verteilt, die aber nicht näher spezifiziert sind. Dies macht eine genaue Zuordnung unmöglich.

Bei aller Euphorie über den leicht positiven Haushalt, darf nicht vergessen werden, dass die Isolation der coronabedingten Mehrausgaben den Haushalt schönen und in der Zukunft noch in den Abschreibungen die nächsten Haushalte belasten werden. Den Weg der Konsolidierung unserer Finanzen müssen wir konsequent weitergehen und unsere Schulden abbauen. Heute redet man in Bezug auf die Zukunft unserer Kinder nur noch vom Weltklima, noch vor ein paar Jahren war es die wichtigste Herausforderung, ihnen nicht einen riesigen Schuldenberg zu hinterlassen. Und das gilt heute immer noch wie früher: Politik nur eindimensional zu denken und so zu handeln, greift zu kurz. Finanzen, Soziales, Kultur Stadtentwicklung sind ebenso wichtige Themen wie das Klima, das sicherlich auch seine Berechtigung hat, aber nicht allein unser Handeln bestimmen sollte.

Meine Damen und Herren,
wir setzen uns für bedarfsgerechten Straßenbau ein, mit gutem Verkehrsfluss, bestmöglicher Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer und klaren Regeln. Fußgänger sind uns dabei besonders wichtig, denn auf dem Weg zur Garage, zur Haltestelle oder auch zum Fahrradständer sind wir alle Fußgänger. Und auch die älter werdende Gesellschaft braucht mit Hilfsmitteln wie Rollatoren und Gehhilfen Platz auf den Wegen.

Die Bezirke müssen für die ihnen übertragenen Aufgaben auch mit den notwendigen Finanzmitteln ausgestattet werden. Wenn durch das Hochbausanierungsprogramm bereits ein Großteil der Mittel vorher festgelegt ist, bleibt für bezirkliche Anliegen zu wenig Geld übrig, über das frei verfügt werden kann. Daher fordern wir eine bessere Ausstattung der Bezirke mit Finanzmitteln.

Meine Damen und Herren,
die Kritik an der Schwerpunktsetzung des vorgelegten Haushaltes überwiegt das (noch) positive Ergebnis unter dem Strich, so dass die Fraktion UWG: Freie Bürger dem Haushalt für das Jahr 2022 keine Zustimmung erteilen kann und ihn daher konsequent ablehnt.

Glück Auf für Wattenscheid und Bochum!

Den Haushaltsplanentwurf 2022 der Stadt Bochum finden Sie hier:
https://bochum.ratsinfomanagement.net/news/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZXnFiv7n_40LwwZUDC5gdf0