Schluss mit dem Townsend-Prinzip

Wenn die Kosten bei der JHH zu hoch werden: "Die Stadt kann, wenn sie will den Schlüssel umdrehen und weg werfen."
  • Wenn die Kosten bei der JHH zu hoch werden: "Die Stadt kann, wenn sie will den Schlüssel umdrehen und weg werfen."
  • hochgeladen von Dr. Volker Steude

Unglaublich: Wenn 2023 die Fördermittel vom Land für die Jahrhunderthalle nicht verlängert werden, dann hätte die Stadt Bochum auch eine sehr spezielle Option mit der Halle weiter umzugehen. Sie kann – so Kultur-Dezernent Townsend wörtlich über seinen Facebook-Account – „den Schlüssel umdrehen und weg werfen“ (siehe Bild zu diesem Text).

Dieses Prinzip hat ja auch gerade erst beim Stadtbad erfolgreich Anwendung gefunden. Erst hat die Stadt den Investor verpflichtet für Millionen ein Bad für die Innenstadt zu bauen, und zugesagt, dass man im Gegenzug den Verlust übernimmt. Nach 10 Jahren, als die Betriebskosten stiegen, war es soweit: zu teuer, die Stadt lässt den Schlüssel umdrehen und wegwerfen. Und das obwohl das Bad erst 10 Jahre alt ist.

Dieser hanebüchende betriebswirtschaftliche Unsinn, hat also offensichtlich in Bochum Methode, man kann diese analog zum bereits beschriebenen ebenso verheerenden Fleskes-Prinzip als Townsend-Prinzip beschreiben. Werden bei städtischen Investitionen diese Prinzipien verfolgt, führt dies zwangsläufig zum Ruin der städtischen Finanzen. Folgerichtig ist dieser Fall in Bochum längst eingetreten.

Auf die Jahrhunderthalle wird von der Stadt neben dem Townsend-Prinzip natürlich ebenfalls das Fleskes-Prinzip angewendet. 2,3 Mio. kostet der Unterhalt des 90 Mio. Objektes aktuell, davon trägt die Stadt momentan nur 0,4 Mio.. Doch die Jahrhunderthalle muss nicht nur unterhalten, sondern auch dauerhaft erhalten werden. Für die Kosten von Sanierung und Erhaltung, die die Stadt also ebenfalls zu tragen hat, ebenso wie Objektmanagementkosten muss die Stadt jedoch zu 100% alleine aufkommen. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Abschreibungen kommen da nochmals mind. 2-4 Mio. pro Jahr auf die Stadt zu.

Das wird sich die Stadt auf Dauer niemals leisten können, denn Einsparungen zu Gunsten der Jahrhunderthalle bei anderen Haushaltsposten sind aufgrund der angespannten Haushaltlage so gut wie unmöglich. Daher ist schon jetzt klar, nach 10 Jahren wird die Stadt den Schlüssel der Jahrhunderthalle nach dem Townsend-Prinzip wohl tatsächlich umdrehen und wegwerfen müssen.

Townsend versucht zu vermitteln, dass es wahrscheinlich sei, dass das Land seine Zuschüsse zu den Betriebskosten auch ab 2023 im bisherigen Umfang verlängern wird. Dafür spricht aber aktuell nichts. Denn warum verkauft das Land die Jahrhunderthalle überhaupt an die Stadt? Der einzige Grund ist doch, das Land will sich auf Dauer selbst von den Kosten entlasten und diese der Stadt aufdrücken. Es will die aktuellen Zuschüsse auf Dauer loswerden.

Was bedeutet die Anwendung des Townsend-Prinzips auf die Jahrhunderthalle? Diese wird noch 10 Jahre von der Stadt betrieben und danach zugesperrt. Auf die Stadtbad-Galerie-Investitionsruine folgt dann die Jahrhunderthallen-Investitionsruine. 90 Mio. Steuergelder für die Sanierung der Jahrhunderthalle werden dann sinnlos verbrannt sein.

Dass die Jahrhunderthalle keine lohnende Investition sein wird, hat die Stadt bereits im Haushalt 2011 selbst klar gemacht. Dort heißt es: „Der RuhrCongress Bochum und die Jahrhunderthalle Bochum stehen mit einem Überangebot (u.a. durch bundesweite Ergänzungs- und Neubauten) an Veranstaltungsstätten im Wettbewerb“, so dass sich ergo keine ausreichenden Einnahmen erzielen lassen. Die Halle gleichwohl vom Land kaufen zu wollen, macht wirtschaftlich jedenfalls überhaupt gar keinen Sinn.

