Analyse und Vorschläge
Verbesserung der Erreichbarkeit der Bochumer Innenstadt zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV

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Die STADTGESTALTER haben untersucht wie gut die Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV in die Innenstadt kommen. Viele Wege sind wenig attraktiv. Zudem fehlen Zuwegungen und Bahn-Halte. Die STADTGESTALTER machen dazu neun Vorschläge.

Üblicherweise versorgen sich in Großstädten die Menschen, die rund um den Stadtkern wohnen in der Innenstadt. Das ist in Bochum leider oft nicht der Fall. Ein großer Teil derer, die in den Stadtteilen um die Bochumer Innenstadt wohnen, nutzt die gut ausgebauten Straßen, um mit dem Auto in die Einkaufszentren der Umgebung (Hannibal, Ruhr Park, CentrO usw.), die Nachbarstädte oder gar bis nach Venlo zu fahren.

Erreichbarkeit der Innenstadt zu Fuß oder mit dem Rad

Selbst Menschen, die in einem Umkreis von bis zu 5 km um die Innenstadt wohnen, besuchen die City eher selten. Das liegt zum einen an fehlender Attraktivität und dem sich ausdünnenden Angebot, aber auch an der schlechten Erreichbarkeit der Innenstadt zu Fuß oder mit dem Rad. Wer einmal im Auto sitzt, um seine Besorgungen zu erledigen, fährt häufig dann gleich weiter weg und lässt die Innenstadt links liegen.

Neben Flair. Ambiente und besonderen Highlights ist die gute und attraktive Erreichbarkeit nicht nur mit dem Auto ein dritter wesentliche Punkt, um eine Innenstadt zu beleben (Strategie zur Belebung der Bochumer Innenstadt).

Um die Innenstadt aus den umliegenden Stadtteilen zu erreichen, müssen Menschen, die zu Fuß gehen oder das Rad nehmen in Bochum gleich zwei Barrieren überwinden, zum einen den Ring aus Bahnlinien (Gleisdreieck), der die Innenstadt umschließt sowie den 4-spurigen Innenstadtring. Beide Hindernisse zu queren, macht den Weg in die Innenstadt häufig unattraktiv.

Untersuchung der bestehenden Zuwegungen

17 Möglichkeiten gibt es derzeit, die Innenstadt von außerhalb der beiden Ringe zu erreichen.

Erreichbarkeit Innenstadt zu Fuß und mit dem Rad

Die STADTGESTALTER haben alle untersucht und getrennt nach Erreichbarkeit zu Fuß und mit dem Rad bewertet (siehe Karte). Dabei wurden 6 Kriterien angewendet:

Baulicher Zustand der Wege – Mit diesem Kriterium wurde bewertet, ob überhaupt ein (Rad)Weg vorhanden ist und in welchem baulichen Zustand der Weg ist. So fehlt an allen Zuwegungen, die teilweise über den Ring verlaufen, ein Radweg, ebenso an Allee- und Castroper Straße, der Radweg. Entlang der Viktoriastraße ist eine Zumutung. Das Erreichen der Innenstadt von der Uhlandstraße ist auch mit dem Rad nur über den Gehweg möglich. An der Zufahrt zum Boulevard müssen sich Radfahrende an den Bussen vorbeiquetschen., es fehlen separierte Radfahrspuren (Umgestaltung des Zugangs zum Bongard-Boulevard). Dazu behindert Kopfsteinpflaster die Zuwegung z. B. an der Diekamp- oder der Schillerstraße. Die Brücke über die Gleise zur Präsidentstraße und der Tunnel zum Bermuda3Ecke an der Hermannshöhe sind für Radfahrende ebenfalls nur sehr eingeschränkt nutzbar.

Wegeführung - Umständliche indirekte Wegführungen und nötige Umwege (u.a. Universitätsstraße, Rottstraße), insbesondere aufgrund fehlender Querungsmöglichkeiten (z.B. Schillerstraße) über den Ring führten bei diesem Kriterium zu Abwertungen, ebenso die Überbrückung des Rings für den Fußverkehr in mehr als zwei separierten Fahrbahnquerungen (z.B. Herner oder Wittener Straße).

Attraktivität des Weges – Wege durch dunkle, abgesiffte Unterführungen (z.B. Schillerstraße oder Viktoriastraße, Gehweg zum Boulevard oder entlang stark mit Autoverkehr belasteter Hauptverkehrsstraßen (Ring und Radialen) macht den Besuch der Innenstadt besonders für Fußgänger*innen wenig attraktiv. Viele Menschen tun sich solche Wege ungern an und verzichten lieber auf einen Weg in die City. Für Radfahrende sind besonders solche Wege unattraktiv, bei denen sie mitten im Autoverkehr mitfahren müssen oder gezwungen sind abzusteigen und zu schieben (z.B. Weg durch den Hauptbahnhof, Uhlandstraße).

