Was sollte den neuen Bochumer Oberbürgermeister auszeichnen?
Nicht mal mehr ein Jahr und wieder steht für die Bochumer eine wichtige Wahl an. Das wichtigste Amt in der Stadt wird neu besetzt. Der Chef der Verwaltung, der Oberbürgermeister (OB), wird neu gewählt.
Auf Seiten der SPD wird vielleicht die Amtsinhaberin Ottilie Scholz erneut für das Amt kandidieren. Weiterhin sind der Fraktionschef im Rat Dr. Peter Reinirkens und der Abgeordnete im Landtag und Vorsitzende der Bochumer SPD Thomas Eiskirch im Gespräch. Aber egal, auf welchen Kandidaten man sich bei der SPD einigt, viel spannender ist die Frage, wird die Opposition es schaffen einen Gegenkandidaten aufzustellen, der dem SPD-Kandidaten Paroli bieten kann.
Der CDU wäre es 1999 fast gelungen das Amt des OB zu besetzen. Erst in der Stichwahl scheiterte CDU-Kandidat Friedrich-Wilhelm Müller gegen OB Otto Stüber. Seitdem hat die CDU jedoch kontinuierlich Stimmen verloren. Ein aussichtsreicher Kandidat ist bisher nicht in Sicht. Leider konnte sich seither weder die CDU noch ein Mitglied der Partei als echte Opposition zur SPD positionieren. Geschickt hat es die SPD immer wieder verstanden die CDU als verlässlichen Partner darzustellen, der wesentliche ihrer eigenen Positionen mitträgt und auch schon mal dann einspringt, wenn die Grünen dazu nicht bereit sind.
Zuletzt zog die SPD-OBin die Dringlichkeitsentscheidung zum Verwaltungstrakt mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU durch trotzdem die Verwaltung nichts vorgelegen konnte oder wollte, das auch nur halbwegs die Kriterien einer Wirtschaftlichkeitsberechnung erfüllte. Auch beim dem Geschachere um einen zusätzlichen Dezernentenposten für die CDU drängte sich von außen der Verdacht auf, die SPD wolle die CDU für ihr Mitwirken bei manchen Entscheidungen belohnen.
Unter diesen Bedingungen hat kein CDU-Kandidat, mit Ausnahme vielleicht von Norbert Lammert, der aber wohl kaum antreten wird, eine realistische Chance sich gegen einen SPD-Oberbürgermeisterkandidaten durchzusetzen. Viele Wähler mögen mit der jetzigen OBin und der SPD latent unzufrieden sein, doch in der CDU sehen sie bisher schlichtweg keine Alternative. Auf die Frage, warum die Wähler trotz der schlechten Lage der Stadt weiter die SPD wählen, bekommt man daher sinngemäß die immer wieder gleiche Antwort. „Was soll ich sonst wählen? Sie glauben doch selbst nicht, dass sich was ändert, wenn ich CDU wähle?“ Soweit die CDU sich mit ihrer Politik von der SPD tatsächlich abhebt, fällt es den Wählern zumindest nicht auf.
Alle anderen Parteien sind zu klein und zu schwach, als dass sie selbst einen aussichtsreichen Kandidaten aus ihren eigenen Reihen aufstellen und durchsetzen könnten.
In der aktuellen Situation kann nur ein unabhängiger OB-Kandidat einem SPD-Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt die Stirn bieten, ein Kandidat, der bei keiner Partei Mitglied ist und der allein aufgrund seiner persönlichen Glaubwürdigkeit und Kompetenz bei den Bürgern als Alternative zu einem SPD-Oberbürgermeister vertrauenerweckend wahrgenommen wird.
Ein solcher Kandidat kann auch für traditionelle SPD-Wähler eine wählbare Alternative sein. Auch bei der SPD sind nicht wenige der Ansicht, dass aktuell die Kompetenz im Rathaus fehlt, die erforderlich wäre, um die Stadt endlich wieder nach vorne zu bringen. Ein Kandidat, dem die Wähler zutrauen, diese Herkulesaufgabe zu erfüllen, muss nicht zwingend das rote Parteibuch haben. Bei einem unabhängigen Kandidaten wären viele Wähler geneigt Kompetenz einem roten Parteibuch den Vorzug zu geben. Auch ist es vielen SPD-Wählern ebenfalls ein Anliegen dem Filz und Klüngel im Rathaus ein Ende zu bereiten. Genau dafür wäre ein parteiunabhängiger Oberbürgermeister die Voraussetzung.
