Vorreiter Bochum
Warum immer mehr Städte Seilbahnen planen und das Ruhrgebiet für Seilbahnen ideal ist
Nach Bochum, Wuppertal, Oberhausen, Düsseldorf, Ratingen, München, Stuttgart, Köln, Wiesbaden und Bonn sowie einigen anderen Städten wird jetzt auch in Dortmund über urbane Seilbahnen nachgedacht (Eine Seilbahn sollte Dortmunds Lösung bei der Verkehrswende sein, RN vom 07.01.19).
NRW will den ÖPNV- und Radverkehr ausbauen um den Autoverkehr zu halbieren
Der Druck auf die Städte über Alternativen zum Autoverkehr nachzudenken wird beständig größer. Das gilt besonders für das Ruhrgebiet. Die Straßenflächen sind erschöpft, weitere Flächen für zusätzliche Straßen oder Parkraum sind nicht vorhanden. Die Menschen stören sich an den Folgen des Verkehrs: Staus, zu viel Verkehrslärm, zugeparkte Geh- und Radwegen, zu viele Einschränkungen für Fußgänger und Radfahrer. Dazu kommt, der dringende Bedarf die Ziele der Luftreinhaltepläne zu erreichen um Fahrverbote zu vermeiden.
Doch gerade im Ruhrgebiet fehlt es an Alternativen zum Auto. Der ÖPNV wurde über Jahrzehnte vernachlässigt.In den meisten Kreisen und Städten des Ruhrgebietes werden immer noch über 60% der Wege mit dem Auto zurückgelegt, im Durchschnitt 53% (Umweltbericht Ruhr 2017) in deutschen Großstädten außerhalb des Reviers sind es in der Regel nur 30-40%.
Das Land NRW will den Pkw-Anteil in Ballungsräumen langfristig auf 25% reduzieren (ohne Zieljahr, Klimaschutzplan Nordrhein-Westfalen). Das Wuppertal Institut empfiehlt der Metropole Ruhr, dass bis zum Jahr 2035 jeweils ein Viertel aller Wege zu Fuß, mit dem Rad, mit dem ÖPNV und mit dem
Auto zurückgelegt werden sollen (Metropole Ruhr, Grüne Hauptstadt Europas).
Der gewünschte schnelle und deutliche Ausbau des ÖPNV-Netzes ist mit herkömmlichen Verkehrsmitteln nicht möglich
Wie will man diese Ziele erreichen ohne ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz? Bisher beträgt der Anteil des Öffentlichen Nahverkehrs am Modal Split im Ruhrgebiet nur 16%, in deutschen Großstädten liegt er in der Regel schon heute bei 20-30% (außer der Anteil des Radverkehrs ist hoch, Modal Split).
Das Ruhrgebiet hängt Jahrzehnte hinter den Entwicklungen in deutschen und europäischen Großstädten zurück. Um aufzuholen müsste der öffentliche Nahverkehr der Metropole Ruhr also mit einem riesigen Schritt schnell und nachhaltig ausgebaut werden. Doch das dafür erforderliche Geld ist in den überschuldeten Ruhr-Städten nicht vorhanden. Auch dauert die Errichtung neuer Schienenwege viel zu lange. Busse haben keine ausreichende Beförderungskapazitäten und sind bei den ÖPNV-Benutzern wenig beliebt, da unkomfortabel.
U-Bahnen sind noch um ein Vielfaches teurer als Straßenbahnen. Sie lohnen sich nur dann, wenn die Haltestellen in sehr dicht besiedelten Gebieten liegen. Die gibt es im Ruhrgebiet kaum. Selten wird über vier Stockwerken gebaut. Die Wohnviertel liegen häufig neben großflächigen Gewerbe- und Freiräumen. Im Umkreis möglicher Haltestellen von 400 Metern fehlt es regelmäßig an der Zahl von Nutzern, die zur Auslastung von U-Bahnlinien erforderlich wäre.
Für Straßenbahnen wiederum fehlt der Platz auf den Straßen. Der Bau einer eigenen Trasse ist fast nie möglich. Fahren die Straßenbahnen im Verkehr, werden sie als Behinderung wahrgenommen, müssen sich dem Verkehr anpassen, sind aufgrund unvorhersehbarer Verkehrssituationen wie Busse entsprechend langsam und häufig unpünktlich.
Urbane Seilbahnen bieten viele Vorteile
Alle diese beschriebenen Nachteile haben urbane Seilbahnen nicht (Tabelle, Vergleich Seilbahn mit Straßenbahn, Bus und Stadtbahn). Sie schweben auf eigener Trasse. Fahren annähernd geräuschlos. Werden nicht von anderem Verkehr behindert. Müssen an keiner Kreuzung halten. Werden nicht durch Unfälle oder Baustellen gebremst. Sie nehmen anderen Verkehrsmitteln keinen Platz auf der Straße weg. Sie können mehr Menschen befördern als Straßenbahnen. Kommt der Fahrgast an einer Seilbahnstation an, steht immer eine Kabine zum Einstieg bereit. Umsteige- und Wartezeiten gibt es kaum. Autobahnen, andere mehrspurige Straßen, Flüsse oder andere Hindernisse überfährt die Seilbahn, teure Brücken- oder Tunnelbauwerke entfallen.
