Stadtentwicklung Wattenscheid – Die Vermieter der Geschäfte sind am Zug

Wattenscheid, Innenstadt | Foto: HJW, Wikipedia

Die Ausgangssituation ist denkbar schlecht. Laut Gutachten des Regionalplanungsbüro Dr. Jansen aus 2013 funktioniert die Stadtentwicklung in Wattenscheid nicht (mehr) aus sich heraus (WAZ vom 21.01.14).

Nun will die Stadt ab 2016 eine Stadtsanierung starten. Die erste Stadtteilkonferenz mit leider gemessen an der Bedeutung des Vorhabens noch zu wenigen und fast nur älteren Bürgern der Stadt lief bereits.

Schon jetzt ist klar, dass die Stadt selbst für die Sanierung praktisch keine Mittel bereit stellen kann. Nur wenn Fördertöpfe vom Land erschlossen werden können, kann mit der Sanierung begonnen werden. Aber auch vom Land sind keine riesigen Summen zu erwarten.

Allen Beteiligten ist somit schon jetzt klar, um die Stadtentwicklung in Wattenscheid wieder so auf die Beine zu stellen, so dass diese wieder von sich aus funktioniert, werden die Bemühungen der Stadt nicht reichen. Nicht nur, dass die Bemühungen viel zu spät kommen, bzw. erst frühestens 2016 starten sollen und damit in den nächsten drei Jahren noch weitere Substanz unwiderbringlich verloren gehen wird, ein weiteres Problem ist, dass in der Innenstadt das Geschäftsgefüge nicht mehr stimmt. Und daran wird auch eine Neumöblierung so schnell nichts ändern.

Die Innenstadt WAT verliert immer mehr Kunden. Also ist neben der Sanierung der Innenstadt eine deutliche Verbesserung der Einzelhandelsstruktur erforderlich. Es müssen mehr Geschäfte in die Stadt, die die Kunden für ihre Bedürfnisse in der Innenstadt heute vermissen. Eigentlich soll die Innenstadt Versorgungsfunktionen erfüllen, die nur Wattenscheid selbst umfasst, sondern lokal wie regional deutlich darüber hinaus reichen sollte (Masterplan Einzelhandel). Diese Funktionen kann Wattenscheid leider bereits heute nicht mehr erfüllen.

Dem steht jedoch die aktuelle Vermietungsstruktur in der Innenstadt entgegen. Alle Vermieter versuchen, aus ihrer Sicht nachvollziehbar, möglichst hohe Mieten für ihre Geschäftsräume zu erzielen, die aber für kleinere interessante Geschäfte mit speziellen Sortimenten nicht selten unbezahlbar sind.

In Einkaufszentren hingegen, in denen nur ein Vermieter sämtliche Flächen vermietet, wird bei der Vermietung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Geschäfte berücksichtigt. Entsprechend zahlt Hollister im selben Center deutlich höhere Mieten als z.B. ein kleines Schustergeschäft. Da das Center daran interessiert ist, alle Bedürfnisse der Kunden mit einem entsprechenden Geschäft abzudecken, werden die Mietpreise vom Centermangement differenziert.

Dies ist in Innenstädten so lange nicht möglich, wie jeder Vermieter den höchstmöglichen Preis erzielen will, und nicht bereit ist, auf wesentliche Teile der Miete zu verzichten, damit es z.B. in der Wattenscheider Innenstadt in zentraler Lage auch ein Schustergeschäft gibt. Letztlich ist eine Innenstadt wie WAT aber nur dann für die Bürger interessant, wenn das angebotene Warensortiment so vielfältig ist, dass sich die Kunden sicher sind, dass sie dort fast alles finden, was sie suchen.

Also müssen letztlich alle Vermieter an einem guten und hochwertigen Branchenmix bei möglichst geringen Leerständen interessiert sein, sonst ziehen sich immer mehr Geschäftsleute zurück und selbst in besten Lagen wird die Vermietung schwierig bzw. der Mietpreis sinkt.

Es sind alle Vermieter und Geschäftsleute qausi in einer Schicksalsgemeinschaft aufeinander angewiesen sind und nur wenn sie an einem Strang ziehen, kann die Innenstadt von Wattenscheid erfolgreich langfristig wiederbelebt werden.