Ein unabhängiger Oberbürgermeister gefährdet auch nicht die Machtverhältnisse im Rat. Dort bleibt Rot-Grün am Ruder. Wenn er seiner Aufgabe gewissenhaft nachkommt, bevorteilt er weder die Opposition noch die Koalition, sondern bildet zum Rat ein sinnvolles Gegengewicht.
Ein unabhängiger Kandidat benötigt für einen Erfolg die Unterstützung fast aller Oppositionsparteien außer der CDU. Diese wird, wie es aussieht, kaum einen unabhängigen Kandidaten unterstützen, zu groß ist der eigene Anspruch. Man sieht sich als zweitstärkste Partei in der Stadt unabhängig von den Erfolgsaussichten weiterhin verpflichtet, einen Kandidaten aus den eigenen Reihen aufzustellen.
Wenn keine der kleinen Oppositionsparteien einen eigenen Kandidaten zur Wahl stellt und statt dessen eine Wahl des unabhängigen Kandidaten empfiehlt oder zumindest keinen anderen Kandidaten unterstützt, hat ein unabhängiger OB-Kandidat eine Chance. Im 1. Wahlgang kann der parteilose Kandidat den CDU-Kandidaten hinter sich zu lassen und in der folgenden Stichwahl mit Hilfe der Wähler der gesamten Opposition auch gegen den SPD-Kandidaten gewinnen. Zusätzliche Kandidaten hingegen würden Stimmen binden, die im 1. Wahlgang dem unabhängigen Kandidaten fehlen könnten.
Gegebenenfalls werden auch die Grünen, wie schon 2009, auf einen eigenen OB-Kandidaten verzichten, so dass sich auch die Grünen-Wähler insbesondere zwischen SPD und einem unabhängigem Kandidaten entscheiden könnten.
Letztlich ist der Erfolg eines unabhängigen Kandidaten im Wesentlichen abhängig von der Person des Kandidaten. Ob der Kandidat eine Frau oder ein Mann ist, spielt hingegen keine Rolle. Nur wegen der besseren Lesbarkeit beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen auf einen männlichen Kandidaten. Egal ob OB-Kandidat oder Kandidatin, er oder sie sollte von den nachfolgenden Kriterien möglichst viele, wenn möglich alle, erfüllen:
- Fachliche Kompetenz – Das wichtigste Kriterium. In dieser Hinsicht muss der unabhängige OB-Kandidat über jeden Zweifel erhaben sein. Er muss sich mit den entscheidenden Themen der Stadtpolitik auskennen und die Fähigkeit haben sich in Dinge, die bisher nicht seine Fachgebiete waren, in kürzester Zeit einzudenken.
- Durchsetzungskraft – Der OB-Kandidat muss sich in der Verwaltung durchsetzen können. Er muss seine Ziele und Strategien in Zusammenarbeit mit dem Rat konsequent verfolgen. Er muss deutlich machen, dass er bereit ist anspruchsvolle Ziele anzugehen und in der Lage ist zur Erreichung seiner Ziele entscheidende Personen aus allen politischen Lagern zu überzeugen und für die jeweilige Sache zu gewinnen.
- Neue Ideen und Impulse – Diese sind für eine positive Entwicklung unserer Stadt dringend erforderlich. Der OB-Kandidat sollte daher ein kreativer Kopf sein, der selbst geistreiche Ideen und Zielsetzungen entwickelt bzw. solche aufgreift, sie unterstützt und sich nicht scheut auch mal quer zu denken.
- Hoher Anspruch – Der Anspruch an das Oberbürgermeisteramt muss weit über die bloße Leitung der Stadtbürokratie und der latenten Missstände hinausgehen. Der OB-Kandidat muss die Trägheit und Anspruchslosigkeit von Politik und Verwaltung in der Stadt überwinden. Der Anspruch von Bochum muss sein in die Liga der prosperierenden Universitätsstädte aufzusteigen, es darf nicht mehr genügen, etwas besser als andere Ruhrgebietskommunen zu sein.
