Wie fußgängerfreundlich ist Bochum?

Fußgängerzone Bochum | Foto: Marku1988, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:HeuerAmpel_Bochum.jpg
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Bochum ist in dieser Woche Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte geworden. Dass noch viel zu tun ist, um die Stadt wirklich fahrradfreundlich zu machen, steht außer Frage, aber wie sieht es eigentlich mit der Fußgängerfreundlichkeit aus?

Gehwege gibt es in der Stadt überall, aber wie sieht es mit der Pflege aus, der Benutzbarkeit und erfüllen die Wege die baulichen Anforderungen? Da liegt leider weiterhin vieles im Argen.

Pflege der Gehwege und Bürgersteige

Viele Bürgersteige und Gehwehge sind ungepflegt, das Grün wächst an vielen Wegen in den Fußgängerraum. Das Unkraut breitet sich aus. In den Baumscheiben stehen Brennnesseln, Gras und andere Pflanzen manchmal schon meterhoch. Es scheint so, als würden einige Wege bei der Pflege der Stadt regelmäßig übersehen. Wer die Baumscheiben sauber hält ist seit Jahrzehnten ein Streitpunkt zwischen USB und Stadt. Läuft man z.B. durch das Stadtparkviertel, kann man nicht erkennen, dass für das Problem eine Lösung gefunden wurde. Niemand scheint sich zuständig zu fühlen. Das Grün wuchert ganze Bürgersteige zu.

Endlich muss die Stadt klären, wer für die Pflege der Gehsteige zuständig ist. Auch fehlt es offenbar an einem Pflegeplan, der festlegt, wann welcher Gehweg von Unkraut und von in den Laufraum reinragendes Grün befreit wird. Auch hier muss dringend nachgebessert werden.

Benutzbarkeit

Auch mit der Benutzbarkeit sieht es auf vielen Bürgersteigen und Gehwegen schlecht aus. Die Platten kippeln, teilweise fehlt das Kleinpflaster, Wurzeln drücken das Pflaster hoch. Wenn überhaupt was passiert, dann regelmäßig nur notdürftig. Mit ein bisschen Kies oder Asphalt werden Lücken notdürftig ausgebessert, teilweise werden fehlende Gehwegplatten mit Ashalt aufgefüllt.

Ärgerlich, häufig entstehen Schäden an Gehwegen nach Leitungsarbeiten auf den Gehwegen, wenn danach bei der Verfüllung der Unterbau für die Gehwegplattierung nicht mehr fachgerecht ausgeführt wird und spätestens im folgende Winter die Platten sich hochbiegen, verselbstständigen oder gar lose auf dem Weg herum liegen. Solche Fehler können eigentlich nur passieren, wenn eine ordnungsgemäße Abnahme der Bauarbeiten durch die Stadt versäumt wurde.

„Manche Bürgersteige sind mit dem Rollator kaum (mehr) zu schaffen. Auch fehlen an vielen Kreuzungen im Stadtgebiet immer noch die erforderlichen Bordsteinabsenkungen. Für gehbehinderte Menschen ist Bochum und Wattenscheid weiterhin ein schwieriges Pflaster. Manche Wege sind für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen aufgrund der baulichen Mängel von Bürgersteigen und Gehwegen nur sehr schwer oder sogar gar nicht benutzbar“, berichtet Heike Groß (STADTGESTALTERin) von den Erfahrungen der Senioren, mit denen sie im Rahmen der Intiative „Altengerechte Quartiere in Wattenscheid-Mitte“ vor Ort war (WAZ vom 09.04.16 und 07.05.16).

Die Stadt muss die baulichen Mängel erfassen und diese zeitnah beheben, so dass alle Gehwege für mobilitätseingeschränkte Menschen benutzbar sind.

Zugeparkte Wege

Auch ein Problem: Auf vielen Wegen in der Stadt ist für Fußgänger kaum mehr Platz, weil diese mit Autos zugeparkt werden. Ein Bürgersteig muss laut Verwaltungsvorschriften (VwV) der StVO eine Regelbreite von mindestens 2,5 m haben (1,8 m Laufbreite plus, 25 cm Sicherheitsabstand zu Gebäuden Zäunen oder Mauern und 50-70 cm zu Straßenraum bzw. Parkstreifen). Erst eine Mindestgehwegbreite von 2,5 m ermöglicht die ungehinderte Begegnung von zwei Fußgängern auch mit Kinderwagen, Handtaschen, Gehstock oder Regenschirm.

Wird das Parken auf Gehwegen gestattet, müssen laut VwV der StVO mindestens 2,2 m für die Fußgänger auf dem Gehweg verbleiben. „Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt, die Gehwege und die darunter liegenden Leitungen durch die parkenden Fahrzeuge nicht beschädigt werden können und der Zugang zu Leitungen nicht beeinträchtigt werden kann.“ (Zeichen 315).

In einer fußgängerfreundlichen Stadt ist also grundsätzlich kein Parken auf Gehwegen zuzulassen, wenn nicht mindestens 2,2m Fußwegbreite für die Fußgänger verbleiben. Überall da, wo aktuell Gehwegparken in Bochum oder Wattenscheid zugelassen wird und diese Anforderung nicht erfüllt wird, ist es abzuschaffen.

