Wie würde die Stadt am Sonntag wählen?
Viele Bürger überlegen noch, wem Sie bei der Landtagswahl am Sonntag (14.05.) ihre Stimme geben werden. Die Landtagswahl ist auch für unsere Stadt von großer Wichtigkeit.
Neben dem Stadtrat bestimmt niemand die Möglichkeiten und Probleme in der Stadt so wie die Politik des Landes NRW. Selbst Rot-Grün in der Stadt beklagen immer wieder, das Land würde die Stadt finanziell im Stich lassen. Die Hauptursachen für die extreme städtische Verschuldung und die ungenügende Finanzausstattung der Stadt wären nicht bei der Stadtpolitik, sondern beim Land zu suchen.
Machen wir ein Gedankenspiel, wäre die Stadt eine Person, wen würde sie wählen, wenn sie denn am Sonntag eine Stimme abgeben dürfte.
Für eine Wahlentscheidung würde die Stadt zunächst überlegen, wie erfolgreich war denn die aktuelle Landesregierung. Hat sie ihren Job gut gemacht, sollte sie ihre Politik fortsetzen? Wie gut hat sie sich für die Belange der Stadt eingesetzt?
Schauen wir auf die Politikfelder, auf denen die Landespolitik die Möglichkeiten und die Lage der Stadt wesentlich bestimmt:
Finanzausstattung der Stadt – Bekommt die Stadt vom Land genug Geld, um ihren Aufgaben nach zu kommen?
Insbesondere bei der Unterbringung der Flüchtlinge und der Inklusion zeigt sich, das Land überträgt der Stadt zwar immer neue Aufgaben, eine ausreichende Finanzierung der zusätzlichen Lasten der Stadt erfolgt aber nicht. Die Stadt muss erhebliche Summen zusätzlich aus eigenen finanziellen Einnahmen aufwenden, um die Aufgaben zu schultern. Das Land lässt die Stadt im Stich.
Schulen – Sind die Schulen ausreichend ausgestattet und in gutem Zustand, reichen die bereitgestellten Lehrer aus?
Bei der Ausstattung und dem Zustand der Schulen in Bochum besteht ein Sanierungsstau von mindestens 200-300 Mio. Euro. Die vom Land der Stadt zuletzt für die nächsten 5 Jahre bereit gestellten 49 Mio. für die Schulsanierung („Gute Schule 2022“), sind angesichts der tatsächlichen Notwendigkeiten nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Nichtmal die finanziellen Mittel für die dringendsten Sanierung an den Schulen kann die Stadt aufbringen (BOjournal vom 09.05.17).
Bei den Schulen in Bochum und Wattenscheid, hängt der Schulerfolg nach wie vor im Wesentlichen vom Bildungsgrad der Eltern ab. In Stadtvierteln, in denen der Bildungsgrad hoch ist, werden an den Grundschulen wesentlich mehr Kinder für das Gymnasium empfohlen als in Vierteln, wo das nicht der Fall ist (BOjournal vom 11.05.17).
Schaut man sich die Schulen in der Stadt an, so muss man sich für den Zustand und die Ausstattung vielerorts schämen. In den letzten Jahren hat sich wenig geändert. Echte Bemühungen des Landes die Zustände wesentlich zu verbessern, sind nicht erkennbar.
Schulden – Hilft das Land der Stadt beim Schuldenabbau?
Über 2 Mrd. Euro Schulden hat die Stadt angehäuft. 30-40 Mio. Euro zahlt sie allein jedes Jahr nur für die Kreditzinsen. Die Schulden wird sie niemals zurückzahlen können. Erforderlich ist ein Schuldenschnitt bzw. ein Schuldenfond (LK vom 01.11.16).
Finanzielle Hilfen, um die Schulden abzubauen hat die Stadt nie vom Land erhalten. Ein Konzept zum schuldenschnitt gibt es nicht. Im Gegegenteil, um die 49 Mio. aus dem Föderprogramm für die Schulen zu erhalten, muss die Stadt diese zusätzlich als Schulden aufnehmen. Zins und Tilgung tragen zwar das Land, die Landesregierung erhöht aber die Schulden der Stadt, um nicht selbst Kredite aufnehmen zu müssen. So kann es bei der Wahl damit werben, das Land mache keine neuen Schulden.