- Kommunikations- und Dialogbereitschaft – Der OB-Kandidat sollte ein kommunikativer Mensch sein. Er sollte sich in ständigem Dialog mit den Bürgern befinden, seine Entscheidungen und Ansichten erklären, sie rechtfertigen und mit den Bürgern abstimmen. Kein Wähler wird mit allen Ansichten des zukünftigen OBs übereinstimmen. Ein Oberbürgermeister muss allerdings überzeugend darlegen können, dass er seine Ansichten aus aufrichtiger eigener Überzeugung vertritt und nicht um etwa einer Lobby einen Gefallen zu tun.
- Bürgerbeteiligung – Der OB-Kandidat muss bereit sein bei wichtigen Themen der Stadt den Bürgern eine direkte Entscheidung zu überlassen und diese auch, sofern sie gegen seine eigene Meinung ausfällt, zu akzeptieren.
- Bochumer, Wattenscheider und überzeugter Bürger des Ruhrgebietes – Der OB-Kandidat muss alles gleichermaßen sein. Er muss das städtische Kirchturmdenken ebenso überwinden wie die Rivalität zwischen Bochum und Wattenscheid.
- Zähigkeit und Beharrlichkeit – Ein zukünftiger OB muss in seine Arbeit eine Unmenge Kraft und Zeit zu investieren. Sein primärer Platz ist das Rathaus. Dort muss er zäh und beharrlich seine Aufgaben erfüllen. Für repräsentative Aufgaben, wie Grundsteinlegungen, Ehrungen oder Einweihungen von Einrichtungen hat die Stadt ehrenamtliche Bürgermeisterinnen. Absoluten Vorrang vor der Repräsentation der Stadt hat die Organisation und Leitung der Verwaltung.
- Jung – Der OB-Kandidat sollte jung sein. Es geht darum, die Stadt für die Zukunft fit zu machen und Entscheidungen zu treffen, die bewirken, dass die Stadt auch für die jungen Generationen gute, wenn möglich sogar beste Perspektiven bietet. Wer könnte dies besser als ein OB, der genau diesen Generationen auch altersmäßig nahe steht?
- Unabhängig – Der OB-Kandidat braucht einen eigenen unabhängigen Kopf. Er muss bereit und in der Lage sein besonders auch gegenüber dem Land Klartext zu reden. Berechtigte städtische Forderungen (z.B. hinsichtlich Konnexität) muss er unmissverständlich vertreten und sich aktiv für die Interessen der Stadt einsetzen.
In gleicher Weise muss er gegenüber den Parteien des Rates eine unabhängige Position einnehmen. Hinterzimmerpolitik und Postenvergabe nach Parteibuch müssen einem unabhängigen OB fremd sein. Für einen parteilosen OB zählt nur die positive Entwicklung der Stadt. Folgerichtig bleiben bei seinen Entscheidungen Überlegungen zu Auswirkungen von solchen auf Einfluss und Macht der Parteien ohne Beachtung.
Auch aus dem zuletzt genannten Grund sollte es einem parteilosen OB möglich sein bessere Entscheidungen zu treffen als einem OB mit Parteibuch.
Zunächst gilt es jetzt zu schauen, ob es bei den Bürgern in Bochum und Wattenscheid und über die verschiedenen Parteigrenzen hinweg überhaupt die Bereitschaft gibt einen unabhängigen Oberbürgermeisterkandidaten zu unterstützen.
Ist die Bereitschaft dazu deutlich und steht die Unterstützung für einen unabhängigen Oberbürgermeister auf einer breiten Basis, sollte es möglich sein Kandidaten zu finden, die den Mut aufbringen, sich für eine OB-Wahl aufstellen zu lassen. Auch die Bereitwilligkeit der Parteien einen unabhängigen Kandidaten zu unterstützen, würde steigen, umso mehr ein Erfolg möglich erscheint.
Ein OB vom Format eines Daniel Zimmermann (OB Monheim) oder Boris Palmer (OB in Tübingen) allerdings ohne Parteibuch könnte der Stadt gut tun.
Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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