Kostenexplosionen
Stadt verliert Kontrolle über Bauprojekte
Die Bürger haben das Gefühl die Stadt lernt nicht dazu. Nach den Kostenexplosionen bei Bauprojekten wie
- Haltestelle Gesundheitscampus (3,6 auf 17 Mio.),
- Parkhaus Jahrhunderthalle (4,3 auf 6,4 Mio.),
- Platz des europäischen Versprechens (von 0,46 Mio. auf 3,4 Mio.),
- Neues Gymnasium (von 31 Mio. auf 36 Mio.) und
- Hans-Böckler-Realschule (von 9,8 Mio. auf 13,8 Mio),
- Sanierung Unibad (von 4,5 Mio. auf 7,6 Mio.),
- Sanierung Sprungturm Hallenfreibad Höntrop (von 85.000 auf 260.000)
- Sanierung Feldsieper Schule (von 2,5 Mio. auf 5 Mio.),
- Musikforum (von 32,9 auf 39 Mio.),
kommen jetzt auf einen Schlag vier neue Projekte hinzu, bei denen die Kosten sich massiv erhöht bis vervielfacht haben::
- Schulzentrum Gerthe (von 50 Mio. auf 150 Mio.)
- KiTa Hofstede (von 1,82 Mio. auf 2,53 Mio.)
- Dreifachturnhalle inklusive integrierter Mensa, Märkisches Gymnasium (von 8,8 Mio. auf 14,8 Mio.)
- Sanierung des Ostflügels des Historischen Rathauses (von 5,7 Mio. auf 14,56 Mio.)
Wie kann es fortlaufend zu derartigen Fehlplanungen und Kalkulationen kommen? Warum ist die Politik nicht bereit, die Verwaltung so zu organisieren, dass diese die Kosten zumindest einigermaßen im Griff halten kann?
Schulzentrum Gerthe
50 Mio.sollte der Neubau noch 2018 kosten (Wettbewerbsausschreibung), Innerhalb von nur 15 Monaten explodierten die Kosten auf zunächst auf knapp 90 Mio. und dann auf 150 Mio. Euro (122 Mio. + 20% Risikozuschlag, Mitteilung 20191851).
Die wesentliche Ursachen für die Steigerung:
Nach einem Architektenwettbewerb zeigte sich im Rahmen der Kostenüberprüfung des Siegerentwurfs schnell, dass der Entwurf sich nicht annähernd mit dem im Wettbewerb vorgegebenen Budget von 50 Mio. realisieren lässt, trotzdem plante man in der Verwaltung unbeirrt weiter.
Erst nach Monaten stellte die Stadt fest, dass ein 220 m langes Fundament bautechnisch doch viel schwieriger und aufwendiger zu bauen ist, als Fundamente üblicher Längen. Auch fiel erst viel zu spät auf, dass beim Teilabriss der Bestandsgebaude für die darin befindliche Versorgungstechnik eine teure Zwischenlösung geschaffen werden muss, bis die Technik im neuen Gebäude bereit steht..
Bei der Haustechnik entschloss man sich zunächst einen ganz anderen Standard zu realisieren. Nunmehr soll es u.a. ein Klassenraumbeleuchtung mit Tageslichtsimulation geben, ein, Open-Library-Betrieb, ein digitales Medien-Informationssystem und eine vollwertige Großküche geben. Auch die Freianlagen sollen aufwendiger ausgeführt werden. Solche Maßnahmen können grundsätzlich sinnvoll sein, sind aber bereits in den Planungen und bei den Kostenkalkulationen zu berücksichtigen, die zum Projektstart der Politik zur Entscheidung vorgelegt werden.
Auch die vorhersehbaren Baukostensteigerung wurden bei den ursprünglichen Planungen nicht angemessen einkalkuliert. Die Überraschung war groß, als sich herausstellte, dass die Gewerke sich nur zu einem Drittel höheren Preisen umsetzen lassen als die städtischen Planer das noch vor einem Jahr angenommen hatten. Offenbar war an den zuständigen Planern die seit Jahren festzustellende Kostenentwicklung gänzlich vorbeigegangen. Die Kostensteigerung im Baugewerbe betrug zuletzt 4-5 % pro Jahr. Zu einer Kostensteigerung von 33% kann es nur kommen, wenn die Planer bei den ursprünglichen Planungen Preise von 2013 und früher zugrunde gelegt haben.
KiTa Hofstede
Auch die Erweiterung dieser KiTa ist wie der Neubau des Schulzentrums in Gerthe ein wichtiges und sinnvolles Projekt. Die Kosten gerieten aber auch hier völlig außer Kontrolle.
Ende 2017:ging die Stadt noch von Kosten von 1.82 Mio Euro aus, jetzt liegt die Verwaltung bei 2,53 Mio. (Beschlussvorlage 20191154). Mit dem Erweiterungsbau für die bestehende KiTa sollen 45 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden.