Das ist Politik auf Kosten der Stadt und unlauter. Es zeigt zudem, dass bei der aktuellen Landesregierung kein Interesse besteht, die Stadt von ihren Schulden zu entlasten.
Ruhrgebiet/ Interkommunale Zusammenarbeit – Setzt sich das Land für eine vermehrte Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden des Ruhrgebietes ein?
Die Städte des Ruhrgebietes könnten mehrstellige Millionenbeträge sparen, wenn sie eine Reihe von Aufgaben gemeinsam erledigen würden, wie beim Nahverkehr, der Feuerwehr, der Kulturförderung, den Sparkassen oder den Stadtwerken. Leider gibt es bisher in vielen Bereichen gar nicht die gesetzlichen Möglichkeiten Aufgaben ruhrgebietsweit zu organisieren. Nach wie vor hat das Ruhrgebiet keine eigene Verwaltungsstruktur, auch dürfen z.B. die Städte keine gemeinsamen Feuerwachen betreiben. Das Land weigert sich bisher die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit sich das Ruhrgebiet als einheitliche Metropolregion organisieren und eine Ruhrgebietsverwaltung schaffen kann.
So verhindert das Land, das auch Bochum Millionen spart und Teil einer starken und zukunftsfähigen Metropole Ruhr wird.
Strukturwandel/ Ruhrgebietssoli – Unterstützt das Land den Strukturwandel in der Stadt?
Rund 1 Mrd. fließt auch 2017 noch in den Steinkohlebergbau, obwohl dort nur noch 2.500 Menschen beschäftigt sind. Über 50 Mrd. sind bereits in den sterbenden Bergbau geflossen. Statt einen wesentlichen Teil dieses Geldes in zukunftsfähige Arbeitsplätze u.a. in Bochum zu investieren, hat das Land, das Geld in den Erhalt einer zukunftslosen Industrie gesteckt. Die Steinkohlesubvention ist der Ruhrgebietssoli. Nur fließt der Soli anders als im Osten nicht in neue, aufstrebende Wirtschaftszweige und Infrastruktur, sondern in Strukturen, die keine Zukunft haben.
Entsprechend verbleibt die Arbeitslosigkeit in Bochum auch weiter auf hohem Niveau, während sie in ganz Deutschland sonst deutlich gesunken ist. Sie liegt seit Jahren bei rd. 10%. Auch bleibt die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit Jahren mit fast 8.000 nahezu unverändert.
Beim Strukturwandel tut sich nichts. Bemühungen des Landes, die die bestehende Lage verbessern sollten, sind wirkungslos verpufft.
Fördermittelabhängigkeit – Tut das Land etwas dafür, den Fördermittelirrsinn einzudämmen? (LK vom 07.02.15)?
Das Land verweigert der Stadt seit Jahren eine ausreichende Finanzausstattung. Stattdessen zwingt es die Stadt, für notwenige Projekte Fördermittel des Landes in Anspruch zu nehmen. Aus eigener Kraft kann Bochum keine größeren Projekte finanzieren. Es lässt sich nur die Dinge realisieren, bei denen das Land 80-90% Fördermittel dazu gibt. Das führt in der Stadt zu einer teuren Fördermittelbeantragungs-Bürokratie. Zudem werden eigentlich unsinnige Projekte realisiert, nur weil es dafür Fördermittel gibt, siehe Haltestelle Gesundheitscampus, U35-Verlängerung oder Untertunnelung „Bongard-Boulevard“.
Die Übergabe von Bewilligungsbescheiden für Fördermitteln ermöglicht den Landespolitikern einen großen Auftritt als spendable Geldgeber. Darauf will man im Land nicht verzichten. Entsprechend hat die Landesregierung auch in der letzten Legislaturperiode keine Anstalten gemacht, der Stadt mehr Geld zu überweisen, die diese dann aufgrund eigener Entscheidungen selbst in die notwendigen Projekte investieren könnte ohne dabei auf Fördermittel und den damit verbundenen Aufwand angewiesen zu sein.