Entsprechend sollte in Erwägung gezogen werden, dass möglichst alle Vermieter der Wattenscheider Innenstadt sich in einer Vermietungs- und Vermarktungsgesellschaft zusammen schließen. Jeder Vermieter ist dann Gesellschafter dieser Vermietungs- und Vermarktungsgesellschaft. Diese vermietet zentral sämtliche Geschäftsräume der beteiligten Vermieter in Wattenscheid. Wie bei einem Einkaufscenter hat die Gesellschaft dabei das Ziel in Wattenscheid ein vielfältiges Warenangebot, das sich über alle Warenbereiche erstreckt, zu etablieren. Die Mieten werden gestaffelt nach der Leistungsfähigkeit der Geschäfte. Die gesammelten Mieteinnahmen werden anschließend an die beteiligten Vermieter verteilt, entsprechend der Größe, Lage und Qualität der Geschäftsräumlichkeiten unabhängig davon, was der tatsächliche Mieter zahlt.

Ein Teil der Einnahmen wird eingesetzt, um die Sanierung und Renovierung von Leerständen zu finanzieren. Natürlich können nicht finanzstarke, die Renovierungen von finanzschwachen Vermietern bezahlen, sie können aber durch Darlehen, die über Rückstellungen aus Mieteinnahmen der Vermietungs- und Vermarktungsgesellschaft gedeckt sind, den finanzschwachen Vermietern zu einer kreditfinanzierte Renovierung zu günstigen Konditionen verhelfen.

Auf diese Weise kann die Vermietungs- und Vermarktungsgesellschaft sukzessive die Leerstände ín der Innenstadt aufarbeiten und dafür neue Geschäfte gewinnen. Auch ist die Gesellschaft in der Lage aus mehreren kleinen Räumlichkeiten benachbarter Vermieter, größere Einheiten zu machen, wenn diese von Geschäftsleuten eher nachgefragt werden.

Ebenfalls kann die Gesellschaft alle angeschlossenen Geschäfte gemeinsam vermarkten. Sie kann die Marke „Wattenscheider Innenstadt“ neu aufsetzen und etablieren. Ebenso ist die Gesellschaft in der Lage Veranstaltungen wie Weihnachtsmarkt oder andere Innenstadtevents zum Nutzen aller Geschäftsleute zentral zu organisieren.

Und nicht zuletzt würden die Vermieter und Geschäftsleute auf diese Weise eine starke, geschlossene Lobbyvertretung gegenüber der Stadt bilden.

Eigentümer von Geschäftsräumen, die diese als Geschäftsinhaber selbst nutzen, können sich an der Gesellschaft ebenfalls beteiligen.

Auf diese Weise sollte es möglich sein, in die Wattenscheider Innenstadt neuen Schwung zu bringen. Allerdings gibt es ein grundlegendes Problem. Sind die meisten der Wattenscheider Vermieter von Geschäftsräumen in der Innenstadt bereit, sich einer solchen Vermietungs- und Vermarktungsgesellschaft anzuschließen?

Da kann man zu Recht skeptisch sein. Nicht wenige Vermieter sind sich leider selbst die nächsten und an der langfristigen Entwicklung der Innenstadt relativ uninteressiert. Das ist fast überall so, also wird es in Wattenscheid kaum anders sein. Der kurzfristige Gewinn ist für sie wichtiger als der dauerhafte Erfolg. Trotzdem wissen die Vermieter, dass selbst, wenn sie aktuell noch gute Einnahmen von einem guten Mieter erzielen, auch dieser irgendwann aufgeben wird, wenn das Umfeld in der Innenstadt nicht mehr passt. Das Risiko, dass sie selbst irgendwann ohne attraktiven Mieter da stehen, ist also nicht gering.

Es wäre somit einen Anlauf wert, zu versuchen eine Vermietungs- und Vermarktungsgesellschaft zu gründen und auch die aktuell noch gut verdienenden Vermieter von dem langfristigen Nutzen einer solchen Gesellschaft zu überzeugen. Der Erfolg steht und fällt damit, dass möglichst alle Vermieter dafür gewonnen werden und ein Management, dass sich mit der Organisation einer solchen Gesellschaft auskennt. Nur dann haben die potenziellen Gesellschafter auch das Vertrauen, dass sich das Ganze langfristig für sie und die Innenstadt in Wattenscheid lohnt.

Weder Bürger noch Politik können jedoch die Immobilienbesitzer in der Wattenscheider Innenstadt letztlich zwingen, entsprechend tätig zu werden, allerdings kann man deutlich an ihre Verantwortung gegenüber der Stadt und den Einwohnern appelieren, ihren Teil dazu beizutragen, dass die Innenstadt-Wattenscheid wieder auf die Beine kommt.

Der Zeitpunkt zum Handeln ist jetzt. An jedem Tag, der vergeht, wird die Lage nicht besser.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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