Liegen die Kosten für einen KiTa-Platz üblicherweise in Deutschland bei 25.000 - 30.000 Euro, liegen sie hier bei über 56.000 Euro pro Kind.
Gründe für die Kostensteigerung: Der Raumbedarf für dieenergetische und technische Versorgung des Anbaus wurde zunächst zu gering bemessen, ebenso wie die für neue Ver- und Entsorgungsleitungen und die Erschließung des neuen
Eingangsbereiches zu bearbeitende Fläche der Freianlagen.
Erst gingen die Planer davon aus, den Anbau in schlüsselfertiger Modulbauweise errichten zu können, dann stellte sich heraus, dass die Planungen für eine solche Bauweise viel zu individuell ausgefallen waren, so dass ein externes Architekturbüro mit der Planung des Erweiterungsgebäudes in konventioneller Bauweise beauftragt werden musste.
Auch in diesem Fall sind die wesentlichen Ursache der Kostensteigerung also in falschen Annahmen, Fehlplanungen und -kalkulationen zu finden.
Dreifachturnhalle inklusive integrierter Mensa, Märkisches Gymnasium
2013 sollte die Dreifachturnhalle inklusive integrierter Mensa für das Märkische Gymnasium 8,8 Mio. Euro kosten. Dann wurde ein Architektenwettbewerb durchgeführt. Hierbei sollte ein Kostenbudget von 9, 3 Mio. eingehalten werden. Aufgrund laufender Kostensteigerungen war das Budget entsprechend angepasst worden. Bis Marz 2018 erhöhten sich die Baukosten weiter, nunmehr auf 12,8 Mio. Heute, im Juni 2019 liegen die Kosten bei 14,8 Mio. ohne das mit dem Bau überhaupt begonnen wurde.
Die Ursachen der Kostenexplosion: Im Rahmen der Kostenüberprüfung des Siegerentwurfs zeigte sich schnell, dass sich der Entwurf nicht mit dem im Wettbewerb vorgegebenen Budget realisieren lässt.
Statt einen anderen Entwurf zu realisieren oder den Bau erneut auszuschreiben, hielt die Verwaltung an der Realisierung des Siegerentwurfs fest (Mitteilung 20180857 auf die Anfrage der Fraktion “FDP & Die STADTGESTALTER”). Die Kosten erhöhten sich weiter da bei der ursprünglichen Kostenschätzung die Kosten für die Herrichtung und Erschließung der Außenanlagen, immerhin 1,374 Mio., nicht einkalkuliert wurden (Mitteilung 20180351).
Weitere wesentliche Kostensteigerungen ergeben sich auch bei diesem Projekt durch eine nachträgliche Erhöhung der Baustandards u.a. eine Optimierung der Sporthallenhöhe und der Sportbodenbeläge, der Raumlufttechnik für die Fensterverglasung, und die Ausführung des Fundaments als wasserundurchlässige Stahlbetonkonstruktion (Beschlussvorlage 20191253).
Wiederum wurden die voraussichtlichen Baukostensteigerungen bei den Kostenkalkulationen nicht ausreichend berücksichtigt. Bereits 2017 hätte klar sein müssen, dass auch 2018 und in den darauf folgenden Jahren die Baukosten voraussichtlich um weitere 4-5% steigen würden. Trotz dieses Wissens zeigte sich die Verwaltung von den Kostensteigerungen überrascht.
Sanierung des Ostflügels des Historischen Rathauses
2016 sollte die Sanierung des Ostflügels noch 5,74 Mio. kosten, 2017 wurden die Mittel dann schon auf 7,6 Mio., erhöht. Gründe waren damals, der neue Haupteingang (+1,5 Mio.) sowie Kostensteigerungen (+0,36 Mio., Beschlussvorlage 20172547)
Bereits im Juli 2018 wurde das Baubudget ein weiteres Mal auf 9,9 Mio. erhöht, jetzt kam das neue Wegeleit- und Schließsystem für das gesamte Rathaus (+0,9 Mio.) hinzu sowie weitere Kostesteigerungen (+1,4 Mio., Beschlussvorlage 20181133).
Nicht mal 12 Monate später steigen die Kosten erneut (+4,66 Mio), jetzt auf 14,56 Mio. (Beschlussvorlage 20191433)
Die Gründe diesmal: Das Amt für Bürgerservice wird nach der Sanierung in den Ostflügel ziehen, da sich die Großraumbüros im Westflügel, die erst Ende 2000 eröffnet wurden, als unpraktikabel erwiesen haben (+0,5 Mio.),
Das Bauordnungsamt der Stadt Bochum hätte den Bauantrag der Stadt (Erstfassung vom September 2018). aufgrund des ursprünglichen Brandschutzkonzepts nicht genehmigt. Die Baugenehmigung vom 20.11.2018 wurde nur unter der Auflage erteilt, ein neues Brandschutzkonzept für das gesamte Rathaus zu entwickeln, das der Hochhausverordnung entspricht. Bisher war das Rathaus in Sachen Brandschutz von der Hochhausverordnung befreit. Zusätzliche Kosten für das Brandschutzkonzept: +2,3 Mio.