Energiepolitik – Wie verhält sich das Land zu den hohen städtischen Verlusten bei den Energieinvestitionen? Über Jahre hat das Land die Ruhrgebietskommunen wie Bochum zu Energie-, insbesondere Kohleinvestitionen gedrängt. So hat Bochum sowohl beim Kraftwerk Hamm-Uentrop wie dem in Lünen schätzungsweise insgesamt 80-100 Mio. verloren. Dazu kommen 200 Mio. die bei der STEAG investiert wurden und ein hoher dreistelliger Mio. Verlust bei den RWE-Aktien.
War es vor wenigen Jahren noch im Interesse des Landes, dass Bochum und die andere Ruhrgebietskommunen sich an den Lasten der Energiepolitik des Landes beteiligen, interessiert sich das Land, jetzt nach dem die ein Scherbenhaufen ist, nicht mehr für die bei der Stadt aufgelaufenen Verluste. Entsprechend stellt sich das Land nunmehr von jeder Verantwortung für die Fehlinvestionen der Kommunen frei und will nichts mehr damit zu tun haben.
Fazit – Schaut man sich das Verhalten der Landesregierung in den dargestellten Politikfeldern an, dann hat die Landesregierung nichts für die Stadt getan. Es gibt aus Sicht der Stadt keinen Grund, diese erneut zu wählen.
Trotz 7 Jahren Regierung seit 2010, wurden die drängenden Probleme der Ruhrgebietsstädte nicht angegangen, geschweige denn gelöst. Die Politik der Landesregierung beschränkte sich darauf Födermittel zu verteilen und die Geldverteilung als Erfolg darzustellen. Um diese Politik zu finanzieren, sparte man weiter bei der ohnehin schon ungenügenden Finanzausstattung der Kommunen.
Aus Sicht der Stadt hat die Landesregierung keine Maßnahmen ergriffen, um die Lage der Stadt zu verbessern. Im Gegenteil, das Land hat Bochum wie die anderen Ruhrgebietskommunen immer wieder im Stich gelassen.
Haben sich die Bochumer Landtagsabgeordneten für die Stadt engagiert? Tatsächlich ist kein einziges größeres Projekt bekannt, das aufgrund von persönlichem Einsatz von Bochumer Abgeordneten der Stadt geholfen hätte.
Haben die Bochum Abgeordneten ggü. über der Landesregierung sich hörbar für die Stadt eingesetzt, haben sie sich über die ungenügende Finanzausstattung beschwert, sich für den Schuldenschnitt eingesetzt, mehr Geld für Schulen und Lehrer gefordert? Nein. War die Ministerpräsidentin oder Minister in Bochum, gab es immer nur warme Worte. Auch Kritik von der Mehrheitskoalition im Stadtrat konnte man nicht vernehmen. Unter Parteikollegen gab es nur Lob für eine Politik, die der Stadt nicht genutzt hat.
Im Ergebnis waren die Jahre 2010 bis 2017 für die Stadt verlorene Jahre.
Die Wahlentscheidung
Alle Parteien versprechen wie immer viel. Zum Ruhrgebiet steht in den Wahlprogrammen jedoch wenig bis gar nichts (Correctiv vom 10.05.2017), zu den genannten, für Bochum entscheidenden Themen eigentlich nichts Erwähnenswertes.
Trotzdem ist eines klar, ein „weiter so“ darf es nicht geben. Wichtig wäre, dass die Stadt mit ihrer Wahlentscheidung der Landesregierung klar macht, dass sie mit der Politik der vergangenen 7 Jahre überhaupt nicht einverstanden ist und damit ihr keine Zustimmung mehr geben kann.
Egal welche Parteien die neue Landesregierung stellen, sich weniger engagiert für die Belange der Stadt einsetzen als die aktuelle Landesregierung kann sich eine neue kaum noch.
Die Stadt verdient eine neue, andere Landesregierung, die sich auch für Bochum und das Ruhrgebiet einsetzt.
Wichtig in jedem Fall, die Bochumer und Wattenscheider müssen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.
Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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