Umzugsbeihilfe statt Abschreckungssteuer?

Ruhr-Universität | Foto: CanonBen
2Bilder

Seit Jahren versucht die Stadt mehr Studenten zu bewegen in Bochum und Wattenscheid zu wohnen. Doch das gelingt kaum. Ein wesentlicher Grund der Studenten abschreckt, in die Stadt zu ziehen: Wer in Bochum oder Wattenscheid eine Nebenwohnung bezieht, muss 12% der Nettokaltmiete an die Stadt als Zweitwohnungssteuer zahlen. Das sind bei 300 Euro Monatsmiete 432 Euro pro Jahr zusätzlich.

Während in Urlaubsgemeinden, z.B. auf Sylt, durch die Zweitwohnungssteuer teure Ferienwohnsitze besteuert werden oder in Städten wie Stuttgart Menschen mit einer zweiten Dienstwohnung zur Kasse gebeten werden, richtet sich die Steuer in Bochum eigentlich nur gegen finanzschwache Studenten.

Ziel der Steuer ist auch die Studenten zu nötigen ihren Hauptwohnsitz in Bochum anzumelden, um so dieser Steuer zu entgehen. Dann nämlich müssen die Studenten die Steuer nicht zahlen, die Stadt aber erhält fast 750 Euro pro Jahr Schlüsselzuweisungen vom Land. Für Studenten mit Nebenwohnung in Bochum bekommt die Stadt dagegen vom Land nicht einen Cent. Eine Änderung dieser Regelung ist schon seit Jahren überfällig. Anders als in Bayern, weigert sich die Rot-Grüne-Landesregierung bisher, auch für Bewohner mit Nebenwohnsitz Zuweisungen zu zahlen und benachteiligt damit besonders Universitätsstädte wie Bochum.

Vor diesem Hintergrund muss sich Bochum überlegen, wie es gelingt, mehr Studenten zu animieren in der Stadt zu wohnen und nicht mit einer Zweitwohnungssteuer abzuschrecken.

Grundsätzlich sollten auch Studenten mit Nebenwohsitz angesichts der dramatischen Bevölkerungsabnahme in Bochum erwünscht sein. Wer hier als Student wohnt, gibt sein Geld in der Stadt aus, er wird häufig auch nach dem Studium, wenn es irgend möglich ist, gerne hier wohnen bleiben.

Wirtschaftlich lohnt sich die Zweitwohnungssteuer hingegen nicht. Sie bringt der Stadt jedes Jahr nur 260- bis 280.000 Euro ein, bei Einführung wurde noch mit 1,2 Mio. gerechnet (Bericht des Rechnungsprüfungsamtes). Tendenz weiter abnehmend. Die Kosten, um die Steuer zu erheben, waren 2005 noch fast genau so hoch wie die heutigen Einnahmen. Mittlerweile wurden die Personal- und Sachkosten zwar deutlich gesenkt. Wenn aber auch noch die Kosten für Klageverfahren und die regelmäßige rechtliche Anpassung der Steuersatzung einkalkuliert werden, bleiben für die Stadt allenfalls wenige tausend Euro Einnahmen. Kosten und Nutzen stehen in keinem sinnvollen Verhältnis mehr.

In Bochum wohnen 1,3%- bis 2,9%-Punkte mehr Menschen im Alter von 18 bis 29 als in Städten wie Oberhausen, Witten, Hamm oder Herne, in denen keine großen Hochschulen ansässig sind. Das entspricht etwa 8.000 jungen Bochumern. In Studentenstädten wie Aachen, Münster und Bonn, die ähnlich große Hochschulen haben wie Bochum, leben wiederum 1 bis 4,2 %-Punkte mehr Menschen im Alter von 18 bis 29. Das sind bezogen auf Bochum rund 9.000 mehr junge Menschen (siehe Berechnungstabelle).

Grundsätzlich besteht also ein erhebliches Potenzial an Studierenden, die man für einen Wohnsitz in Bochum gewinnen könnte. Gelänge es zusätzlich 1.000 Studenten zu bewegen in Bochum ihren Haupwohnsitz einzurichten, würde dies für Bochum allein zusätzliche Schlüsselzuweisungen in Höhe von fast 750.000 Euro pro Jahr zusätzlich bedeuten.

Weil Zweitwohnungssteuern dauerhaft nicht geeignet sind, Studenten anzureizen nach Bochum zu ziehen, sondern sie eher davon abschrecken, gehen viele Städte einen anderen Weg: Sie zahlen den Studenten, die ihren Hauptwohnistz in der Stadt anmelden, eine einmalige Umzugsbeihilfe, Dresden z.B. 150 Euro. Dort konnten die Anmeldezahlen der Studenten seit es die Beihilfe gibt, von 2.500 (2001) auf über 5.000 Studenten (2015) pro Jahr gesteigert werden. Allerdings ist nur ein Teil der Steigerung auf die Umzugsbeihilfe zurückzuführen, die Einführung einer Zweitwohnungssteuer und die Erweiterung des Kreises der Berechtigten hat ebenfalls zu der Erhöhung beigetragen.

Wie würde sich die Einführung einer Umzugsbeihilfe für Bochum finanziell darstellen? Geht man davon aus, dass sich durch Einführung der Beihilfe die Anzahl der in Bochum und Wattenscheid zugezogenen Studierenden mit Hauptwohnsitz in Bochum um 1.000 von 8.000 auf 9.000 erhöhen ließe, würden sich die Anmeldezahlen pro Jahr bei einer Durchschnittsstudienzeit von 4 Jahren von 2.000 auf 2.250 erhöhen. Die Stadt müsste also pro Jahr 337.500 Euro Umzugsbeihilfen an die Studenten zahlen. Hinzukämen die Verwaltungskosten für die Auszahlung, die wie in Dresden das AkaFö übernehmen könnte. Im Gegenzug könnte die Stadt pro Jahr Schlüsselzuweisungen in Höhe von 750.000 Euro zusätzlich einnehmen (1.000 Studenten x 750 Euro). Unter den gegebenen Umständen wäre die Umzungsbeihilfe für die Stadt also eine gute Sache. Wobei außer der Schlüsselzuweisung die sonstigen positiven Effekte, die neue studentische Einwohner haben, wie etwa mehr städtische Kaufkraft, zusätzliche Einwohner, die auch nach dem Studium bleiben und belebtere Stadtviertel, in denen Studenten wohnen, noch gar nicht berücksichtigt wurden.

Es lohnt sich also über eine Umzugsbeihilfe nachzudenken. Um zunächst zu schauen, ob mit dieser tatsächlich positive Effekte erzielt werden können, sollte eine probeweise Einführung unter Verzicht auf die Zweitwohnungssteuer geprüft werden.

Die Zweitwohnungssteuer wird am 12.11. erneut auf der Tagesordnung des Stadtrates stehen. Entsprechend wird sich die Fraktion "FDP & Die STADTGESTALTER" erneut intensiv mit dem Thema beschäftigen.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Ruhr-Universität | Foto: CanonBen
Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

22 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.