Unverständlich, dass das Bauordnungsamt zu dieser Einschätzung nicht bereits im Rahmen der Kostenplanungen Ende 2017 gekommen ist, zu diesem Zeitpunkt sollten die beteiligten Ämter doch bereits untereinander kommuniziert haben, welche Brandschutzmaßnahmen im Rahmen der Sanierung zu realisieren sind. Schwer vorstellbar, dass diejenigen, die den Umbau des Ostflügels in der Verwaltung planen, davon überrascht wurden, dass ihre Kollegen in den Nachbarbüros ganz andere Vorstellungen vom erforderlichen Brandschutzniveau hatten, als sie selbst dachten.
Durch die zusätzlichen Barndschutzmaßnahmen, kann die Sanierung des Ostflügels auch nicht mehr rechtzeitig bis zum 31.12.2020 abgeschlossen und abgerechnet werden. Das hat zur Folge, dass 2,8 Mio. der Sanierungskosten nicht aus Fördermitteln des KInvFG bezahlt werden können, sondern zusätzlich aus dem Haushalt 2020/21 entnommen werden müssen.
Zu einer weiteren Kostensteigerung führen die Bauherren- und Verwaltungsleistungen der Zentralen Diensten (+0,76 Mio). Man hatte diese Kosten in den bisherigen Kalkulationen nicht berücksichtigt.
Vierte Ursache des Mehrbedarfs, weitere bereits realisierte oder vorher zu sehende Kostensteigerungen (+1,1 Mio.).
Bei der Sanierung des Ostflügels sind neben Fehlplanungen und Fehlkalkulationen also Kommunikationsdefizite zwischen den Ämtern die wesentliche Ursache für die nicht in der Kostenkalkulation berücksichtigte Kosten.
Goethe-Mensa
Unschön auch bei der Sanierung des Ostflügels: Zur Deckung der Mehrkosten, sollen erneut die Mittel eingesetzt werden, die eigentlich für den Bau der Mensa der Goethe Schule in den Haushalt 2018/19 eingestellt wurden. Diese Mittel wurden bereits diverse Male eingesetzt um Deckungslücken bei anderen städtischen Bauprojekten zu schließen, u.a. beim Bau des Musikforums.
Auch dieses Projekt ist ein Beispiel für die desaströse städtische Bauplanung. Ursprünglich sollte die Mensa 1,45 Mio. Euro kosten, dann 1,85 Mio, als auch dieser Kostenrahmen gesprengt wurde, zog man 2016 die Notbremse und veranlasste eine Neuplanung. Ein Bau der Mensa ist weiterhin nicht in Sicht. Ursprünglich sollte die Mensa schon 2013 fertig sein. Die Zentralen Dienste der Stadt sind auch an diesem Projekt gescheitert.
Politik muss Widerstand gegen Neuorganisation des städtischen Projektmanagements aufgeben
Insgesamt zeigt sich, die städtischen Planer sind mit ihren Aufgaben komplett überfordert. Die Politik wird von massiven Kostensteigerungen zu spät informiert. Die vorgelegten Kalkulationen sind regelmäßig unzureichend und unausgereift, immer wieder fehlen wichtige Kostenpositionen, die zu realisierenden technischen Standards werden systematisch zu niedrig angesetzt und die bestehenden Kostenrisiken werden konsequent unterschätzt. Offenbar fehlt es am erforderlichen Kostenbewusstsein und Mitarbeitern mit den notwendigen Qualifikationen.
Die Fraktion “FDP & Die STADTGESTALTER” hatte bereits in der letzten Ratssitzung beantragt (Antrag 20191580), dass das Projektmanagement der Stadt professionell aufgestellt und dort externe Mitarbeiter eingestellt werden sollten, die über eine hohe Qualifikation und langjährige Erfahrung im
Bereich Projektmanagement, Controlling und Vergabe insbesondere im Baugewerbe verfügen.
Der Antrag wurde jedoch von SPD, CDU und Grünen abgelehnt. Der Politik fehlt das erforderliche Problembewusstsein. Auch ist man nicht gewillt die personellen Konsequenzen zu verantworten, die zwangsläufig mit einer Neuorganisation insbesondere der Zentralen Dienste einhergehen würden. Der Schaden, der durch diese Unwilligkeit den Steuerzahlern und der Stadt zugefügt wird, ist immens, wie die dargestellten Beispiele zeigen, die Untätigkeit der Politik verantwortungslos.
Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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