Weiterhin ist Gehwegparken gemäß VwV der StVO grundsätzlich dann nicht zu erlauben, wenn die bauliche Ausführung der Gehwege im Ober- und Unterbau nicht für das Gewicht von Kraftfahrzeugen ausgelegt ist, z.B. bei Kleinpflaster. Denn dann werden die Gehwege wie auch die darunter liegenden Leitungen durch das Parken auf Dauer beschädigt. Für die ständige Sanierung der Gehwege aufgrund der Parkschäden, hat die Stadt aber kein Geld. Auch in solchen Fällen ist das Gehwegparken aufzuheben.

Bochum hat an sich selbst den Anspruch gestellt, fußgängerfreundliche Stadt zu sein. Also ist die Verwaltung angewiesen entsprechend zu handeln. Das scheint allerdings noch nicht ganz angekommen zu sein. Die Bergstraße z.B. soll jetzt endlich neue Radstreifen erhalten (Verwaltungsvorlage 20161238). Das ist sehr zu begrüßen, jedoch will die Verwaltung weiterhin das Parken auf den Gehwegen gestatten, obwohl dann auch gemäß der neuen Planungen nur noch 1,5 m für die Fußgänger von eigentlich 3,5 m Bürgersteig verbleiben. Tatsächlich müssen schon heute die Fußgänger froh sein wenn noch eine Breite von etwas über einem Meter für sie neben den parkenden Autos übrig bleibt, da die parkenden Fahrzeuge zum Straßenrand reichlich Platz lassen und nicht selten über 2m breit sind (SUVs). Ein „unbehinderter Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr“ ist schon bei 1,5 m nicht mehr möglich.

Die genannte Vorlage ist einer fußgängerfreundlichen Stadt unwürdig. Der für eine Straße zur Verfügung stehende Platz ist nicht bevorzugt den Autos zur Verfügung zu stellen,so dass sich alle anderen Verkehrsteilnehmer sich mit dem begnügen müssen, was über bleibt. Ein solches Verständnis von Straßenplanung ist überholt.

Dem Parkdruck ist anders zu begegnen als durch Gehwegparken. In den Nachbarstraßen könnten teilweise durch Schrägparken neue Parklätze geschaffen werden (lokalkompass vom 02.08.14). Auch wird der Parkdruck an der Bergstraße besonders durch diejenigen erhöht, die mit dem Auto den Stadtpark besuchen und dort parken. Parkraum gibt es aber aufgrund der Parkhäuser am Stadionring und am St. Josef-Hospital genug. Um sicher zu stellen, dass Parkplätze an der Bergstraße und im angrenzenden Stadtparkviertel bevorzugt Bewohnern zur Verfügung stehen, ist ggf. ein Bewohnerparksystem einzuführen.

Fehlende Wegeverbindungen

Ein weiteres Problem, in Bochum und Wattenscheid fehlen für Fußgänger zwischen vielen Stadtvierteln an vielen Stellen direkte Wegeverbindungen. Ursache sind häufig fehlende Brücken über Autobahnen oder Bahnlinien. Was via Luftlinie nur wenige 100m auseinander liegt, lässt sich nicht selten nur über unzumutbare Umwege zu Fuß erreichen.

Auch bei neuen Planungen bleiben wichtige Fußgängerverbindungen unberücksichtigt. So fehlt bei der Planung des Ostparks eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke über den Sheffieldring (siehe Plan). Die Menschen, die im neuen Wohgebiet Ostpark im Wohnquartier Feldmark wohnen, werden das Stadtteilzentrum von Laer im Osten fußläufig nicht vernünftig erreichen können. Entweder sie laufen einen Umweg von mindestens 600m (das dauert zusätzliche 7,2 Minuten) oder sie laufen an der B226 entlang. Das wird kaum jemand tun. Will man allerdings das Stadtteilzentrum in Laer wiederbeleben, dann wäre es sinnvoll auch Menschen aus dem Ostpark eine direkte Erreichbarkeit zu Fuß bzw. mit dem Rad zu ermöglichen.

Ohne Zweifel ware eine Brücke nicht billig. Sie ist aber letztlich eine Folge des Sheffieldrings. Dieser wurde gebaut, damit man mit dem Auto die Stadt schnell umfahren kann. Das darf allerdings nicht auf Kosten der Belange der Fußgänger geschehen, indem diesen unzumutbare Umwege aufgebürdet werden, damit Autofahrer wenige Minuten schneller fahren können. Letztlich gehören die Kosten für die Brücke zu den Folgekosten des Sheffieldrings.

In einer fußgängerfreundlichen Stadt müssen bei der Planung von neuen Wohngebieten die Belange von Fußgänger zukünftig bevorzugt berücksichtigt werden. Auch hier besteht in Bochum, wie das Beispiel Ostpark zeigt, Nachholbedarf.

Fazit

Bisher war der Fußgängerverkehr immer ein Stiefkind der Stadtplanung, auch in Bochum und Wattenscheid. Zuverlässiger Indikator für die Lebensqualität einer Stadt ist jedoch, wie viele Kinder und alte Menschen auf Straßen und Plätzen unterwegs sind. „Eine Stadt ist dann lebenswert, wenn sie das menschliche Maß respektiert. Wenn sie also nicht im Tempo des Automobils, sondern in jenem der Fußgänger und Fahrradfahrer tickt.“ (Zitat von Jan Gehl, führender Stadtplaner, der u.a. die Stadtplanung von Kopenhagen, Melbourne, Stockholm und Zürich maßgeblich beeinflusst hat, die seitdem zu den lebenswertesten Städten der Welt zählen).

Bochum muss also umdenken. Maßstab der Stadtplanung sollten zukünftig besonders die Belange der Fußgänger sein.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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