Querungszeit Ring – Zu lange Ampelphasen für Menschen, die den Ring überqueren müssen, führten hier zur Abwertung, insbesondere an der Herner Straße, am Schwanenmarkt oder zur Hans-Böckler-Straße.

Verkehrssicherheit - Für Radfahrende sind insbesondere Zufahrten gefährlich, an denen Radwege oder Radfahrstreifen fehlen (z.B. Uhlandstraße-, Schillerstraße, Einfahrt Boulevard oder über den Ring) oder die Radwege eher provisorischer Natur sind (Viktoriastraße). Dagegen bestehen für den Fußverkehr kaum Probleme mit der Verkehrssicherheit.

Gefühlte Sicherheit – Auf dem Buddenbergplatz oder in den Unterführungen von Wittener, Universitäts- , Schiller- und Viktoriastraße wie dem Tunnel an der Hemannshöhe fühlen sich Fußgänger*innen besonders nachts gefühlt unsicher. Auch wenn real das Risiko von Übergriffen geing ist, besteht eine subjektive Angst, Opfer eines Überfalls zu werden. Diese gefühlte Unsicherheit, kommt dagegen bei Radfahrenden selten vor, das sie entsprechende Orte schnell durchfahren.

Gesamtbewertung Erreichbarkeit zu Fuß/ mit dem Rad

Insgesamt schneiden von 17 Zuwegungen zur Innenstadt 2 für den Fußverkehr und 12 für den Radverkehr mit der Gesamtbewertung “schlecht” bis “sehr schlecht” ab. Nur jeweils zwei der Zuwege sind für Fußgänger*innen und Radfahrende als “gut” zu bewerten. Alle anderen sind nur Mittelmaß (13 beim Fußverkehr, 3 beim Radverkehr). Für eine attraktive Innenstadt müssten alle Zuwegungen mit “gut” bis “sehr gut” bewertet werden.

Handlungsbedarf und drei zusätzliche Zuwegungen

Es gibt also viel zu tun. Besonders wäre es wichtig, die Querungsmöglichkeiten des Rings zu verbessern und den Ring selbst attraktiver zu machen. Wie von den STADTGSTALTERn vorgeschlagen, den Innenstadtring zu Einbahnstraße zu machen, würde zu erheblichen Verbesserungen bei fast allen Zuwegungen und Zufahrten zur City führen (Der Bochumer Innenstadtring als Einbahnstraße).

Auch gibt es drei Stellen, an denen Zuwegungen zur Innenstadt fehlen:

Aus Richtung Westpark und Seilfahrt (A) – Bisher nur schlecht und auf Umwegen erreichbar ist die Innenstadt von Nord-Osten. Eine Zuwegung zur Erzbahntrasse und zum Westpark, aber auch nach Hamme über die Seilfahrt fehlt. Nach einer Überbrückung der Bahnlinie entlang der Malteserstraße sollten nach den Überlegungen der STADTGESTALTER neue Rad- und Fußwege Richtung Westpark angelegt werden. An ein Brückenbauwerk an der Malteserstraße könnte auch der von den STADTGSTALTERn 2020 vorgeschlagene Radweg aus Riemke und Hofstede angeschlossen werden (Ein kreuzungsfreier Radweg von Riemke in die City).

Aus Richtung Süd-West (B) - Vom Stadtviertel nördlich der Gleise am ehemaligen Nordbahnhof ist die Innenstadt ebenfalls nur über Umwege erreichbar, ebenso wie aus Altenbochum aus Richtung Lohberg. Zu Verbesserung dieser Zuwegung hatten die STADTGESTALTER 2019 eine Verlängerung der Springorumtrasse bis zum ehemaligen Nordbahnhof vorgeschlagen (Springorum-Radweg an die City anbinden). Eine weitere Idee der STADTGESTALTER ist, die Innenstadt über einer Brücke für den Fuß- und Radverkehr an das Stadtviertel nördlich der Blumenstraße anzubinden. Die Brücke würde neben dem ehemaligen Nordbahnhof beginnen und südlich des Finanzamtes enden.

Aus Richtung Griesenbruch und Bessemerstraße (C) - Auch von hier fehlen direkte Wegeverbindungen in die Innenstadt. Über das Gelände des City-Tor-Süd sollte zu Fuß und mit dem Rad die Bessemerstraße erreichbar sein, von der Katharinenstraße aus dem Griesenbruch die Humboldtstraße Richtung Bermudadreieck. Damit mehr Menschen aus diesen Stadtteilen in die Innenstadt kommen, ist eine gute Wegeverbindung Voraussetzung.

Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem ÖPNV (ohne Busse)

Auch bei einer genaueren Untersuchung der Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem ÖPNV zeigen sich Defizite. Zwar laufen fast alle Verbindungen des Bochumer Straßen- und Stadtbahnnetzes über den Hauptbahnhof bzw. Haltestellen am Rathaus, geht man jedoch davon aus, dass bei einem guten Nahverkehr Halte im Kernbereich von Großstädten einen Umkreis von 200 Metern erschließen, Bahnknotenpunkte ein Gebiet von 300 Metern, ist die Abdeckung des Innenstadtgebiets mit Bahnhalten in Bochum eher dürftig. Neben den genannten Knotenpunkten des städtischen Bahnverkehrs gibt es in der Innenstadt nur vier weitere Bahnhalte (Bermuda3Eck, Bergbaumuseum, Präsident und Brückstraße), die jeweils nur von einer Bahnlinie angefahren werden.

Erreichbarkeit Innenstadt mit dem ÖPNV (ohne Busse)

Die wenigen Bahnhalte in der Innenstadt bedeuten für Fahrgäste des ÖPNVs oft weite Fußwege zu den Haltestellen. Dies ist besonders für mobilitätseingeschränkte und ältere Menschen ein Problem.

Buslinien spielen bei der Attraktivität von ÖPNV-Netzen aufgrund ihrer mangelnden Zuverlässigkeit, des eingeschränkten Komforts, des wenig dichten Taktes und der überlangen Fahrtdauern nur eine sehr untergeordnet Rolle. Zumeist fahren Buslinien in Bochum jede Gieskanne an. Busfahren ist in Bochum ganz überwiegend etwas für Menschen mit viel Zeit, denen kein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung steht. Die Erschließung der Innenstadt mit Bussen wird daher an dieser Stelle nicht betrachtet.

Neue Bahnhalte und Bahnlinien

In der Innenstadt fehlen Bahnhalte, die von Linien angefahren werden, die aus Stadtteilen kommen, die bisher nicht oder nur schlecht mit der Bahn an die Innenstadt angeschlossen sind.

Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, an der Trasse der Glück-Auf-Bahn (RB 46) einen neuen Halt an der Maltesterstraße einzurichten und den Halt Bochum West nach Süden zwischen Diekamp- und Rottstraße zu verlegen. Alternativ wäre es ebenfalls denkbar, die Haltestelle Bochum-West zu erhalten und eine weitere Haltestelle südlich der Rottstraße einzurichten. Die zusätzlichen Haltestellen würden die Abdeckung im Westen der Innenstadt deutlich verbessern. Kunden aus Hamme, Hofstede und Riemke kämen einfacher und schneller in die Innenstadt, besonders wenn zusätzlich noch ein weiterer Halt in Hofstede geschaffen würde (Eine neue Haltestelle für Hofstede).

Die genannten Halte in der Innenstadt könnten zudem von der Regiotram (Bahnanbindung für Leithe und Günnigfeld) angefahren werden, die die STADTGESTALTER 2020 vorgeschlagen haben. Die Regiotram würde besonders Leithe, Günnigfeld, Südfeldmark und Goldhamme und mit einem neuen Halt auch die Jahrhunderthalle besser mit der Innenstadt verbinden.

Die STADTGESTALTER schlagen zudem vor,  jede zweite Regiotram-Bahn nördlich der Innenstadt über drei neue Halte (Präsident/TH Agricola, Kortum und Justizzentrum (Nordbahnhof)) bis nach Witten fahren zu lassen. Auf diese Weise würden auch die Stadtteile nördliche und östliche Innenstadt besser an das Bahnnetz angebunden.

Eine weitere Idee der STADTGESTLATER ist, für die Straßenbahnlinien 308, 316 und 318 einen neuen Halt am Justizzentrum (Nordbahnhof) zu schaffen. Dieser Bereich der Innenstadt könnte dann auch direkt aus dem Bochumer Norden und vom Hauptbahnhof angefahren werden.

Mit den neuen Halten würde der Innenstadtbereich im Gleisdreieck zu ca. 90% mit Bahnstationen abgedeckt. Die Erreichbarkeit der Innenstadt im Schienenverkehr, besonders aus dem Norden, Nordosten, Nordwesten, wie Osten der Stadt würde sich wesentlich verbessern.

Besser spät als nie

Eigentlich hätte die Stadt sich schon spätestens seit den 80ern systematisch Gedanken um eine bessere Erreichbarkeit der Innenstadt zu Fuß, mit dem Rad und dem ÖPNV machen müssen. Dies ist jedoch bis heute nicht geschehen. Stadt und Geschäftsleute haben sich über Jahrzehnte einseitig allein um die bessere Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto gekümmert. Das Ergebnis ist fatal, der City fehlen insbesondere Kunden, die im Umkreis von bis zu 5 km um die Innenstadt wohnen. Erfolgreiche Innenstädte profitieren besonders, von der großen Zahl Kunden, die mit anderen Verkehrsmitteln als dem Auto in die Innenstadt kommen und dort auch nachweisbar mehr ausgeben als Autokunden (Die besten Kunden kommen zu Fuß). Diese Kunden fehlen der Bochumer City.

Die STADTGESTALTER

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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