Wieso ist die Stadt also so scharf auf ein neues Millionengrab? Ganz einfach, dafür, dass man die Kosten für die Jahrhunderthalle übernimmt, bekommt man vom Land 9,53 Mio. Fördergeld für das Musikzentrum (JHH-Vertrag). Gemäß des Bundes der Steuerzahler eine „Milchmädchenrechnung“. Das Land gibt 9,53 Mio. und spart 2-4 Mio. pro Jahr. Ein lohnendes Geschäft für das Land. Eine Investition, die sich schon nach 3-5 Jahren rechnet. So erklärt sich auch die plötzliche Begeisterung des Landes für das Projekt. Und, oh Wunder, auch Steven Sloane, verkündete anlässlich der Diskussion zwischen Symphonikern und Piraten im März diesen Jahres, gleiches wie Kulturdezernent Townsend und verwendete dabei sogar das gleiche Bild: Wenn die Stadt sich die Jahrhunderthalle nicht mehr leisten kann, dann könne sie doch einfach „den Schlüssel dort umdrehen und weg werfen.“ Jetzt wissen wir, von wem er diesen Satz übernommen hat… .

Die Stadt spielt die Jahrhunderthalle gegen das „Musikzentrum“ aus. Um die Finanzierung des „Musikzentrums“ Zustande zu bekommen, ist der Stadt fast jedes Mittel recht. Sie riskiert die Zukunft der Jahrhunderthalle zu Gunsten des „Musikzentrums“. Bliebe die Jahrhunderthalle in den Händen des Landes, wäre ihre Zukunft gesichert, geht sie über in das Eigentum der Stadt ist ihr Fortbestehen aufgrund der leeren Kassen bei der Stadt auf Dauer unwahrscheinlich. Die Stadt jedenfalls kann sich Unterhaltung und Erhalt der Jahrhunderthalle nicht leisten. Entsprechend baut Townsend clever vor und führt bereits heute ein, was mit der Jahrhunderthalle geschehen könnte: Zusperren, Schlüssel umdrehen und wegwerfen. Noch stellt er diese Handlungsmöglichkeit nur als eine mögliche Variante dar. Bereits heute wissen wir, eine andere Handlungsalternative wird sich die Stadt in 10 Jahren allerdings kaum leisten können.

Ohne substanzielle Kostenbeteiligung des Landes wird es wie jetzt beim Stadtbad auch bei der Jahrhunderthalle fast zwangsläufig zur Anwendung des Townsend-Prinzips kommen.

Die Anwendung des Townsend-Prinzips ist in jedem Fall für die Stadt schädlich. Städtische Infrastruktur wird, nachdem Millionen Euro Kapital investiert wurden, sinnlos vernichtet. Die Höhe des investierten Kapitals, unabhängig davon, wer es investiert hat (Private Investoren, das Land oder die Stadt) steht in keinem Verhältnis zu seiner Nutzungszeit von nur 10 Jahren. Bei Gebäuden geht man regelmäßig von 50 Jahren aus. Derartige Kapitalvernichtung nach dem Townsend-Prinzip steht im krassen Widerspruch zu der gerade hinsichtlich städtischer Infrastruktur zu fordernden Nachhaltigkeit.

Will die Stadt die Jahrhunderthalle kaufen, dann hat sie deren Unterhalt und Erhalt mindestens für die nächsten 50 Jahre sicher zu stellen. Entsprechend sind jedes Jahr für das nächste halbe Jahrhundert ausreichende Mittel für Unterhalt und Erhalt des Objektes in den Haushalt einzustellen. Sind diese Mittel absehbar gar nicht vorhanden, dann kann sich die Stadt das Objekt nicht leisten und muss auf den Erwerb der Jahrhunderthalle verzichten.

Die Jahrhunderthalle allein auf die vage Hoffnung hin zu kaufen, dass vielleicht das Land auch in 10 Jahren noch einen Teil der Unterhaltskosten übernehmen wird und wenn die Hoffnung sich als Luftnummer erweist in Betracht zu ziehen das Objekt nach nur 10 Jahren zu schließen, ist verantwortungslos. Ein Kultur- und Schuldezernent der derart leichtfertig mit städtischem Kapital umgeht, hat seinen Job verfehlt. Er sollte besser gehen. Wenn er sein Büro zumacht, dann wäre ausnahmsweise die Anwendung des Townsend-Prinzips angebracht: „Schlüssel umdrehen und weg werfen“.

Volker Steude (Ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

22 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.