Serras Stahlskulptur am Bahnhof verkauft und abgebaut - Stadt macht für 20 Mio. Kasse
Die Bürger reiben sich die Augen, wo sind Serras riesige rostige Stahlplatten von der Bahnhofskreuzung Ostring/ Wittener Straße hin, die manche für eine öffentliche Toilette, andere für Kunst hielten? Wo bis Samstag noch das Terminal von Serra stand, ist jetzt ein tiefes Loch, in dem nur noch zu sehen ist, wo die Platten vom Fundament abgetrennt wurden.
Das in Bochum über Jahre heftig umstrittene Kunstwerk, das entgegen aller Proteste 1979 aufgestellt wurde, ist Freitag Nacht klammheimlich abgebaut auf Tieflader geladen und abgefahren worden. Jetzt wurde bekannt, dass es am Sonntag in London angekommen ist und dort schon wieder aufgebaut wurde (siehe Bilder zu diesem Beitrag vom Aufbau des Terminal am Broadgate Estate). Im Rahmen des Redevelopment der Broadgate Estates an der Liverpool Station im Osten der City of London hat die Investorengesellschaft den Serra für fast 20 Mio. Euro von der Stadt Bochum kurzfristig erworben.
„Wir brauchten dringend Geld,“ ist aus der Stadt zu hören. Bei einem Kaufpreis von 20 Mio. hätte man nicht „Nein“ sagen können, wird die Entscheidung, das Kunstwerk zu verkaufen, verteidigt.
Die erhofften Sparmaßnahmen aus dem Konsolidierungskonzept 2012 führten zu einem großen Teil nicht zu dem gewünschten Erfolg. Die Gewerbesteuereinnahmen stiegen trotz Erhöhung der Hebesätze nicht. Die Gewinnabführungen an die Stadt von den Stadtwerken konnten nicht wie geplant erhöht werden. Auch die Bettensteuer ist gescheitert. Der USB konnte nicht zu einem stadteigenen Betrieb umgegründet werden (Rekommunalisierung), um die Erhebung der Umsatzsteuer zu vermeiden und die entsprechenden Beträge in die städtischen Kassen umleiten zu können. Und das sind nur einige gescheiterte Anstrengungen, den städtischen Haushalt zu sanieren.
Gleichzeitig sind die Dividendeneinnahmen der Stadt aus der RWE-Beteiligung auf Null gesunken. Setzt sich die Entwicklung hier weiter fort, werden die Einnahmen nicht mal mehr zur Deckung der Finanzierungskosten für die Kredite ausreichen, mit denen der Ankauf der entsprechenden Aktien finanziert wurde. Aus dem erhofften Gewinngeschäft wird dann ein Minusgeschäft, bei dem die Stadt jedes Jahr Millionen drauf zahlen muss.
Die Stadt befindet sich daher in einer akuten finanziellen Notlage. Mit dem Haushaltssicherungsverfahren, das die Bezirksregierung über die Stadt verhängt hat, wurde die Stadt verpflichtet bis 2022 Ein- und Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen. Weiterhin liegen jedoch die Ausgaben 50-100 Mio. über den Einnahmen. Auch im nächsten Jahr werden die Personalkosten im öffentlichen Dienst um 1-2% steigen werden. Die Symphoniker haben bereits für die nächste Woche Streiks für Gehaltserhöhungen angekündigt. Auch die Sozialausgaben steigen jedes Jahr um ca. 10 Millionen. Auch das alles muss gegenfinanziert werden.
An mögliche Alternativen, z.B. einer massiven Freisetzung von Mitarbeitern aus der Stadtverwaltung, eine Auflösung der Symphoniker oder eine personelle Reduzierung beim Ensemble des Schauspielhauses wollen Verwaltung und Politik bisher lieber nicht nachdenken. Lediglich die Schließung des städtischen Museums wurde bereits angedacht, Nach dem Verkauf des Serra läge der Verkauf städtischen Kunstsammlung und der Museumsgebäude nahe. Auch ehemalige städtische Schulen werden schon zum Verkauf angeboten. Solche „Horrorszenarien“ kann bei weiterer Verschlechterung der städtischen Finanzlage jedoch niemand mehr ausschließen.
Denn weitere Einnahmenausfälle für die Stadt kündigen sich bereits an: Jetzt müssen sich die städtischen Stadtwerke für weitere etwa 110 Mio. am Kauf der restlichen 49% des Energiekonzerns Steag beteiligen. Als man 2010 mit 6 anderen Ruhrgebietsstadtwerken gemeinsam bereits 51% der Steag für 117 Mio. erworben hatte, hieß es noch, die restlichen 49% würden an einen potenten privaten Investor verkauft, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass dieser sich nicht finden lassen würde, hätte man sich verpflichtet auch die restlichen 49% zu kaufen.
Dieser Fall, vor dem die Kritiker eindringlich gewarnt hatten, ist jetzt eingetreten. Insbesondere aufgrund der schlechten Renditeerwartungen bei dem Kohleverstromer Steag, fand sich kein privater Investor. Die Stadtwerke müssen die fälligen 110 Mio. auf Kredit finanzieren. Darüber hinaus müssen die Stadtwerke weitere Mio. in die Steag investieren, um den Konzern für die Energiewende fit zu machen. Damit ist der Spielraum für weitere Gewinnabführungen der Stadtwerke an die klamme Stadt noch geringer geworden. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung haben die Stadtwerke bereits mit der Abschmelzung des Millionensponsorings städtischer Institutionen und Vereine begonnen.
Auch der Kauf der Jahrhunderthalle muss noch finanziert werden. Hierzu hatte man sich verpflichtet, um an die Fördergelder für das Musikzentrum zu kommen. Wenn jedoch die aus dem Kauf resultierenden Kosten für Unterhalt und Betrieb die städtische Leistungsfähigkeit übersteigen würden, dann würde man die Notbremse ziehen und den „Schlüssel umdrehen und wegwerfen“, so Kulturdezernetn Townsend (Zitat).
Vielleicht findet sich auch für den Turm der Zeche Holland, dem Wahrzeichen von Wattenscheid, ein Käufer. Nachdem die Stadt es versäumt hat, die für eine Sanierung bereit stehenden Fördergelder abzurufen, ist fraglich, ob die Stadt die Sanierungskosten selbst übernehmen kann und will. Wenn nicht, dann bliebe nur Abriss oder Verkauf… .
Auch wenn dieser Beitrag bisher zum Glück nur eine Fiktion ist, wenn die wirtschaftlichen Fehlentscheidungen, von Stadtverwaltung, Stadtrat und städtischen Beteiligungsunternehmen in den nächsten Jahren erst richtig auf die städtischen Finanzen durchschlagen, dann wird die Stadt letztlich gezwungen sein genau so zu handeln, wie dargestellt. Zu bezweifeln ist allerdings, dass die Stadt bei einem Verkauf des Terminals 20 Mio. erlösen kann… .
Volker Steude,
BÄH - Bochum ändern mit Herz
(ruhrblogxpublik)
Autor:Dr. Volker Steude aus Bochum |
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