Dazu kommt, der Bau ist regelmäßig deutlich günstiger als der von Straßen- oder U-Bahnen und dauert statt Jahren nur 12-18 Monate. Und auch im Betrieb- und der Wartung sind Seilbahnen deutlich günstiger als Schienenverkehrssysteme oder Busse. Für Seilbahnen braucht man keinen Betriebshof, keine teure Verkehrs- und Signaltechnik und nur einen Antrieb pro Linie, nicht für jedes Fahrzeug einen. Es muss nicht eine ganze Trasse samt Brücken und Tunneln Instand gehalten werden, sondern nur die Stationen und Seilbahnmasten, die alle 500 bis 1.000 m erforderlich sind.
Idealer Weise werden mit einer urbanen Seilbahn Punkte mit hohem Fahrgastaufkommen verbunden. In Bochum z.B. Hauptbahnhof, RUB/Hochschule, S-Bahn-Halt Langendreer-West, Laer/ Mark 51°7 und Ruhrpark (Update zum Seilbahnprojekt) oder in Wattenscheid: Mitte (August-Bebel-Platz), Wattenscheid Bahnhof, Höntrop-Kirche und Höntrop S-Bahnhof (Zentrale (Seilbahn-)verkehrsachse für Wattenscheid).
Werden urbane Seilbahnen eingesetzt, sollten die Fahrgäste aus den umliegenden Gebieten mit herkömmlichen Bussen oder Bus-Shuttles zu den Stationen der Seilbahnlinie gefahren werden. Anders als bei Bus und Bahn entfallen beim Umstieg auf die Seilbahn die Umsteige und Wartezeiten fast vollständig. Kommt der Fahrgast mit Bus oder Shuttle an, kann er in der Regel direkt in die Seilbahnkabine, die in der Station wartet, umsteigen. Umgekehrt kann er die immer pünktliche Seilbahn so nehmen, dass seine Kabine genau dann die Umsteigestation erreicht, wenn der Bus oder Shuttle eintrifft der ihn zu seinem Ziel weiter befördert. Hält Umsteigen heute Menschen von der ÖPNV-Nutzung ab, ist dies bei der Nutzung von Seilbahnen kaum mehr zu erwarten.
Besonders das Ruhrgebiet eignet sich für urbane Seilbahnlinien
Das Ruhrgebiet stellt aufgrund seiner Besiedlung einen idealen Raum für urbane Seilbahnlinien dar. Um die Überfahrung von Wohngebieten zu vermeiden, lassen sich die Frei- und Grünräume nutzen, die im Ruhrgebiet zwischen vielen Stadtvierteln liegen. Anders als in Metropolen und Großstädten sonst gehen die bebauten Gebiete häufig nicht in eineinander über. Die Bebauung ballt sich nicht im Zentrum der Agglomeration und darum herum erstrecken sich die Frei- und Grünflächen, sondern das gesamte Revier durchziehen Grünzüge, die für Seilbahnlinien genutzt werden können.
Auch das Fahren mit Gondeln über Gewerbe- und Industriegebieten ist unproblematisch. Die Überfahrung von Wohngebieten ist zwar rechtlich möglich, greift jedoch in die Lebenssituation der dort wohnenden Menschen ein. Von den Seilbahnkabinen, die in 20-70 m Höhe über die Häuser schweben, können Seilbahnutzer zwar nicht in die Häuser, aber in die Gärten schauen. Die Menschen sind Einblicksmöglichkeiten in Gebäude aus Fahrzeugen von Straßen aus viel kürzeren Abständen gewöhnt, Menschen, die in Kabinen über die Grundstücke fahren dagegen nicht. Daher sollte die Überfahrung von Wohngrundstücken weit möglichst vermieden werden.
Urbane Seilbahnlinien können im Ruhrgebiet also so geführt werden, dass die Überfahrung von Wohngebieten nur in Ausnahmefällen erforderlich ist. Das verbessert die Akzeptanz von urbanen Seilbahnprojekten deutlich. Hinzu kommt, dass für den Bau von Seilbahnlinien nicht über Jahre Straßen gesperrt werden müssen oder nur eingeschränkt nutzbar sind, wie es zum Beispiel auf der Bochumer Straße oder in Langendreer zuletzt für den Einbau neuer Straßenbahngleise erforderlich war. Der Bau von Seilbahnstationen und Masten findet regelmäßig abseits der Straßen statt.
Struktur des Nahverkehrsnetzes könnte den Anforderungen urbaner Seilbahnen angepasst werden
Zu untersuchen, ob für eine Erweiterung des Nahverkehrsnetzes nicht der Einsatz von urbanen Seilbahnlinien sinnvoll ist, wie dies derzeit für den Bochumer Süd-Osten zur Verbindung von RUB/Hochschule mit Laer/Mark 51°7 und Langendreer geschieht, ist also auch an vielen anderen Orten im Ruhrgebiet zweckmäßig.
In einem weiteren Schritt ist zu überlegen, ob es sinnvoll ist die Struktur des Nahverkehrsnetzes im Ruhrgebiet teilweise dahin gehend zu ändern, wichtige Punkte mit hohem Fahrgastaufkommen mit urbanen Seilbahnlinien zu verbinden und die Menschen dann mit anderen Verkehrsmitteln (Bus, Shuttles, später auch autonome Fahrzeuge) zu diesen Umsteigepunkten zu bringen. Eine solche Struktur hätte Effizienzvorteile und ließe sich schnell und leicht aufbauen. Das bestehende Netz durch zusätzliche Schienenwege zu ergänzen, ist in den letzten Jahrzehnten kaum gelungen und es sind keine Gründe erkennbar, warum das in Zukunft besser gelingen könnte. Dieser Weg ist angesichts des bestehenden dringenden Handlungsbedarfs zu langwierig. Die Lösung ist ein Nahverkehrsnetz das sich auch auf urbane Seilbahnlinien stützt.
Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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