Stadt bereicherte sich an Überreste von Verstorbenen

FDP-Ratsherr Fröhlich deckte Praxis bei der Einäscherung auf
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  • hochgeladen von Dennis Rademacher

Was sich niemand vorstellen möchte, ist tatsächlich geschehen. Die Stadt Bochum hat scheinbar über Jahre hinweg Zahngold und Metalle der im städtischen Krematorium eingeäscherten Verstorbenen ohne entsprechende Einverständniserklärung und ohne Wissen der Angehörigen einbehalten - und verkauft.

Eine Anfrage der FDP kam dieser Praxis nun auf die Schliche. Schon im vergangen Jahr beschäftigte sich Ratsherr Heiko Fröhlich mit den Abläufen im Bochumer Krematorium und stellte Juli 2012 eine offizielle Anfrage an die Verwaltung. Knapp zehn Monate ließen sich die Verantwortlichen bei der Stadt Zeit. Länger konnten sie die Vorgänge nun wohl nicht mehr verschweigen und räumten in der Antwort den Verdacht ein.

Verwaltung fehlt Fingerspitzengefühl im Umgang mit der Würde der Verstorbenen sowie den Rechten und Gefühlen der Angehörigen

"Es ist moralisch - aber auch rechtlich - höchst bedenklich, wenn die Stadt ohne schriftliches Einverständnis des Verstorbenen oder seiner Angehörigen Zahngold oder Metallimplantate nach der Einäscherung einbehält und dann daran auch noch verdient. Zudem ist es mehr als makaber, wenn die Stadt durch Verstorbene Erlöse erzielt, während die Angehörigen um ein verlorenes Familienmitglied trauern.", erklärt Heiko Fröhlich. "Mit einer solchen Vorgehensweise bewegt sich die Stadt Bochum ausgerechnet in einem so menschlich sensiblen Umfeld in einem rechtlichen Graubereich.“

Wie reagiert die Stadt? Ohne Ratsherr Fröhlich hätte die Verwaltung diese Praxis möglicherweise weiterhin angewandt. Seit der FDP-Anfrage gibt es nun Vordrucke für Hinterbliebene, auf denen sie das Aneigungsrecht des Krematorium bestätigen müssen. Müssen, nicht können. "Den Trauernden wird quasi die Pistole auf die Brust gesetzt, da in der Willensbekundung keine echten Auswahlmöglichkeiten vorgesehen sind. Häufig besteht nämlich der Wunsch, Zahngold und Implantate mit dem Verstorbenen beizusetzen. Den Angehörigen bleibt während der kurzen und psychisch belastenden Zeit aber nichts anderes übrig, als den Vordruck zu unterschreiben, wenn die Einäscherung des Verstorbenen reibungslos verlaufen soll. Das neue Verfahren dient also lediglich der rechtlichen Absicherung der Stadt und geht nicht auf die Wünsche der Verstorbenen bzw. der Hinterbliebenen ein."

Würde des Menschen darf nicht vergessen werden

Ein besseres Verfahren ist also weiterhin notwendig. Die Verbraucherinitiative Aeternitas hat sich zum Beispiel bereits um eine Lösung dieser Problemstellung bemüht und ein Musterformular entwickelt. Es kann dann ausgewählt werden, ob die von der Asche getrennten Edelmetalle mit beigesetzt, den Hinterbliebenen ausgehändigt oder vom Krematorium verwertet werden sollen. „Echte Wahlfreiheit sollte es auch in Bochum geben.", meint Fröhlich.

„Darüber hinaus sollte sich die Stadt aber auch der grundlegenden Wertefrage stellen, ob es mit der Würde des Menschen überhaupt vereinbar ist, wenn die Stadt aus den Überresten Verstorbener Erlöse für den Haushalt zu erzielen.“, gibt Fröhlich zu bedenken. In manchen Städten verzichte man auf eine solche 'Verwertung' nämlich gänzlich.

Autor:

Dennis Rademacher aus Bochum

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